Scheinende Heilige

Scheinende Heilige

Unser heutiger Beitrag ist in gewisser Weise der Ökumene gewidmet. Genauer gesagt, geht es eigentlich um etwas, was der evangelischen Kirche ziemlich fremd ist: Um Heilige. Sie wissen schon: Menschen, die irgendwann mal vor längerer oder kürzerer Zeit auf dieser schönen Erde gelebt haben, ein großes Vorbild im Glauben waren, mindestens ein Wunder vollbracht haben und dafür von der katholischen Kirche heilig gesprochen wurden.

Als Ausgleich für dieses verantwortungsvolle Amt gibt es mehrere Vergünstigungen: Zum einen kann man als Heiliger offiziell von allen Katholiken verehrt und mit Gebeten bedacht werden, die man dann als Fürsprecher an Gott weiterleiten kann. Zum anderen bekommt man freie Stehplätze in unzähligen Kirchen zugewiesen, wo man dann in Form von Statuen, Plastiken o.ä. einige Jahrhunderte herumzustehen hat, gerne auch vergoldet. Nicht zuletzt bekommt man meist auch noch ein eindeutiges Erkennungsmerkmal mit auf den Weg, so dass zumindest die Kunstkenner unter den Heiligenverehrern sagen können: „Schau mal, der da hat einen Schlüssel, das ist Petrus!“ oder „Der hat Hörner auf dem Kopf, das ist Mose“ (letzteres weiß ich zufällig, weil unsere heimische St. Johanniskirche eine ziemlich stark barockgoldenen Mose unter ihrer Kanzel stehen hat und der gedruckte Kirchenführer behauptet, es sei auch wirklich Mose, wegen der Hörner, welche ich aber noch nie in echt entdeckt habe.) Dieses Erkennungsmerkmal nennt sich „ikonographisches Heiligenattribut“ und reicht von „Adler“ (Johannes) über „Drache, zahm“ (Margareta von Antiochia, Magnus von Füssen) und „Schwein“ (Antonius der Eremit) bis hin zu „Zimmermannsgeräte“ (Josef von Nazaret). Sollte ich jemals heiliggesprochen werden, wovon allerdings nicht wirklich auszugehen ist, wäre ich als Mittelfranke mit einer ganz besonderen Beziehung zur Bratwurst (bitte die evangelische Variante) dem Bratrost (Laurentius von Rom) nicht abgeneigt, wobei ich die damit angedeutete Todesform allerdings eher ablehne.

####LINKS####Bei der großen Zahl von Heiligen, die in der katholischen Kirche verehrt werden, kann es natürlich durchaus auch mal vorkommen, dass der eine oder die andere im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerät. Auch reicht die Zahl der Tage des Jahres schon längst nicht mehr aus, alle Heiligen mit einem eigenen Tag zu bedenken, selbst wenn man drei oder vier am gleichen Tag nimmt. Auch ich selbst, der ich mir sowieso so gut wie keine Namen merken kann (eine Eigenschaft, die für einen Pfarrer eigentlich nahe an der Berufsunfähigkeit ist, aber man entwickelt mit der Zeit eine gewisse Inkompetenzkompensierungskompetenz oder wird vielleicht einfach von den Leuten trotzdem gemocht, hoffe ich), wäre mit diesen Hunderttausenden von Heiligen hoffnungslos überfordert – deshalb bin ich ja auch evangelischer Pfarrer geworden. Wie gut, dass es da noch „Allerheiligen“ gibt: Alle Heiligen auf einmal! Allmächd, seufzt da der Mittelfranke in mir. Kann man schon mal keinen mehr vergessen. Diesen Allerheiligen ist nun auch die Allerheiligenkirche in Gleiwitz (Gliwice) geweiht, in der die von mir sehr geschätzte Lilian Kura (auf Twitter: @textzicke) einen ganz besonderen Allerheiligen fand.

 

Hier verehrt man ja den heiligen St. Beamerus. #Gleiwitz pic.twitter.com/4EB53EUrLH

— Die m. d. Text zickt (@textzicke) 23. Juli 2014

Offenbar gehen der katholischen Kirche langsam nicht nur die Heiligentage aus, sondern ebenso die traditionellen Heiligenattribute. Dieser hier jedenfalls hat ein recht modernes: Einen Beamer. Sie wissen schon: Diese neumodischen, Lichtstrahlen aussendenden Foltergeräte, mit denen man (hüstel) höchst interessante Powerpoint-Präsentationen an die Wand werfen kann, um dem eigenen langweiligen Vortrag die letzte Würze zu nehmen. Wofür dieser Beamer in der Kirche stehen soll, bleibt allerdings im Dunkeln. Auch die auf polnisch verfasste Website der Gleiwitzer Allerheiligenkirche bringt uns mangels Verständnis der Sprache hier keine, äh, Erleuchtung. So sind wir auf Vermutungen angewiesen. Steht der Beamer („Strahler, Scheinwerfer“) für die göttliche Erleuchtung? Ist er ein Symbol dafür, dass auch manche Predigt der Auflockerung durch eine allerliebst gemachte Powerpoint-Präsentation bedarf? Ist der hier abgebildete Allerheilige vielleicht Hermes, der Götterbote? Ach nein, das ist der falsche Film. Steckt die Wahrheit über diesen Heiligen möglicherweise in diesem mangels jeglichen polnischen Sprachverständnisses wahllos aus der Internetseite kopierten Satz: „Nie zachowa?y si? dokumenty dotycz?ce budowy murowanego ko?cio?a w obecnym pó?nogotyckim kszta?cie. Prawdopodobnie plan ko?cio?a sporz?dzono w 1470 roku. Wie?? (wnioskuj?c z daty umieszczonej na jej po?udniowym portalu) wybudowano w 1504 roku.“? Fragen über Fragen, keine Antworten, nur ein Beamer, der bei Bedarf anfängt zu scheinen.

Vielleicht ist das aber auch schon die Antwort. Wahrscheinlich ist es einfach ein Schein-Heiliger.