Der gute Kampf des Glaubens

Der gute Kampf des Glaubens

Mittelalterfest in unserer Stadt. Zehntausende Menschen machen sich auf den Weg, drängeln sich durch original historisch nachgemachte Zelte, kaufen original historisch nachgemachte Kleider und Schmuck, essen original historisch... äh nein, einfach Bratwurst. Die gibt's ja sonst nie. Einmalige Gelegenheit.

Irgendwie war der Verantwortliche der Stadtverwaltung ein paar Monate zuvor auf die Idee gekommen: Da sollte es am Sonntagmorgen auch einen mittelalterlichen Gottesdienst geben. Ökumenisch aber bitteschön.

 Na klar, wen fragt man da am besten? Den Citykirchenpfarrer. Der – und sein katholischer Kollege – ist ja schließlich für jeden Quatsch zu haben.

Na aber gerne machen wir das. Auch wenn das Mittelalter zur Reformationszeit ja eigentlich schon rum war. Und es in den Jahrhunderten danach vermutlich, ähm, na ja, relativ wenige ökumenische Gottesdienste gab.
Wir zwei arbeiten eine schöne Dialogpredigt aus, die die wichtigsten Streitpunkte der Reformation nach unserer Meinung ganz gut auf den Punkt bringt. Die Stadt stellt gleich zwei mittelalterliche Musikgruppen. Und sagt noch: „Sie werden dann am Sonntag von der nächsten Kirche zu Pferd abgeholt. Die Ritter machen das.“

 Nun ja. Warum auch nicht.

Samstag vor dem Mittelaltergottesdienst, alles ist rappelvoll, das größte Parkhaus der Stadt belegt, was einer Sensation gleichkommt. Kurze Lagebesprechung. Erstes Treffen mit den Rittern. Die stehen in voller Montur da, haben gerade ein Schauturnier hinter sich. Wir besprechen, wie das mit dem Einzug funktionieren kann. Eigentlich ist alles geklärt. Auf einmal die Frage: Ist eure Kirche auch in der Nacht offen?

Äh, nein. Natürlich nicht. Schlechte Erfahrungen und so.

Aber morgen sollen zwei Novizen nach drei Jahren Vorbereitungszeit zum Ritter geschlagen werden. Dazu gehört normalerweise, dass sie die ganze Nacht durch beten.

Jemand will in die Kirche zum Beten? Und kann nicht, weil die Kirche zugesperrt ist? Also, das kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen. Selbst habe ich keinen Schlüssel, aber ich telefoniere herum, bis ich einen habe. Komme abends gegen 22:00 wieder zum Lager der Ritter. Und dann ziehen wir los: Alle Ritter mit schwarzen Kutten. Auch mir haben sie eine verpasst. Vorneweg ein Fackelträger und das Kreuz. Die zwei Novizen im Büßergewand. Die Ritter singen einen alten lateinischen Gesang auf ihrem Weg durch die Fußgängerzone. Unheimlich und würdevoll zugleich wirkt der Zug. Dann erreichen wir die Kirche. Ich sperre auf, hole eine Kerze. Die Ritter legen ihre Mäntel auf den nackten Steinfußboden, die Novizen legen sich bäuchlings darauf, die Hände seitlich ausgestreckt. So lassen wir sie allein.

Vier Stunden, meint der Oberritter. Nicht die ganze Nacht, denn sie werden morgen fürs Turnier gebraucht und sollen nicht vom Pferd fallen. Aber bete mal vier Stunden auf dem kalten Fußboden in einer fast komplett dunklen Kirche. 

„Deine Kirche ist jetzt so sicher wie noch nie, geschützt durch die Schwerter der zwei“, meint der Anführer zu mir. Auf dem Weg zurück zum Lager erklärt er mir, wie ernst sie das Ritterleben nehmen. Dass Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit an erster Stelle stehen. Dass die Ausbildung sehr umfassend ist und neben Fecht- und Reitkunst auch Musik, Gedichte, Umgangsformen, das Aufwarten bei Tisch und vieles andere beinhaltet. Und dass der Schutz der Kirche immer zu den Aufgaben der Ritter gehört hat.

„Im Moment gibt es keine Probleme hier in Deutschland. Aber wenn es einmal anders werden sollte, dann bin ich der letzte, der mit dem Schwert in der Hand zwischen dir und dem Mob steht.“ Ein mit tiefem Ernst gesprochener Satz, der auf mich fremd wirkt und doch vertrauenerweckend. Diese Menschen würden tatsächlich notfalls ihr Leben geben, um andere zu verteidigen. Und: „ Du würdest es nicht glauben, wie viele von uns es in Deutschland gibt.“

Irgendwie beruhigend, das zu wissen. Auch wenn ich hoffe, nie auf ihre Dienste in dieser Hinsicht zurückgreifen zu müssen.

Ohne zu zögern überlasse ich den Rittern den Kirchenschlüssel, der mir ja nicht einmal gehört. Bei denen ist er sogar sicherer als bei mir zu Hause, daran habe ich keine Zweifel.

Am nächsten Tag holen sie meinen Kollegen und mich von der nahegelegenen St. Salvatorkirche ab. In voller Rüstung, die zwei „Neuen“ immer noch im Büßergewand. Hoch zu Ross reiten wir zu der Bühne, auf der der Gottesdienst stattfindet. Feiern miteinander, die Ritter stehen rechts und links. Als uns auffällt, dass wir vergessen haben, Behälter für die Kollekte zu organisieren, ziehen zwei wie auf ein Kommando ihre Mützen aus der Tasche. Auf die Ritter ist Verlass.

Nach dem Gottesdienst sind wir eingeladen, dem Ritterschlag beizuwohnen. Ich dachte immer, das sei dieses kurze Antippen mit dem Schwert. Nein, nein: „Empfange den letzten Schlag, den du ohne Gegenwehr hinnehmen musst“, mit diesen Worten schlägt der Anführer den beiden knieenden jungen Männern mit aller Kraft auf den Rücken, so dass sie vornüberfallen. Erst danach werden sie mit dem Schwert berührt, dürfen aufstehen, werden von ihren Kameraden in ihre neuen Farben gekleidet. Ein berührender Moment. Zwei junge Menschen, die sich Zeit ihres Lebens einsetzen werden für Wahrhaftigkeit, für Gerechtigkeit – und für den Schutz der Kirche. 

  • Homepage der Turneydrachen: http://www.turneydrachen.de/
  • Fotogalerie vom Gottesdienst http://www.citykirche-schweinfurt.de/kategorie/bildergalerien/mittelaltergottesdienst-1292010
  • Predigt http://www.citykirche-schweinfurt.de/inhalt/verdammnis-oder-heilsgewissheit

Fotos: Stadt Schweinfurt/Karl-Heinz Beck, mit freundlicher Genehmigung