Das Ding das mir fast auf den Kopf gefallen wäre I

Das Ding das mir fast auf den Kopf gefallen wäre I

Letztes Jahr, beim Abbauen eines fürchterlich hässlichen Einbauschranks in einem kirchlichen Raum, wäre mir fast dieses seltsame Ding auf den Kopf gefallen. Ein paar alte Schrauben und Dübel lagen darin. Ehrlich gesagt: Ich habe nicht den leisesten Schimmer, was es wirklich ist. Aber unsere kreative Diskussion damals im Kreis „stilvoll glauben“ hat einige sehr interessante Ideen zutage gefördert. Deshalb nun in loser Folge: Gedanken und abwegige Geschichten zu „das Ding das mir fast auf den Kopf gefallen wäre“. Allesamt nicht so ganz ernst zu nehmen. Aber auch nicht wirklich von der Hand zu weisen... oder?


Keine Ahnung, wozu wir da eine ganze Reihe von Artikeln brauchen. Die Sache ist doch wirklich völlig klar, die Geschichte ein wenig traurig und auch tragisch: Es handelt sich um ein Ziborium, ein Aufbewahrungsgefäß für geweihte Hostien, aus dem Jahre 1348.

Damals herrschte die Pest in Schweinfurt. Der Schwarze Tod raffte viele dahin. Es war überlebenswichtig, sich nicht anstecken zu lassen und möglichst viel Abstand zu halten, auch für Pfarrer. Um den Pfarrern das Austeilen der Hostien zu erleichtern, wurde dieses Ziborium an einem langen Stock befestigt. Nun konnte man mit gebührendem Abstand dennoch den Gläubigen zumindest das Brot, die Hostie, reichen; vom gemeinsamen Trinken aus dem Abendmahlskelch sahen in dieser Zeit selbst die Evangelischen ab.

Von dieser Sitte leitet sich übrigens auch der Ausdruck „am Stock gehen“ ab: Damit waren ursprünglich Menschen gemeint, die möglicherweise von der Pest befallen waren und das Abendmahl nur noch „am Stock“ erhalten konnten. So erinnert das „Ding das mir fast auf den Kopf gefallen wäre“ noch heute an eine der schwersten Zeiten Schweinfurts.

Beinahe wäre dieses Ding in Vergessenheit geraten. Nach dem Abklingen der Pest lag es jahrhundertelang unbeachtet in einer Ecke der Sakristei. Es war ja schließlich auch keine reich verzierte Schönheit. Aus der Not heraus hatte man in schwerer Zeit eine einfache, nur wenig verzierte Form gewählt. Nun, nach der Pest, konnte man wieder auf die schönen, echt vergoldeten und reich geschmückten Ziborien zurückgreifen. So lag dieses Ding in einer Ecke, wurde vergessen und nur alle paar Jahre vom jeweiligen Mesner einmal hervorgeholt, abgestaubt und poliert.

Bis wieder einmal eine schwere Zeit für Schweinfurt anbrach: Der Zweite Weltkrieg und vor allem jene verheerende Bombennacht in Schweinfurt. Die Johanniskirche, zentrales Gebäude von Schweinfurt, wurde schwer getroffen. Unser Ziborium fiel auf den Boden; der alte Holzstiel, schon längst morsch geworden und abgebrochen, ging verloren. Übrig blieb die Metallschale mit dem Deckel, die wie durch ein Wunder unversehrt blieb.

Keiner erkannte die historische Bedeutung dieses Fundstücks. Schreinermeister Albert Knauf aus Schweinfurt fertigte den neuen Stiel an und befestigte ihn mit einer einfachen Schraube. Schon damals, nach dem Krieg, rätselte man, worum es sich bei diesem „Ding“ wohl handeln könnte. Da es durch den neuen Stiel ein wenig an eine zu klein geratene Bratpfanne erinnerte, kam es schließlich in den Besitz des Evangelischen Frauenbundes. Aber auch die wussten nichts damit anzufangen, sammelten ein paar alte Schrauben darin und taten, was man halt so tut, wenn man nicht weiß wohin damit: Sie stellten es auf den Schrank. Bis im Jahr 2009 ein neu eingestellter Citykirchenpfarrer diesen Raum für sein Büro benötigte und den Schrank abbaute. Lange rätselte er, was das wohl für ein Ding sein könnte, das ihm da fast auf den Kopf gefallen wäre. Dann schrieb er einen Blogeintrag darüber und stellte es... auf einen Schrank.