I m a Barbie Girl

Spiritus-Blog
I m a Barbie Girl
Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten. Diese Woche natürlich - was sonst! - den neuen Barbie Film sehen!

Lange hatte ich keine Barbie. Meine Mutter wollte es nicht: zu sehr Plastik. Zu sehr Kommerz. Zu sehr absurde Körperkonstruktionen. Mein Vater - so meine Erinnerung - hatte keine Meinung zu Spielzeug, fand aber sowieso selbst Wimperntusche und Lippenstift unnötig, sowieso alles, was rosa war - nicht nur für sich (das wäre ja okay gewesen), sondern für alle Menschen, insbesondere alle Frauen.

Irgendwann unterlief meine Tante die Erziehungsideale meiner Eltern und ich bekam von ihr eine Barbie. Sie trug ein selbst genähtes Kleid aus jeansblauer Wildseide. Und ich spielte fortan quasi nur noch mit ihr. Barbie begleitete mich in mein Frau werden. Mit ihr und dem Ken mit den gelben Vollplastikhaaren spielte ich das, was eine Freundin neulich „Softporno“ nannte. Plötzlich sprechen wir nämlich über unsere Barbies und über das, was uns an ihnen glücklich machte. Siehe da: Ich bin ja gar nicht die Einzige, deren sexuelle Sozialisation mit Barbie begann!

Also: Ich hatte eine Barbie. Ich habe sie geliebt. Und ich bin dennoch eine aufrechte bodypositive dicke Feministin geworden. Oder gerade deshalb?

Barbie - und damit beginnt auch Greta Gerwigs großartiger Film, den ich hier versuche, nicht zu spoilern - war die erste Puppe, die erwachsen war. Zuvor hatten Mädchen im Spiel mit Puppen immer geübt, Mutter zu sein. Barbie dagegen war Modell, Ärztin, Journalistin, Astronautin - sie konnte einfach alles sein. Sie hatte ihr eigenes Haus, ihr eigenes Auto, ihren eigenen selbst gewählten Beruf. Im Barbie Haus war die Küche Nebensache. Barbie flog zum Mond zu einer Zeit, in der Frauen noch keine Kreditkarten besitzen durften. Als sie für das US-Präsidentenamt kandidierte, war in Deutschland die Vergewaltigung in der Ehe noch straffrei. In Gerwigs Film ist Präsidentinnenbarbie übrigens schwarz - eine Vorstellung, deren Realisierung in den letzten Jahren in noch größere Ferne gerückt ist als zuvor.

In einem Interview mit der Vogue verglich Greta Gerwig Barbie und Ken mit Adam und Eva. In der bis heute verbreiteten und tief ins kulturelle Gedächtnis eingesickerten Lesart der zweiten biblischen Schöpfungsgeschichte ist es so: Adam ist zuerst erschaffen, Eva entsteht aus ihm heraus als sein Accessoire und ist fortan seine Hilfe. Dagegen, sagt Gerwig, ist Barbie die Erste in Barbieland. Ken wurde später erfunden - als ihr Accessoire.

Wer jetzt denkt: Aber das ist ja nun auch keine Lösung. Oder: Aber die nur normschönen weißen cis abled Körper! Oder: Und was ist mit denen, die weder Barbie noch Ken sind? - all diesen Fragen geht der Film nach. Auch Ken bekommt seine Geschichte und am Ende… Nein! Schaut selbst!

Eins aber will ich verraten:

Als alle Barbies von Ken und dem Patriarchat gebrainwasht sind. Als Präsidentinnenbarbie sich stundenlang von Ken die Welt und seinen Schmerz erklären lässt. Als Literaturnobelpreisbarbie sagt, ihr Buch habe sie nur Ken zu verdanken. Da gibt es etwas, was diesen Bann löst: Das Sprechen über all die Ansprüche, die an Frauen gestellt werden und die einfach nicht zu erfüllen sind. Wir sollen erfolgreich sein und straight, aber niemandem Angst machen. Sollen dünn sein (wobei heute sagt man gesund, meint aber dünn) und schön, aber auch wieder nicht zu sehr. Sollen uns schminken, aber so, dass man es nicht sieht, uns optimal kleiden, aber dabei ganz effortless sein und uns eigentlich gar nicht für Mode interessieren. Sollen Mütter sein, aber bitte nicht über unsere Kinder sprechen. Sollen immer freundlich sein und verständnisvoll, aber auch Grenzen setzen (natürlich in weiterhin freundlich und verständnisvoll), denn tun wir das nicht, sind wir schließlich selber schuld. Wir sollen lächeln und zuhören, neugierig sein, aber nicht so, dass es stört. Wir sollen Frauen sein, aber nicht wie die anderen Frauen. Und niemals gestresst oder lästig, aber doch auch mal Männer um Hilfe bittend. All das ist nicht zu schaffen. Und wenn wir diese Wahrheit einmal aussprechen. Vor uns und vor anderen - dann - so verspricht „Barbie. The Movie“ - sind wir frei.

Ich geh mir jetzt ein Barbie-T-Shirt holen. Hoffentlich sind sie nicht ausverkauft.

 


Wochenaufgabe:

Dir und anderen sagen: du kannst es eh nicht schaffen mit dem Perfekt-Werden. Und dann frei sein.

Und: natürlich - wenn noch nicht geschehen: „Barbie“ schauen.