Gottes ‚Zorn‘
Grundsätzlich: Alles was wir von Gott wissen, sind Resonanzen auf Eingebungen oder ‚Offenbarungen‘, die Menschen erfassen. Die Vorstellungen der Bibel von Gott sind sehr alt und stammen aus dem Orient. Wir haben eigene Bilder, die sind genauso gültig wie die der Bibel, nur nicht so alt. Sie haben daher weniger Autorität. Aber man kann anfangen sich selbst zu glauben.
Bis vor 40 Jahren wurde Menschen in Deutschland noch oft eingetrichtert, dass Gott straft. Erziehende haben ihn in den Dienst einer schwarzen Pädagogik gestellt und damit instrumentalisiert. Das gibt es auch weiter in der Welt. Aber es gibt keinen zornigen Gott. Es hat ihn nie gegeben. Er hat sich aufgelöst. Er war nie da. Die biblischen Texte, die darauf anspielen, sind eine Gerinnungsstufe des Glaubens vor 3000 Jahren. Glaube kann im Lauf der Menschheitsgeschichte und auch in einer einzigen Biografie reifen und Neues entdecken. Heute gelten andere Bilder von Gott.
Es gibt die Freude Gottes an jedem einzelnen Menschen. Wenn Menschen diese Freude nicht erwidern, gibt es einen Stau. Wie wenn jemand dich lieben will und du kannst es nicht zurückgeben, weil du in dir selbst irgendwie verknotet bist. Das fühlt sich nicht gut an. Man fühlt sich ungeliebt - vielleicht immer schon. Man kann nicht glauben, dass einen jemand wirklich lieben kann. Oder man glaubt, die Leute lieben nur die Benutzeroberfläche, aber wenn sie ins Innere schauen könnten, würden sie sich abwenden. Solche Haltungen rühren von Verletzungen her.
Gott freut sich an dir. Freude am Leben ist der Ursprung der ganzen Schöpfung Gottes, immer. Das ist schwer zu glauben für jemanden, der wenig Liebe erfahren hat. Und wenn man das nicht nehmen kann, dann fühlt es sich innerlich an wie ‚Abwendung Gottes‘ oder ‚als würde mich das Leben bestrafen‘, nur weil ich da bin. Das rührt von der Verletzung her. So werden wir nicht geboren. Mit der Geburt freut sich Gott, auch schon vorher. Lernen wir dagegen als kleine Wesen die Kälte menschlicher Beziehungen, verkehrt sich das JA als Antwort auf Gottes Freude an uns in Misstrauen. Das geht vielen so. Der Weg geht also durch das Weh, das mir Menschen angetan haben, hindurch hin zu dieser uralten Freude. Das ist manchmal ein langer Weg.
Und die ganze Zeit steht Gottes JA zur Seite. JA zu den Skrupeln, sich lieben zu lassen, JA zu dem Zorn, den man auf Gott haben kann, weil man ihn ‚zornig‘ erlebt. JA zum Misstrauen. JA zum Gefühl zerrissen zu sein. JA zu den kleinen Freuden, die einverstanden mit dem Leben machen. Immer dies JA und das ‚ich bin da‘, meint ‚ich bin dabei‘ und trage mit.
Manchen Menschen hilft es, Gott fein und ohne jede Bewertung lächeln zu sehen. Er lächelt mir zugewandt zu. Er wendet sich nicht ab. Er bleibt, und wenn ich noch so fluche. JA, tu das, fluche, bitte, sei irritiert, sei selig - ich bin da und bleibe dir zugewandt.
Immer wieder die Aussage, die meine Antwort sucht:
‚Ich freue mich an dir, du bist mein geliebtes Kind.‘ (in der Bibel gesprochen z.B. bei der Taufe Jesu)
Das ist Wort Gottes. Immer und ausnahmslos.
Freue ich mich über meine Geburt oder verfluche ich sie?
Die Antwort darauf ist das Ur-Glaubensbekenntnis als Reaktion auf Gottes Wort.
Die Antwort heißt am Ende JA oder NEIN.
Man kann sich zum JA hindurcharbeiten, hinbeten, sehnen.
Man kann jeden Zustand, in den man auf diesem Weg gerät, Gott zeigen, ihn bitten, beschimpfen, fordern, ihm danken.
Dann ist man schon (fast) da.