Ein Morgen

Ein Morgen
Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten und das, was man nicht sehen kann. Mich noch einmal erinnern, was wir gefeiert haben in den letzten Tagen: ein Essen, einen Foltertod, einen Morgen.
Nach Worten suchen für diesen Morgen. Ostern. Wieder einmal. Und nur unzureichende haben. Dennoch sie aufschreiben.

Am Morgen ist er fort.
Vorausgegangen nach Galiläa.
Am Morgen ist er da.
Sagt: Fürchtet euch nicht.
Am Morgen geht er mit anderen.
Bricht das Brot in zwei Teile und verschwindet.
Zurück bleibt ein halb gedeckter Tisch und ein Brennen im Herzen.
Am Morgen ißt er ein Stück Fisch vor ihren Augen.
Verspricht ihnen Kraft aus der Höhe.
Am Morgen fragt er: Was weinst du?
Sagt: Maria. Und: Fass mich nicht an.
Am Morgen tritt er durch verschlossene Türen.
Macht ein Feuer.
Fragt: Liebst du mich?

Am Morgen hat er immer noch Wunden.

Und vielleicht ist das mein Osterbekenntnis:
Ich glaube an einen Verhafteten. Einen Gefolterten.
Einen Verurteilten.
Ich glaube an einen Ermordeten. Verbluteten. Erstickten.
Und dass er auferstand.

Ich glaube, dass er der Anfang von allem ist. Und das Ende.
Das A und das Z.
Universum.

Ich glaube, dass mit ihm Gott selbst starb.
Und auferstand.
Auferstand mit Wunden und Narben.

Und dass all die Gefolterten und Ermordeten.
Die verbrannten Hexen.
Die Mißbrauchten, Kleingemachten, Ausgebeuteten.
Die Verlierer*innen, die Durchhalter*innen, die Verletzten an Leib und an Seele.
Und alle seufzende geschundene Kreatur
aufersteht mit ihm.
Schon jetzt.

Ich glaube, was ich nicht sehe.
Glaube es auch für mich:
Dass es gut wird selbst mit mir.
Dass da ein Weg ist und ein Zuhause.
Ein Morgen. Ein Blühen.
Ein Heilsein schon jetzt.
Ja, das glaube ich.
Glaube, was ich nicht sehe.

Und deshalb backe ich Brot.
Spreche ich den Segen.
Deshalb bin ich wohl noch da.
Atme und lebe.

Deshalb sage ich „zu ihm“ - wenn mich jemand fragt, wohin ich gehöre.