Ab in die Wüste!

Ab in die Wüste!
Eine Polemik in Zeiten von Corona - und ein frommer Wunsch

Je älter ich werde, desto frommer werde ich.
Und desto ungnädiger, zorniger.

Es geht mir allmählich auf die Nerven, dieses neunmalkluge Corona-Gerede, das Maulen und Herumgenörgele, die Moralpredigten und Wichtigtuereien. Ich weiß, der Lockdown nervt, die Stimmung ist schlecht, die Leute sind gereizt, selbst im Freundeskreis.

Trotzdem: Muss das sein, dass man nicht mehr hinhört und keinem zuhört? Dass man stattdessen die Politik anklagt und nach Kräften verurteilt; sie an den Pranger stellt mit falschen Behauptungen und überflüssigen Fragen, wann denn der Lockdown endlich beendet werde und die Öffnung für alles und jeden komme, warum nicht schneller geimpft werde, wo denn die Perspektive bleibe und überhaupt würden unsere Freiheitsrechte vorsätzlich geopfert, nehme die Politik den Ruin der Wirtschaft billigend in Kauf, und ganz abgesehen davon stört es doch keinen, wenn ich etwas unternehme, und so weiter und so fort.

Manchmal könnte ich aus der Haut fahren und losbrüllen: Wenn ihr euch in Gefahr bringen wollt, wenn ihr euch umbringen wollt, bitte sehr! Aber lasst mich damit in Frieden. Und gefährdet andere nicht. Ihr nervt!

Selbst die Journalisten kritisieren fast ununterbrochen: Herr Söder, hätten Sie nicht … Frau Merkel, war es nicht ein Fehler … Herr Spahn, warum haben Sie nicht früher, nicht schneller … wo ist die Strategie, Ihr Masterplan ...

Als könne die Politik hellsehen.
Als wolle sie keine Lösung.
Als handele sie absichtlich gegen uns.

Wisst ihr was? Ich wünsch euch alle in die Wüste und mich gleich mit dazu. Vierzig Tage. Mindestens. Oder wenigstens bis Ostern. Schließlich ist Fastenzeit. Und Corona zwingt uns ohnedies zur Untätigkeit.

Und dort, in der Einöde, wo es niemanden stört, weil es keiner hört, schreien wir dann unseren ganzen Unmut heraus. Ihr euren auf Merkel & Co, ich meinen auf euch.

Ich werde so lange brüllen, bis meine Wut verraucht ist. Und bis mir klar wird, worum es eigentlich geht. Dass eure Anklage die Falschen trifft und ihr nicht meine Feinde seid.

Sondern die Angst.

Und dann still sein. Allein sein. Umkehren. Umdenken. Vierzig Tage in sich gehen und der Versuchung widerstehen, immer alles besser zu wissen. Vierzig Tage darauf verzichten, andere anzuklagen.

Und hören, was Gott seinem Sohn, der die Wut so gut kannte, sagte, bevor ihn der Geist in die Wüste trieb. In die Einsamkeit, in der Jesus vierzig Tage blieb, vom Satan in Versuchung geführt wurde, bei den wilden Tieren lebte und die Engel ihm dienten (was für eine wunderbar sparsame Sprache Markus wählte): Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen.

Und hoffen, dass Gott auch an uns Gefallen hat. Trotz aller Wut.

Und mit unserer Wut.