Der Bibeltext, der in der evangelischen Kirche zu dieser Woche gehört, geht so:
Jesus erzählte dies Gleichnis:
Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.
Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
(Lukasevangelium, Kapitel 18)
Ich bin völlig eindeutig #TeamPharisäer*in. Ich faste zwar nicht zweimal die Woche und es sind auch nicht 10% meines Gehaltes, das ich spende - aber ich bin ein ziemlich anständiger Mensch. Ich zähle jetzt nicht auf, inwiefern, denn das wäre irgendwie wieder unanständig. Aber glaubt mir: ich bin’s. Ich muss mich dazu nicht besonders zwingen. Es kommt mir ganz natürlich vor. Und ich erschrecke jedesmal aufs Neue, wenn andere da so anders sind. Wenn ich fühle, dass welche sich durchmogeln, sich ihre innere Wahrheit zurechtbiegen. Wenn es anderen gar nicht um die Sache geht, sondern um ihr Fortkommen. Am Schlimmsten: wenn ich die Kommentarspalten bei Idea lese und mir so viel Kaltherzigkeit gegenüber Geflüchteten, LGBTTIQ und anderen entgegenspringt - geschrieben von Christ*innen.
Jedenfalls: so bin ich. #TeamPharisäer*in.
Das Dumme ist nur: ich habe absolut nichts davon. Jedenfalls nichts von den Dingen, die ich mir wünsche. Es ist der Kollege, der die unbefristete Stelle hat, nicht ich. Es ist die Freundin, die heiratet, nicht ich. Es sind die anderen, die immer noch Kraft haben für das nächste Projekt, die nächste Lebensstufe, nicht ich.
Ich kämpfe derweil mit meinem Alleinsein, mit meiner Angst, nicht zu genügen, der Angst, dass ich vielleicht einfach nicht liebenswert genug bin. Ich kämpfe mit dem Gefühl, keinen rechten Platz in dieser Kirche und in diesem Leben zu finden. Und ich kämpfe damit, endlich nicht mehr zu kämpfen, das muss doch möglich sein, verfickt noch mal, vielleicht mit Gebet und Therapie, die drölfzigste.
Anders als der Pharisäer im Gleichnis bete ich nicht: Danke, dass ich nicht wie die anderen bin.
Ich bete: Warum, Gott, bin ich nicht wie sie? Was tun sie, was ich nicht tue? Warum haben sie das, was ich mir so wünsche? Was ist ihr Geheimnis? Ich bete: Was kann ich noch machen, damit du es mir auch schenkst, Gott?
Und ich bekomme, wie der Pharisäer, keine Antwort.
Oder doch, ich bekomme sie:
Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus.
Hör auf, auf die anderen zu schauen, sagt Jesus. Schau nur zu Gott*. Zeig ihr deine Armut. Frag nach ihrer Gnade.
Und einen Moment ahne ich, wie es sein könnte. Nur Gott* und ich. Zwei Atemzüge oder drei oder vier oder... ohne Vergleichen. Ohne denken, dass ich besser bin, dass ich schlechter bin, dass ich es nicht wert bin. Einen Moment sehe ich mich so stehen in Gott*es Licht. Und mir fehlt nichts mehr. Für mich bin ich immer noch nicht genug. Aber für Gott* bin ich es. Beloved Child. Gerechtfertigt.
Wochenaufgabe also für mich und für dich, wenn du auch #TeamPharisäer*in bist:
Eine Woche ohne Vergleiche.
Eine Woche mit Gott* die leeren Hände hinhalten. Jeden Tag einmal.
Jetzt schon in ihrem Licht sein.