Spirituelles Testament

Spirituelles Testament
Best of 2019 im Spiritus Blog
© iStock/Carther/evangelisch.de
Ich mag darüber nachdenken, was passiert, wenn es mit mir zu Ende geht. Ich lebe gern. Der Tod ist noch nicht im Raum, aber im Auge. Er stand schon ein paarmal in der Tür. Früher wild und rüttelnd, seit ein paar Jahren eher wie einer, der nur mal kurz Maß nehmen will für den anderen Anzug.

Warum mir das 2019 wichtig war - Frank Muchlinsky, Redaktionspastor bei evangelisch.de: Im April dieses Jahres ging ein neues Blog bei evangelisch.de online. Immer montagmorgens gibt es seitdem einen geistvollen kleinen Impuls für die Woche. "Spiritus" haben wir ihn getauft, weil das Geist heißt, und weil es leicht flüchtig und entzündlich ist. Reinigen kann man damit, und es juckt in der Nase. Ich bin sehr froh, vier so unterschiedliche Autor*innen dafür gewonnen zu haben: Da ist Thomas Hirsch-Hüffell, den irgendwie weisen, irgendwie alten Pastoren mit Blick für das Außergewöhnliche. Dazu gesellt sich Stefanie Radtke, die junge Dorfpastorin mit Energie für zwei und Ideen für drei. Dann Beatrice von Weizsäcker, die sich auf große Worte, Lieder, Fragen und Gesten versteht – so sehr, dass es mir scheint, als würde sie manchmal lieber bei katholisch.de schreiben. Und Birgit Mattausch, die glitzernde Wortkünstlerin, die sich nicht scheut, in Imperativen zu schreiben und Aufgaben für die Woche zu verteilen. Aus der Fülle der schönen Texte dieses Quartetts einen auszusuchen, war nicht einfach. Ich habe nun den ersten von Thomas Hirsch-Hüffell genommen, weil mich der extrem berührt. #Immerwiederlesen

Seitdem entwerfe ich eine Art inneres letztes Hemd für meinen Abgang. Das übt Leben und Sterben zugleich. Wenn ich übers Weggehen denke, werde ich jetzt warm und wach. Der violette Horizont ist immer wieder ein leiser Schrecken. Manchmal auch selbstverständlich wie eine Zielangabe für die Heimreise - langem Aufenthalt auf der Erde.

Ich ärgere mich nicht mehr über Verspätungen. Alles ist Lebenszeit, und wenn nicht geschieht, was ich will, geschieht vielleicht Besseres.

Also fangen wir an mit konkreten Ideen für den Abgang.

Ein oder zwei heilige Symbole sollten im Raum sein, wenn ich z.B. im Koma oder im Sterben liege, z.B. ein Kreuz. Ohne Korpus. Und die Ikone der Dreifaltigkeit von Rubljew.
Ich wünsche mir, dass meine Frau, meine Kinder und auch die Enkel mein Sterben mitbekommen. Weil ich es bin und weil man etwas über das Leben lernt, wenn jemand geht. Das gehört zur Herzensbildung wie das Danke sagen.

Ich mag Bach hören, die Goldberg-Variationen z.B. oder etwas ähnlich Schlichtes, das ähnliches Format hat.
Vielleicht mag auch jemand (mit) mir singen.

Sollten meine Kinder, Verwandten oder Freunde Trosttexte (vielleicht auch von mir) kennen und mögen, dann könnten sie mir einige vorlesen. Ich habe viel für andere geschrieben, aber mir zu wenig angehört, wer mich schätzt. Deshalb könnten mir Menschen auch sagen, was sie an mir mochten. In Maßen.

Beten wäre auch fein - es reicht das Vaterunser.

Ich erbitte bei Bedarf schmerzstillende Medizin, weil ich schon zu viele Schmerzen ertragen habe, ohne das ändern zu können. Vielleicht gibt es auch irgendeine Droge, die gute Laune macht. Die möchte ich dann.

Wenn Ihr mögt, bahrt mich nach meinem Tod gern drei Tage lang auf. Ich habe erlebt, dass das den Lebenden guttun kann. Mir vielleicht auch.

Wer mich wo und wie bestatten soll, mag ich nicht bestimmen.
Das ist Sache der Angehörigen, sie sollen ja mit irgendeiner Denk-Stätte leben. Das betrifft auch die Art mit meinem Körper umzugehen: Ihr seid darin frei. Manchmal denke ich: So oft wie ich gefroren habe im Leben, wäre eine finale Hitze nicht verkehrt. Aber es ist Eure Sache.

Wenn ich mir was wünschten dürfte:
Ein Gottesdienst wäre fein. Eine Trommel soll den Weg zur Bestattung begleiten.
Lasst es bei der Feier und danach bisschen krachen. Singt einmal laut "Christ ist erstanden" aus dem Gesangbuch. Esst. Trinkt. Feiert, dass ihr lebt. Wenn ihr was damit anfangen könnt feiert Abendmahl.

Schont mich nicht. Ich bin einigen etwas schuldig geblieben.

Lacht über (meine) Skurrilitäten und über Eure Liebe, erinnert Euch, beschreibt die Linien und schaut aus dem Fenster.

Freut euch, dass ihr weiter da seid und macht was aus der Zeit rund um meinen Tod. Für euch.
Vielleicht mögt Ihr eine Weile zusammenwohnen, essen, reden, da sein – nicht allein bleiben?

Wenn es anders kommt ist es auch ok. Die Lebenden haben das Hausrecht.

Aber jetzt wird erstmal gelebt. Gott liebt Leute die gern leben, das weiß ich.
Amen!

Dieser Beitrag wurde bereits am 13. Mai 2019 veröffentlicht.