Pansexualität: aufgeschlossen und aktivistisch

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Pride-Flagge der pansexuellen Menschen: pink, gelb, blau.
Vielfalt sexueller Orientierungen
Pansexualität: aufgeschlossen und aktivistisch
Was ist eigentlich pansexuell? (Wie) unterscheidet sich diese Orientierung von bisexuell und anderen?

Letzte Woche outete sich ein Anfang Vierzigjähriger Mann, den ich bei einem Gemeindefest traf, mir gegenüber im Gespräch als pan. Er war verwundert, dass ich sofort wusste, was das bedeutet. Ich wiederum habe mich sehr darüber gefreut, dass er sich (mir gegenüber) so bezeichnet hat. Denn der Begriff pansexuell ist weitaus unbekannter als etwa homo-, bi- und heterosexuell und wird oft vor allem in „der Szene“ und meist eher von Jüngeren verwendet.

In den letzten Jahren ist die pansexuelle Identifizierung jedoch immer häufiger in den Fokus gerückt. Der Begriff Pan kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „alles“, „ganz“, „allumfassend“. Pansexuelle Menschen können selbst allen denkbaren Gendern zugehörig sein und fühlen sich grundsätzlich d.h. potenziell von allen Gendern angezogen. Damit sind sie offen für Beziehungen und intime Begegnungen mit Menschen, die sich als trans-, intergeschlechtlich, nichtbinär, genderqueer, agender oder anders identifizieren – neben Männern und Frauen – und erkennen an, dass Geschlecht und sexuelle Identität ein Kontinuum sind und nicht in binäre Kategorien eingeordnet werden können.

Pansexuelle Menschen leben potenziell alle Beziehungsformen, denn sexuelle Orientierung und Beziehungsstil sind zwei verschiedene Dinge. Pansexuelle können genauso monogam leben wie Menschen jeder anderen sexuellen Orientierung auch. Pansexualität schließt grundsätzlich also weder exklusive noch polyamore oder offene Beziehungen aus.

Pansexualität und das Bekenntnis zu ihr birgt in sich ein starkes aktivistisches Potenzial. Gerade weil sie nicht so bekannt ist wie andere Orientierungen, kommen Menschen dabei über Gendervielfalt und Begehren ins Gespräch. Jedoch kann es ermüdend sein, ständig Fragen über die eigene Identität beantworten zu müssen, so dass sich viele pansexuelle Menschen lieber als bi bezeichnen.

So erklärt eine Betroffene im jungen „Zeit“-Format „Jetzt“: „Schon jetzt wird mir meine Bisexualität von Bekannten als Phase oder Großstadttrend ausgelegt. Ganz ehrlich: Diesen Menschen zu erklären, dass ich pansexuell bin, darauf habe ich einfach keine Lust. Ich führe im Alltag schon genug feministische Aufklärungsgespräche.“

Sich als bi zu labeln kann auch eine politische Entscheidung sein. Schließlich ist auch Bisexualität einer Doppeldiskriminierung in der Queer-Community einerseits und dem heteronormativen Mainstream andererseits ausgesetzt. So wird Bisexualität nach wie vor als Phase, als Vorwand nicht „ganz homosexuell“ zu leben, als pornografische Fantasie (von cis Männern gegenüber bi Frauen) u.a. degradiert und falsch verstanden. Bisexuellen Menschen wird nach wie vor etwa Unstetigkeit, Untreue und Instabilität vorgeworfen. Für manche ist es daher gerade wichtig, diese Bezeichnung an positive Role-Models zu knüpfen und sich selbst so zu identifizieren.

Innerhalb der Community gibt es außerdem verschiedene Interpretationen von Bisexualität. Neben der Vorstellung, bei Bisexualität beziehe sich das Begehren nur auf Männer und Frauen gibt es auch die Möglichkeit, das Zweierlei in a) alle Menschen meines eigenen Genders und b) alle anderen aufzuteilen. Eine weitere schöne Definition findet sich auf der Webseite der in Massachusetts/USA lebenden Bi-Aktivistin Robyn Ochs: „I call myself bisexual because I acknowledge that I have in myself the potential to be attracted – romantically and/or sexually – to people of more than one gender, not necessarily at the same time, not necessarily in the same way, and not necessarily to the same degree.“

Auch der Mann, den ich beim Gemeindefest traf, erzählt von herabwürdigenden Reaktionen auf ein Outing als pan, weshalb er manchmal lieber andere Labels wie bi oder queer für sich verwendet. Pansexuelle Menschen sehen sich mitunter nach wie vor stark mit Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert. Denn wer potenziell auch Menschen jenseits der Geschlechter männlich und weiblich begehrt, und sich dazu noch als offen für ALLE Gender outet, wird oft nicht ernstgenommen oder der Beliebigkeit angeklagt.

Andersherum gesehen geht diese Offenheit allen Geschlechtern gegenüber oft mit einer allgemeinen größtmöglichen Akzeptanz gegenüber Menschen und Lebensweisen einher. Pan Menschen schätzen und anerkennen die Komplexität und Vielfalt von Geschlecht und sexueller Identität. Letztlich geht es um einen maximal inklusiven Liebesstil. Pansexuelle bringen die Gabe mit, Menschen nicht wegen ihres Geschlechts in „für mich begehrenswert“ und „für mich nicht begehrenswert“ zu unterteilen und pflegen dadurch vielleicht einen insgesamt egalitäreren Umgang mit Menschen, denen sie begegnen. Pansexuelle Liebe jedenfalls, so könnte man es beschreiben, kommt der christlichen Vorstellung des Gottes, der ALLE Menschen liebt und annimmt und dessen Ebenbild wir sind, sehr nahe.

Pansexualität ist eine eigenständige sexuelle Orientierung – genau wie bi-, hetero- und homosexuell etwa. Pansexuelle Beziehungen können grundsätzlich viele Ebenen beinhalten: sexuell, romantisch, spirituell … In diesem Zusammenhang ließ mich ein Beitrag in einem Internet-Forum schmunzeln, der die Frage aufwarf, ob Nonnen, die sich mit Gott (spirituell) verheiraten, dann nicht pan seien, da Gott ja weder Mann noch Frau oder eben alle Gender oder eben keines ist. Könnte man wohl bestätigen. Wobei ich das den Nonnen und allen anderen auch lieber selbst überlasse, welches Label sie für ihre sexuelle Orientierung, ihre Identifizierung oder Beziehungen verwenden. Wie gut also, dass wir so viele verschiedene haben!

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Der internationale Tag der Pan Visibility ist am 24. Mai.