Ende Juni besuchten eine Gruppe Studierender, meine Kollegin Christine Schardt von der katholischen Hochschulgemeinde Mainz und ich von der Evangelischen Studierendengemeinde Mainz das Bibelhaus in Frankfurt. Unser Ziel war die Sonderausstellung zu "G*tt w/m/d/. Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“.
Es war spannend, sich die verschiedenen Figuren, Tonscherben und Abbildungen anzuschauen und darüber mit dem Museumsdirektor Veit Dinkelacker ins Gespräch zu kommen. Für die Studierenden war mit Hilfe der Ausstellungsexponate deutlich zu sehen, dass G*ttes-Darstellungen, Figurinen und Abbildungen bereits Jahrhunderte vor Christus nicht nur männlich, sondern auch weiblich, geschlechtsunbestimmt oder vielfältig waren.
Das Bild vom weißen älteren Mann mit Rauschebart, das spätestens seit Michelangelos ´Deckenfresko über "Die Erschaffung Adams" (zwischen 1508 - 1512) in der Sixtinischen Kapelle in Rom prägend war, ist also keinesfalls so selbstverständlich, wie es gemeinhin dargestellt wird.
Nach der Ausstellung diskutierten die Teilnehmenden noch länger über G*ttes-Vorstellungen und wie über G*tt denn nun geredet werden könnte.
Ich entwickelte meinen Beitrag dazu anhand eines Bibelwortes aus dem 2. Buch Mose 33, 19:
„Gott gab zur Antwort: Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen Gottes vor dir ausrufen. Ich gewähre Gnade, wem ich will und ich schenke Erbarmen, wem ich will.“ (2. Mose 33,19)
Meine Gedanken dazu:
Mose wollte G*ttes Antlitz sehen. Zur Versicherung, zur Stärkung. So einiges hatte er schon mit den Israelit*innen und mit G*tt erlebt, seit sie aus der Sklaverei in Ägypten geflohen waren. Sie waren den Soldaten des Pharao entkommen, sie konnten durchs Schilfmeer fliehen und wanderten nun schon eine ganze Weile durch die Wüste. Hitze am Tag und Kälte in der Nacht, Hunger und Durst hatten sie fast wünschen lassen, wieder in der Gefangenschaft in Ägypten zu sein. So erschöpft und völlig entkräftet waren sie gewesen.
Und nun waren sie endlich am Berg Sinai angekommen. Endlich konnten sie eine längere Pause machen. Mose nutzte sie, um auf den Berg Sinai zu steigen und mit G*tt zu sprechen. Er bekam von G*tt zwei Gesetzestafeln. Die zehn Gebote standen darauf.
Als Mose vom Berg Sinai zurück kam, tanzten seine Leute um ein aus Schmuck gegossenes Goldenes Kalb. Das war zu viel für ihn. Er wurde wütend, zerschmetterte die Gesetzestafeln und schrie die Leute an, dass sie sofort aufhören sollten. Er befahl seinen Leuten, das Götzenbild vom Goldenen Kalb umgehend wieder einzuschmelzen.
Danach brach Mose erneut auf zum Berg Sinai. Er wollte sich mit G*tt besprechen. Aber nun brauchte Mose handfeste und sichtbare Vergewisserung. Nach den Geschehnissen mit seinen Leuten war er aufgebracht und verunsichert. Er wollte G*tt von Angesicht zu Angesicht sehen.
G*tt versprach daraufhin, in seiner ganzen Schönheit an ihm vorbeizuziehen. Im Hebräischen heißt Schönheit eigentlich Glanz. Das Wort ist hergeleitet von dem Wort „kabod“ (schwer sein). Dies gitl im doppelten Sinn des Wortes: Schwer an Gewicht und schwer an Würde. So schwer, dass kein Mensch diesen Glanz tragen oder aushalten kann (2. Mose 33, 20-23).
Auch Mose konnte das nicht. G*tt hielt ihm daher die Hand vor Augen. Mose konnte G*ttes Angesicht nicht sehen, als G*tt an ihm vorüberging. G*ttes Glanz spürte Mose trotzdem.
Was diese Geschichte zeigt: G*ttes Glanz ist nicht abbildbar. Deshalb gilt auch das biblische Bilderverbot. Übertragen heißt das: G*tt ist anders, nicht definierbar und auch nicht kategorisierbar. G*tt passt in keine menschlichen Schubladen. Niemand besitzt G*tt, niemand kann G*tt fassen. G*tt bleibt immer ganz anders. Eine Kraft, die unverfügbar ist für menschliche Ideologie und menschliche Pläne. Eine Vollmacht, die Gnade und Erbarmen gewährt. G*ttes Glanz lässt sich weder in ein Goldenes Kalb pressen noch in irgendein anderes Abbild oder einen anderen materiellen Wert. G*tt übersteigt menschliche Grenzen.
Gleichzeitig ist G*tt ansprechbar. Zwiesprache ist möglich! Sso wie G*tt mit mit Mose gesprochen hat. Was G*tt sagte, als G*tt sich Dem Mose das erste Mal im Dornbusch offenbarte:
„Ich bin der, der ich sein werde!“
Nicht mehr nicht weniger. Und G*tt wurde zur befreienden Kraft aus der Unterdrückung in Ägypten. G*tt wurde für das Volk Israles zur sichtbaren Wolke am Tag und zur Feuersäule in der Nacht. So gab er den Geflüchteten Orientierung in der Wüste. G*tt blieb da. Sichtbar, spürbar. Und doch ganz anders als gedacht.
Der Ausflug in Frankfurt hat bei allen Teilnehmenden deutlich gemacht:
1. Die Sonderausstellung lohnt sich und sei hiermit empfohlen!
2. G*tt lässt sich nicht in menschliche Schubladen pressen. Und das ist gut so!
Zum Weiterlesen:
Katalog zur Ausstellung „G*TT m/w/d. Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“, Frankfurt 2021