Mut tut gut

Mut tut gut
Die Glaubenskongregation in Rom hat der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eine Absage erteilt. Doch die Zeiten, in denen Homosexuelle eiskalt abserviert werden konnten, sind vorbei – wie der hitzige Protest von katholischen Theolog:innen und Gemeinden im deutschsprachigen Raum zeigt.

Es macht durchaus einen Unterschied, ob man ein Gespräch mit offenen oder geschlossenen Fragen führt. Offene Fragen, wie etwa "Was interessiert dich an der Religion?", ermöglichen es dem Gegenüber, ausführlicher seine Ansichten und/oder seine Gefühle darzulegen. Geschlossene Fragen, wie etwa "Findest du Religion gut?", sollen in der Regel mit Ja oder Nein beantwortet werden: knapp und scheinbar präzise. Nun wurde der Glaubenskongregation, einer Behörde des kirchlichen Mitbewerbers, eine geschlossene Frage (ein Dubium, ein Zweifelsfall) gestellt und sie wurde kurz und bündig beantwortet. "Hat die Kirche die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen?" Geschlossene Frage, klare Antwort: "Nein."

Die Glaubenskongregation ahnte wohl, dass ein Teil der Menschheit sich mit solcher Kürze schwertun und die vermeintliche "Wahrheit des liturgischen Ritus" nur bedingt selbsterklärend sein könnte, und fügte dem Responsum eine Erklärung hinzu. Wodurch die Sache nicht besser wurde, wie der Aufschrei zeigt, der dadurch in der deutschen katholischen Kirche verursacht wurde. Es ist halt so – und wer wüsste das besser als die christlichen Kirchen -, der Teufel steckt im Detail.

Segnungen, heißt es, hätten den Plänen Gottes zu dienen. "Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist) einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist." Und für alle Fälle erklärt man auch gleich, dass das Nein "weder eine ungerechte Diskriminierung" sei noch "die Absicht, eine solche zu sein" enthalte. "Die christliche Gemeinschaft und die geistlichen Hirten sind aufgerufen, Menschen mit homosexuellen Neigungen mit Respekt und Takt aufzunehmen."

Nun gibt es in der Katholischen Kirche schon länger Streit über dringend anstehende Reformen. Als Reaktion auf die Fälle sexuellen Missbrauchs / sexualisierter Gewalt beschlossen die deutschen Bischöfe 2019 einen "Synodalen Weg", der Themen wie Machtmissbrauch, Sexualmoral, Zölibat und die Rolle der Frau angehen soll. In diesem Kontext muss wohl auch die Verlautbarung der Glaubenskongregation in Rom und die heftige Reaktion deutscher Katholiken gesehen werden.

Dass sich queere Organisationen gegen die Stellungnahme aus dem Vatikan wehren würden, war zu erwarten. Das Katholische LSBT+Komitee, ein kirchenpolitisches Arbeitsbündnis von queeren Kirchenmitgliedern aus verschiedenen christlichen LSBT+Gruppen, kritisierte in einer Pressemitteilung, dass gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen in den Kontext von Sünde gerückt würden. "Vor diesem Hintergrund kann das übliche vorangestellte amtskirchliche Geplänkel von Respekt und Takt bestenfalls als heuchlerisch gelten. Die Glaubenskongregation verspielt damit die vermutlich letzte Chance weltweit menschenfreundlich und ethisch anschlussfähig zu bleiben." Die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) forderte gar den eidgenössischen Bundesrat dazu auf, als Reaktion auf die diskriminierende Politik die Schweizergarde aus dem Vatikan abzuziehen.

Doch beim Protest der 'üblichen Verdächtigen' blieb es nicht. In einer von über 200 katholischen Theologieprofessor:innen unterstützten Stellungnahme - die "SZ" spricht von "praktisch allen Koryphäen des Faches" - wurde der Glaubenskongregation entschieden widersprochen. Der Text sei "von einem paternalistischen Gestus der Überlegenheit geprägt" und diskriminiere homosexuelle Menschen und ihre Lebensentwürfe. Und: "Von dieser Position distanzieren wir uns entschieden. Wir gehen demgegenüber davon aus, dass das Leben und Lieben gleichgeschlechtlicher Paare vor Gott nicht weniger wert sind als das Leben und Lieben eines jeden anderen Paares." Der Erklärung der Glaubenskongregation mangele es "an theologischer Tiefe, an hermeneutischem Verständnis sowie an argumentativer Stringenz".

Der Theologe Matthias Sellmann wies auf katholisch.de auf die grundlegende Dimension hin: "Wissen die Akteure in Rom und wissen die sofort aufspringenden Claqueure eigentlich, was sie da anrichten? Wissen sie, dass sie den Segen Gottes zu ihrem Selbsterhalt instrumentalisieren?" Weiter schreibt Sellmann, die Liebe zur Weltkirche werde sich auch "an der unmissverständlichen Solidarität zu homosexuell lebenden Menschen" beweisen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ließ wissen, dass er "nicht glücklich" über die Stellungnahme aus dem Vatikan sei. Das Bistum Limburg postete bei Facebook mit dem Hashtag "LoveIsNoSin" und eine Pfarrer-Initiative rief in Österreich zum Ungehorsam auf: "Wir werden – in Verbundenheit mit so vielen – auch in Zukunft kein liebendes Paar zurückweisen, das darum bittet, den Segen Gottes, den sie alltäglich erleben, auch gottesdienstlich zu feiern."

Selbst der Essener Bischof Overbeck, einst Hardliner, der der lesbischen Talkshow-Moderatorin Anne Will ins Gesicht gesagt hatte, dass Homosexualität eine Sünde und wider der Natur von Mann und Frau sei, forderte eine kirchliche Neubewertung von Homosexualität und eine "ernsthafte und zutiefst wertschätzende" Hinwendung der Kirche zu Schwulen und Lesben.

Fast überflüssig ist zu erwähnen, dass es "natürlich" auch Befürworter der ablehnenden Haltung der Glaubenskongregation gibt. So fand der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki neben vielen anderen derzeitigen Aufgaben Zeit, dem "General-Anzeiger" im Interview zu sagen, dass er im Segnungsverbot „eine Stärkung des katholischen Ehe- und Familienverständnisses“ sehe. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der - zitiert nach einem Artikel der "SZ" - befürchtet, ein Segen für homosexuelle Paare verunklare, dass die Ehe ein "Plan Gottes" und "auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet" sei. Regenbogenfahnen, die einige Kirchengemeinden aus Solidarität an ihrer Kirche angebracht hatten, wurden laut queer.de "gestohlen und teilweise verbrannt".

Gott sei Dank haben die Evangelische Kirche bzw. ihre Landeskirchen mehrheitlich eine andere Haltung gefunden haben – aber selbst hier muss angemerkt werden, dass etwa 335 Pfarrer in Württemberg im Mai 2019 schriftlich ihre Weigerung erklärten, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Allerdings ist der Rückhalt in der Evangelischen Kirche mittlerweile so groß, dass sich ganz Mutige schon der Katholischen Kirche als Retter anbieten: So will Pfarrer Jörg Nielsen eine Ausnahme im evangelischen Kirchenrecht erwirken, damit quasi auf dem kurzen Amtsweg evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer im Beisein eines katholischen Amtskollegen Paare segnen dürfen.

Irgendwie ändern sich die Zeiten (auch) in der Katholischen Kirche. Und das ist gut so. Weniger gut ist, dass die Debatte wieder auf einem Niveau beginnt, von dem man dachte, dass es der Vergangenheit angehört. Schade, dass sich im Vatikan anscheinend noch immer eine herablassende Rhetorik hält, die Schwulen und Lesben lächelnd mit einem "Gott mag euch, ABER …" abfertigt und sich de facto keinen Millimeter bewegt. Dabei geht es ja noch nicht mal um Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe, es geht nicht um Trauung - es geht "nur" um einen Segen. Doch selbst da will man nicht in einen Dialog mit offenen Fragen eintreten, in dem man dem Gegenüber auf Augenhöhe begegnet. Insofern ist der lautstarke Protest von großen Teilen der Führung und Basis der Katholischen Kirche in Deutschland richtig und wichtig, er ist wohltuend und ermutigend und macht Lust auf den nächsten gemeinsamen ökumenischen Gottesdienst ... etwa zum nächsten CSD, der wahrscheinlich, so realistisch darf man sein, dann doch schneller kommen wird als die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren in der Katholischen Kirche.