International, bunt und lebendig – trotz Covid-19

International, bunt und lebendig – trotz Covid-19
privat
Eigentlich hätten sich etwa 120 Teilnehmende des Europäischen Forums christlicher LSBT*-Gruppen im Mai in Budapest treffen sollen. Wegen der Covid-19 Pandemie wurde die europäische Konferenz abgesagt. Nun ist sie im Oktober ins Internet verlegt worden. Thema der Konferenz: „Komm heraus aus der Dunkelheit ans Licht!“ (nach 1. Petrus 2, 9).

Bis zum 11. Oktober werden über 80 Teilnehmende aus über 20 Ländern online zusammenkommen und das nachholen, was im Mai 2020 wegen der Covid-19-Pandemie nicht möglich war: Sich zuhören, sich austauschen, miteinander lachen und feiern - trotz oder gerade weil die letzten Monate so schmerzhaft und anstrengend für die meisten waren. Es geht auch darum, sich gegenseitig zu stärken in einer Zeit, die gerade für LSBTIQ* Personen schwierig ist, da viele in den letzten Monaten gezwungen waren, aus Geld- und Wohnungsmangel wieder bei den Eltern zu wohnen oder sich andere Räume zu teilen, die für sie weder sicher noch unterstützend waren.   

Am Freitag, den 3. Oktober ging es los. Verschiedene Vorkonferenzen des Europäischen Forums gingen an den Start. In der Frauenvorkonferenz diskutierten über 20 Frauen aus acht Ländern darüber, was Liebe für sie bedeutete. Es ging um heteronormative Konzepte und ihre Überwindung, um Ambivalenzen und Enttäuschungen, Herausforderungen und beglückende Erfahrungen, gerade in der Corona-Zeit. 

Mit Hilfe von vier Impulsen und Zeit in Kleingruppen konnte das Thema persönlich, gesellschaftlich und theologisch intensiv bearbeitet werden. Abends gab es genügend Zeit, bei einem Glas Wein, Sekt oder Selters persönliche Erlebnisse und Erfahrungen während der letzten Monate auszutauschen und von Beispielen der Solidarität und Unterstützung zu erzählen. 

Noch vor einem halben Jahr wäre es wohl undenkbar gewesen, sich über all diese Themen online zu verständigen. Nun sind alle dankbar, dass es digital möglich ist, im Kontakt zu bleiben und zumindest einen Teil der Vorbereitungsarbeit der ungarischen Vorbereitungsgruppe in die Videokonferenz zu übertragen und entsprechend angepasst neu zu gestalten. Das ist gut gelungen.

Ein persönliches Highlight war für mich bisher der ökumenische Sonntagsgottesdienst, den wir gemeinsam am 4. Oktober morgens online gefeiert haben. Mit Gitarrenmusik und Sologesang, den die Frauen bei ausgeschalteten Mikrofon nach Herzenslust begleiteten, wurde über das Tagungsthema: „Komm heraus aus der Dunkelheit ans Licht!“ (nach 1. Petrus 2, 9) nachgedacht. 
Kurze Impulse, Gedichte und Gebete im Wechsel mit Musik gaben ausreichend Raum, den Bibelvers genauer zu betrachten. Auch ich beteiligte mich mit einem Text. Hier mein Beitrag auf deutsch: 

„Zu lange hatte ich ein verstecktes Leben gelebt.

Zu lange hatte ich Angst, dass jemand herausfinden würde, dass ich lesbisch, queer und Christin bin.

Zu lange war ich fast versteinert wie ein Stein, unfähig etwas zu tun.

Der normative Mainstream hatte Macht über mich.  

Ich versuchte mich zu verstecken, aber ich verlor mich selbst dabei.

Und ich begriff: Im Christentum ging es doch nicht um Lügen, Verstecken und Doppelleben. Da musste noch was anderes sein!

Ich war dankbar über Jesajas Zuspruch (Jesaja 18,16):

'Darum spricht Gott: Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, der fest gegründet ist. Wer glaubt, der flieht nicht.‘

Es tat gut zu hören, dass auch ein Stein wichtig, bewährt und kostbar ist.

Denn ich fühlte mich lange wie ein Stein.

Ein Stein kann ein Zeuge von Erfahrungen, Gefühlen und Kämpfen sein.

Wenn Steine reden könnten, könnten sie einige Geschichten erzählen…

Auch ein Stein – wie ich selbst – konnte zum Eckstein werden, ein lebendiger Stein wie Jesus.

Von Menschen zurückgewiesen, aber von Gott auserwählt.

Und ich lernte: Wenn ich von Menschen zurückgewiesen werde, werde ich von Gott immer noch respektiert.

Was für eine Erleichterung! Was für eine Freude! Was für eine Ermutigung!

Ich darf ich selbst sein, lesbisch, queer und christlich. Und es ist kein Gegensatz.

Ich liebe eine Frau, und führe ein unabhängiges Leben als gläubige Christin, Theologin und feministische Aktivistin. Und ich bin trotz allem ein Kind Gottes, von Gott respektiert und auserwählt.

Ich bin ein lebendiger Stein. Ein Eckstein. Ich kann Gottes Botschaft der Liebe und des Respekts bezeugen.
Ihr seid lebendige Steine. Und ihr könnt es auch.

Wir sind lebendige Steine. Und wir können es auch.

Komm heraus aus der Dunkelheit ans Licht (1. Petrus 2,9) und lebe dein Leben!

Komm heraus aus der Dunkelheit und respektiere dich selbst, wie du auch andere respektieren sollst.

Denn wir sind alle Kinder Gottes.“

Die Hauptkonferenz des Europäischen Forums beginnt am Freitag, den 9. Oktober. 
Der Schlussgottesdienst findet am 11. Oktober 2020 um 10 Uhr online statt.

Nähere Informationen dazu auf der Webseite des Europäischen Forums