Der Reiz der Leerstelle

Der Reiz der Leerstelle
Buchcover / Claudius Verlag
In "Schwarzes Feuer - Weißes Feuer" zeigt Andreas Ebert, was das Apostolische Glaubensbekenntnis ihm bedeutet - Satz für Satz und mit dem Mut, den Raum zwischen den Zeilen zu füllen.

"Credo! Worauf ich stehe" lautete der Titel eines Projekts des Spirituellen Zentrums München, dessen Leiter Andreas Ebert bis vor Kurzem war. Es verstand sich als "Einladung an alle Interessierte, anhand alter Glaubensaussagen oder unabhängig davon eigene Bekenntnisse zu formulieren". So wurden zahlreiche persönliche Texte gesammelt, die im April 2017 auch in einer Ausstellung zu sehen waren.

Nun legt Andreas Ebert sein eigenes Credo, sein persönliches Glaubensbekenntnis vor. Im Zentrum steht dabei für ihn das Apostolische Glaubensbekenntnis. Einerseits wolle er dessen Sprache und Inhalt verständlicher machen, zugleich Teile daraus auch hinterfragen. In der Einleitung zum Buch heißt es: "Das Glaubensbekenntnis ist angesichts vieler neuer Herausforderungen beides: Orientierung und zugleich auslegungs-, korrektur- und ergänzungsbedürftig." Leitbild ist ihm dabei die Metapher "Schwarzes Feuer auf weißem Feuer" der jüdischen Tradition. Zwischen den Buchstaben der Heiligen Schrift (jeder Schrift) gibt es Leerräume, in denen das Weiß des Papiers aufscheint. Diese Zwischenräume stehen für das Ungesagte, das Unbewusste, das, wie der reine Text verstanden werden will. Beide Zugänge - der über den geschriebenen Text wie der über das Nicht-Geschriebene - bedingen einander. Ziel Eberts ist es, „die alte Glut“, die selbst in über die Jahrhunderte erstarrten Formeln, unverständlichen Bildern noch schwelt, wieder „zum Lodern“ zu bringen.

Erläuterungen zu Worten und Formulierungen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses wechseln mit biografischen Einschüben, wer und was Andreas Ebert spirituell inspiriert hat. Allen voran wäre da wohl der US-amerikanische Franziskanerpater Richard Rohr zu nennen, den Ebert als „Mentor“ bezeichnet und mit dem er 1989 „Das Enneagramm“ veröffentlicht.

In den biografischen Passagen thematisiert Andreas Ebert auch seine Homosexualität. Schon früh entdeckt der 1952 in Berlin geborene Ebert, dass er Männer begehrt. Eingestehen kann er sich das lange nicht. „Ich traute mich nicht, meine homoerotischen Neigungen zu bejahen. Ich war mir unsicher, ob diese Art der Liebe und mein Glaube zusammenpassen.“ Erst mit fast 40 wagt er „schrittweise“ das Coming-out und erlebt „fast nichts von jener Ablehnung, die ich immer gefürchtet hatte“. Und so kann er schließlich folgendes Fazit ziehen: „Die komplizierte Auseinandersetzung mit meiner Sexualität hat meine Spiritualität vertieft, mich sensibler gemacht für Minderheiten, für Menschen am Rande, die den ‚Normen‘ nicht entsprechen. Ich bin ja selber einer.“

Die anfangs so stark gemachte Verbindung von Liebe, Sexualität und Glauben spielt jedoch im Fortgang des Buches immer weniger eine Rolle, Mitunter ist man sogar irritiert, etwa an Stellen, an denen von Jesus als Heiler die Rede ist. Da blendet Andreas Ebert das derzeit leider immer noch virulente Thema der sogenannten „Homo-Heilung“ völlig aus. Seiner emphatischen Darstellung des Heilungsauftrags der Kirchen hätte die Nennung unheilvoller Verwendungen des Begriffs Heilung - nicht nur, aber auch in Verbindung mit Homosexualität - gutgetan.

Wie schnell die sexuelle Orientierung zur medialen Anklage verwendet werden kann, erfährt Andreas Ebert 2004 bei der Eröffnung des Spirituellen Zentrums St. Martin in München. Ein Nachrichtenmagazin lässt es sich nicht nehmen, seine Homosexualität mit dem „Skandal“, dass beim Gottesdienst eine Sure aus dem Koran rezitiert wurde, zu vermischen. „Islam und Homosexualität waren schon damals die beiden Lieblingsfeinde bestimmter Kreise. St. Martin erschien ihnen als eine Brutstätte der Ketzerei und Perversion.“

Andreas Ebert weiß viel zu erzählen und die eloquente Schreibweise macht es angenehm, seiner Biografie wie den Auseinandersetzungen mit dem Glaubensbekenntnis zu folgen. Das Kapitel über die „Trinität“ wirkt dann, nach dem Durchgang durch das Credo, allerdings etwas unvermittelt und auch bei der wichtigen Schlussfrage „Wie weiter?“ über eine Kirche der Zukunft hätte man getrost auf die Abschweifungen in Sachen Stufenlehre und Gott 9.0. verzichten können. Mit dieser Art des beflissenen Nachhilfeunterrichts verpufft leider ein wenig just jenes Feuer, das Andreas Ebert in Sachen Credo zu entfachen wusste. Weit mehr ist es da die Verzahnung von Textkritik und persönlichem Lebensweg, die sein Ringen und Werben für den christlichen Glauben, für Spiritualität und Mystik überzeugend und anregend zu lesen macht.

Buchinfo: Andreas Ebert - Schwarzes Feuer - Weißes Feuer. Mein Glaubensbekenntnis. Claudius Verlag 2018, 304 Seiten, 18 ?Euro.