"Sieben Wochen ohne Sofort!" heißt das Motto der Fastenaktion der evangelischen Kirche in diesem Jahr. Man versteht zwar einerseits sofort, worauf es die Macherinnen und Macher abgesehen haben: Entschleunigung und so, mal Pause machen, Have a break, have a ..., Innehalten, bevor man eine Entscheidung trifft. Andererseits fragt man sich, ob man im selben Land lebt wie die Organisierenden. Denn wenn es um, sagen wir, die "Verwaltungsebene" geht, muss man ein "Sofort" nicht befürchten. Sei es der Bescheid eines Amtes, der Krankenkasse etc., besonders wenn man ihn dringend braucht, geht nie was mit Sofort. Und schon gar nicht bei Gesetzen ...
Noch immer wartet das Gros der Schwulen und Lesben darauf, dass endlich die Fast-Ehe-Partnerschaft der Ehe gleichgestellt wird. Die Zeit, die es gebraucht hat, um überhaupt zur Eingetragenen Partnerschaft zu kommen, schenken wir uns hier mal. Seit deren Einführung 2001 hat sich viel getan und verbessert, aber der letzte Schritt, die gesetzliche Gleichstellung, kommt und kommt nicht. Daran ändert nichts, dass seit Jahren eine Mehrheit der Deutschen eine Gleichstellung befürwortet: 83% laut Umfrage der Antidiskriminierungsstelle. Auch nicht der Blick in andere Länder, die die Ehe für Homosexuelle geöffnet haben und die allesamt - Welch Wunder! - nicht im Chaos versunken sind. Und schon gar nichts nutzen anscheinend alle Erklärungsversuche, dass niemandem etwas weggenommen wird. Außer natürlich das Gefühl einer gewissen Privilegiertheit. Und während in den evangelischen Landeskirchen ein Umdenken begonnen hat, kam aus der katholischen Kirche unlängst wieder ein klares "Nein" zur Ehe-Öffnung. Bischof Heiner Koch ließ wissen, man teile "verfassungsrechtliche Bedenken", die sich vor allem auf den Artikel 6 des Grundgesetzes stützen, der Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellt. Da wünschte man sich, Heiner Koch hätte auch mal "ohne Sofort" gefastet und das Interview noch eine Weile verschoben. Aber als Katholik muss er sich ja nicht an evangelische Fasten-Mottos halten.
Nun fordert der Dachverband der CSD-Organisationen in einem Offenen Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages, noch in dieser Legislaturperiode den letzten Schritt von der Verpartnerung hin zur Ehe zu gehen. "Was bislang im Rahmen eines Diskriminierungsabbaus fehlt, ist die vollständige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare." Gefordert wird eine freie Abstimmung, also eine ohne Fraktionszwang. Hintergrund ist, dass die Mehrheit der SPD sowie ein Teil der Union aus Rücksicht auf die Regierungskoalition nicht für die Ehe-Öffnung stimmen will. Wäre die Abstimmung freigegeben, wäre die Mehrheit sicher. So gesehen könnte man die Ehe-Öffnung sofort realisieren.
Jetzt werden einige sagen, wir sind aber gerade in den Fastenwochen "ohne Sofort" ... Bedenkt man aber, wie lange Schwule und Lesben nun schon auf die Gleichstellung warten, ist die Marke "sieben Wochen" längst gerissen. "Die Ungeduld gilt als ein Symbol der Moderne. Man darf vieles verlieren – nur nicht die Zeit", orakelt die Interseite zur evangelischen Fastenaktion.
Fasten wir also noch ein kleines bisschen weiter, üben wir Lesben und Schwule uns noch ein wenig in Entbehrung und Geduld, aber nach Ostern gibt’s für Weiterfasten hinsichtlich der gesetzlichen Öffnung der Ehe dann eigentlich keine triftigen Gründe mehr.
Kleiner Nachtrag: Aus Berlin wird gemeldet, dass die Standesämter in manchen Bezirken aufgrund von Personalengpässen mit der hohen Zahl von Anträgen auf Trauung überfordert sind. "Sofort" geht hier erstmal gar nichts ... egal, ob homo- oder heterosexuell.