Trauung, Segnung, Hochzeitsfeier? Bewegen sich die lutherischen Kirchen doch?

Trauung, Segnung, Hochzeitsfeier? Bewegen sich die lutherischen Kirchen doch?
Foto: Bildung Evangelisch Erlangen/ Martina Schradl
Nach dem Beschluss der sächsischen Landessynode, einen Segnungsgottesdienst für Eingetragene Partnerschaften zu ermöglichen, könnte auch in weitere lutherische Kirchen Bewegung kommen. Eindrücke eines Studientages aus Erlangen von Wolfgang Schürger

Mitte Oktober hat die Landessynode der Sächsischen Kirche für viele überraschend beschlossen, die gottesdienstliche Segung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften zu ermöglichen. "Damit haben die Sachsen die rote Laterne an Bayern und Württemberg abgegeben.", kommentierte Thorsten Maruschke vom Arbeitskreis Evangelische Kirchenpolitik der HuK diese Entwicklung.
Doch auch dort gibt es Bewegung - zumindest in Bayern. Peter Bubmann, Professor für Praktische Theologie an der FAU Erlangen, und Anne-Lore Mauer, Studienleiterin bei Bildung-Evangelisch Erlangen, haben die aktuelle Diskussion zum Anlass genommen, um zu einem Studientag "Trauung, Segnung Hochzeitsfeier?" einzuladen. Mehr als 50 Personen waren am 26. November dieser Einladung gefolgt, darunter eine Delegation der Evangelischen Kirche (A.B.) Österreichs und Mitglieder der bayerischen wie der württembergischen Kirchenleitung.

Dass Maruschkes "rote Laternen" sehr unterschiedliche Gestalt haben, wurde freilich sehr schnell deutlich. Im Gegensatz zu der Württembergischen Landeskirche hatte die Bayerische Kirche im Jahr 1993 als eine der ersten evangelischen Kirchen in Deutschland einen Beschluss gefasst, der eine Öffnung gegenüber Lesben und Schwulen signalisierte. Diese sogenannte "Fürther Erklärung" gibt auch Raum für eine "segnende Begleitung" von Partnerschaften in "individuell-seelsorgerlicher Verantwortung". Siliva Jühne, Pfarrerin in Nürnberg und Ko-Sprecherin des Lesbisch-Schwulen Konvents Bayern, machte deutlich, welche Breite von Segnungsformen und Segnungsgottesdiensten seitdem in Bayern möglich ist.

Freilich hatte hatte die Fürther Erklärung im Jahr 1993 ein der Ehe analoges Rechtsinstitut natürlich noch nicht im Blick. Auch in Bayern stellt sich daher die Frage, ob ein der Ehe analoges Rechtsinstitu, nicht auch nach einer ehe-analogen Ausgestaltung der entsprechenden Segnungshandlung verlangt. Thorsten Maruschke machte mit einer Übersicht deutlich, dass die Analogien in kirchlichen Verlautbarungen und Segnungliturgien umso stärker gegenüber den Differenzen hervor treten, je jünger die entsprechenden Beschlüsse sind. Kirchen mit Beschlusslage aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts müssten daher neu darüber nachdenken, wie Analogie und Differenz von Ehe und Lebenspartnerschaft angemessen zum Ausdruck kommen können.
Stefan Ark Nitsche, Regionalbischof im Kirchenkreis Nürnberg und Mitglied der Bischofskonferenz der VELKD, berichtete, dass die Bischöfinnen und Bischöfe analoges Handeln zum Traugottesdienst in weiten Teilen für möglich halten, solange die Differenz zur Trauung terminologisch deutlich werde. Nitsche regte daher an, konsequent vom Segnungsgottesdienst anlässlich einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft zu sprechen und in den Kirchenbüchern ein eigenes Register für die Eintragung dieser Kasualie zu schaffen.

Erwartungsgemäß rief dies den Widerspruch einiger konservativer Vertreter hervor, die zum Teil auch in den 90er Jahren gegen die ersten Öffnungsbestrebungen gekämpft hatten. Günter R. Schmidt, emeritierter Professor für Praktische Theologie, vertrat die Meinung, dass es nicht möglich sei, eine Form von menschlichem Miteinander zu segnen, die "nach dem Zeugnis des Apostels Paulus den göttlichen Lebensordnungen widerspricht". Schmidt bezog sich dabei auf die Aussage in Röm 1,26f: "Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften; denn bei ihnen haben Frauen den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Männer mit Männern Schande über sich gebracht und den Lohn für ihre Verirrung, wie es ja sein musste, an sich selbst empfangen."

Stefan Ark Nitsche, aber auch der Kirchenrechtler Heinrich de Wall, Leiter des Instituts für Kirchenrecht an der FAU, plädierten dafür, für Gemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrer, die aus nachvollziehbaren Gründen ihres Glaubens und ihres Schriftverständnis den Weg zu einer gottesdienstlichen Segnung nicht mitgehen können, einen Gewissensschutz einzuführen - ähnlich, wie dies in Bayern viele Jahre hinsichtlich der Frauenordination der Fall war. "Es ist dabei müßig, darüber zu diskutieren, ob eine Segnungsagende wirklich eine Bekenntnisfrage (status confessionis) darstellt.", meinte de Wall, "Sobald sich eine Minderheit aus nachvollziehbaren Gründen in ihrem Bekenntnis herausgefordert sieht, ist der Bekenntnisfall gegeben." Dies dürfe dann aber auch nicht dazu führen, dass die Minderheit die Mehrheit auf ihrem Weg  blockiere. "Solange die Einmütigkeit im Bekenntnis nicht herzustellen ist, ist daher der Gewissensschutz eine gute Möglichkeit, den Bedenken der Minderheit Rechnung zu tragen."

Nitsche warb dafür, auch trotz gegensätzlicher Positionen miteinander über das jeweilige Verständnis der Heiligen Schrift zu diskutieren - und dabei vor allem anzuerkennen, dass auch die jeweils andere Seite ihre Haltung aus Schrift und Bekenntnis begründet. Dass dabei selbst Martin Luthers Grundsatz, die Schrift von ihrer Mitte her auszulegen, Diskussionen darüber, wie diese Mitte zu beschreiben ist, nicht erspart, wurde in der Auseinandersetzung um die Bedeutung des oben genannten Paulus-Zitates deutlich: Jörg Hammerbacher, als Referent für kirchliches Leben im Landeskirchenamt für die Überlegungen zu möglichen Formen eines Segnungsgottesdienstes zuständig, machte deutlich, dass auch für ihn Röm 1,26f lange Zeit Anlass war, homosexuelle Partnerschaften kritisch zu beurteilen. "In vielen Begegnungen mit Lesben und Schwulen und in intensivem Ringen mit der Schrift bin ich aber zu dem Ergebnis gekommen, dass auch Röm 1,26f nicht die Mitte der paulinischen Botschaft darstellt, sondern von der Einsicht des Paulus her auszulegen ist, dass die Gnade Gottes alle menschlichen Unterschiede sekundär macht: ‘Da ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau’ - diese Aussage aus Gal 3,28 gilt für mich heute auch für unterschiedliche sexuelle Orientierungen."

Es bewegt sich also was - aber es muss und darf weiter um die Mitte der Schrift gestritten werden. Ich möchte allen Lesenden dieses Blogs zu solchem Streiten Mut machen - in ernsthafter Anerkennung dessen, dass beide Seiten ein zeit- und schriftgemäßes Christentum leben wollen.