Pilgrims' Haven

Pilgrims' Haven
Zwischen dem 26. Und dem 31. Juli haben sich über eine Millionen Jugendliche aus der ganzen Welt in Krakau zum katholischen Weltjugendtag getroffen. Dort gab es auch einen LGBT Pilgrims' Haven - Przysta? Pielgrzymów LGBT, einen sicheren Pilgerort für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle.

Misha Cherniak war einer der Verantwortlichen im Organisationskommittee des LGBT Pilgrims´ Haven während des katholischen Weltjugendtags in Krakau, der am 31. Juli mit einer Messe vom Papst zuende ging. Organisiert wurde das Programm von der Glaubens- und Regenbogengruppe in Polen und dem Europäischen Forum christlicher LSBT Gruppen. Das Programm auf dem Weltjugendtag wurde durch eine eigene Facebookseite beworben.

Die Beteiligten haben in den Tagen Gottesdienste und Andachten gefeiert, haben gebetet, Filme gezeigt, Erfahrungen ausgetauscht, gemeinsam gesungen und diskutiert. Der Ort war offen für alle, nicht nur für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle (LSBT), nicht nur für Gläubige, nicht nur für Katholikinnen und Katholiken.

Misha Cherniak und die anderen Initiatorinnen und Initiatoren des Pilgerortes haben sich im Vorfeld des Weltjugendtags darum bemüht, dass ihre Veranstaltungen mit in das offizielle Programm aufgenommen werden. Das wurde vom Organisationskommitee abgelehnt. Dennoch waren viele der Verantwortlichen offen gegenüber ihrer Initiative eingestellt. Auch der Papst war über den Pilgerort für LSBT in Krakau informiert.

Die Veranstaltungen im Pilgrims´ Haven waren ein voller Erfolg. Über 80 Leute aus verschiedenen Ländern weltweit waren da, informierten sich, diskutierten mit oder blieben einfach da und genossen die gastfreundliche Ausstrahlung des Ortes. Auch Priester und andere kirchliche Mitarbeitende besuchten den Ort. Außerdem tauchten über 30 Medienvertreter_innnen auf. Dass der Ort sicher und gastfreundlich für alle geblieben ist, war ein Höhepunkt der Woche für Misha Cherniak. Im Vorfeld hatten sie Angst vor Provokationen oder Gewaltattacken. Aber die blieben aus. Gott sei Dank!

Misha Cherniak am 7. Mai in Stockholm.

Immer wieder wurde nach den Hintergründen für den LGBT Pilgrims´Haven gefragt. Dazu Misha Cherniak:

"In der Katholischen Kirche sind LSBT noch lange nicht gleichberechtigt. Schwule Männer dürfen offiziell keine Priester werden, gleichgeschlechtliche Paare können keine kirchlichen Segnungsgottesdienste in katholischen Kirchen bekommen. Kirchlich Mitarbeitende müssen in leitender Anstellung auch in Deutschland immer noch um ihren Job fürchten, wenn sie als lesbisch oder schwul geoutet werden oder wenn sie ihre gleichgeschlechtliche Partnerschaft registrieren lassen. In vielen anderen Ländern dürfen nicht einmal katholische Ehrenamtliche lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell sein, ohne Repressalien oder sogar Ausschluss fürchten zu müssen. Entsprechend herrscht vielerorts im kirchlichen Umfeld Angst, dass Gläubige als schwul oder lesbisch entdeckt werden. Gläubig sein und schwul oder lesbisch sein, das ist vielerorts immer noch undenkbar."

Dennoch hat sich auch in der katholischen Kirche in den letzten Jahren einiges getan. Papst Franziskus hat den bekannten Satz geprägt: Wer bin ich, dass ich Homosexuelle richten kann? Franziskus erwartet von seinen Glaubensgenossen Respekt gegenüber LSBT. Er ermutigt sie, Grenzen zu überwinden gegenüber denjenigen, die anders sind, als sie selbst. Das sind deutliche Signale.

Aber auch Franziskus hat nicht verhindern können, dass in den Verlautbarungen nach den beiden Familiensynoden in Rom im Oktober 2014 und 2015 zur Frage der Homosexualität kaum etwas notiert wurde. Die offizielle Linie gegenüber Homosexualität hat sich nicht verändert. Auch für Papst Franziskus bleibt bei aller Offenheit die heterosexuelle Ehe und Kleinfamilie das Zentrum katholischer Sexualethik. Darüber hinaus predigt er allerdings unermüdlich das Gebot der christlichen Nächstenliebe und schließt darin alle ein. Damit hat er die Haltung und den Ton verändert, mit dem von offizieller Seite in der Katholischen Kirche über das Thema gesprochen wird.

Aber die Doppelmoral bleibt: Es gibt schwule Priester und schwule und lesbische Mitarbeitende in der Katholischen Kirche. Solange dies nicht offiziell wird, unternimmt man nichts. Die Angst vor Entdeckung und Jobverlust bleibt aber bestehen und wird dadurch sogar noch größer. Auch die geistliche Not von vielen gläubigen LSBT weltweit, die sich nicht als gleichberechtigte Mitglieder der Katholischen Kirche fühlen können, ist ein Problem. Deshalb ist auch der Bedarf nach Seelsorge, Beratung und Unterstützung hoch. Auch für junge Menschen bleibt die Verunsicherng, wie es die Katholische Kirche mit LSBT Gläubigen hält. Dafür war der Pilgrims' Haven beim Weltjugendtag in Krakau genau der richtige Ort, um Fragen zu stellen, andere Lesben und Schwule kennen zu lernen und mit ihnen über ihren Glauben zu reden, zu beten und Gottesdienste zu feiern.

Misha Cherniak ist nach dem Abschluss des Weltjugendtags letzten Sonntag müde und zufrieden. Er und viele andere Ehrenamtliche haben einen sicheren Ort geschaffen, der gut angenommen wurde und medial beachtet war. Dass ausgerechnet er als orthodoxer Christ aus Russland, der seit einer Weile in Polen lebt, diesen Ort mit geleitet hat, veranlasst ihn zu einem Lächeln.

"Klar ist das komisch, dass ausgerechnet ich einer der Mitveranstalter bin. Andererseits, warum nicht?"

Misha Cherniak ist seit einigen Jahren Mitglied im Europäischen Forum christlicher LSBT Gruppen und kennt viele lesbische, schwule, bi- und transsexuelle Brüder und Schwestern gerade aus Osteuropa, die nach einer Heimat im Glauben suchen. Er weiß aus eigener Anschauung, wie schwer es ist, schwul und gläubig zu leben, ohne dass er Diskriminierung oder sogar Gewalt fürchten muss, wie es in seinem Heimatland Russland üblich ist. Er selbst hat genau aus diesem Grund viele Jahre gebraucht, um zu seinem Schwulsein stehen zu können. Er hat sogar geheiratet, hat eine kleine Tochter, und dennoch hat es nicht geklappt. Die Ehe wurde geschieden. Und er konnte sich nicht länger etwas vormachen. Misha hat gute Freundinnen und Freunde gebraucht, die ihm geholfen haben, aus seiner Krise herauszukommen. Er hat es geschafft. Darüber ist er dankbar. Heute kann er seinerseits Hilfe anbieten für solche, die in Not sind und Angst vor Zurückweisung haben. Insofern ist es doch ein Glücksfall, dass der schwule und gläubige orthodoxe Musiker aus Russland, der in Polen lebt, in Krakau einen sicheren Ort für Gläubige LSBT mitgestalten konnte. Mishas Maxime:

"Wir sind alle Gottes Kinder, geliebt, gesegnet und in Gottes Bild geschaffen. Das ist es was zählt!"

 

Mehr Informationen zum LGBT Pilgrims´ Haven auf Französisch und auf Polnisch. Hier sind einige Fotos zu sehen.