Ein wahrer Liebesdienst

Ein wahrer Liebesdienst
Foto: Matthias Albrecht
In der Badischen Landeskirche sind die Kirchentüren ab sofort offen für die Trauung homosexuell liebender Paare.
Neun pietistische Verbände lehnen die Trauung homosexuell liebender Menschen vehement ab. Gleichzeitig sprechen sich dieselben Organisationen gegen die Herabsetzung und Ausgrenzung von Lesben und Schwulen aus. Ein widersprüchlicher, bizarrer und bigotter Akt.

Für viele Menschen muss es wie blanker Hohn klingen, wenn neun pietistische Verbände* erklären, sie wiesen "alle Haltungen und Handlungen zurück, bei denen Menschen, deren Zuneigung auf Menschen des gleichen Geschlechts gerichtet ist, im persönlichen Miteinander herabgesetzt oder ausgegrenzt werden". Auch wenn dieser Satz ehrlich, aufrichtig und wohlgesonnen gemeint sein mag, bleibt er angesichts seines Kontextes widersprüchlich, bizarr, ja sogar bigott. Die zitierten Worte entstammen einer Erklärung, die die kirchliche Trauung homosexuell liebender Paare in der Badischen Landeskirche vehement ablehnt. Es mag der Wunsch dahinterstehen, das eine tun zu können, ohne das andere aufgeben zu müssen: Die Ausgrenzung homosexueller Menschen hinter sich lassen, ohne den Widerstand gegen die Segnung ihrer Partner_innenschaften aufgeben zu müssen. Doch das ist ein Trugbild. Ein Trugbild, das den Blick weglenkt von der Tatsache, dass die Verweigerung des Segens eine Diskriminierung ist. Es ist die Verschiebung vom Konkreten ins Abstrakte. Abstrakt wird behauptet, gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen zu sein, während an der konkreten Diskriminierung festgehalten wird. Und es ist das Verkennen und Ignorieren der eigenen Schuld. Die Tatsache, dass die unterzeichnenden Verbände selbst einen wesentlichen Beitrag zur Diskriminierung homosexueller Menschen leisten, wird nirgends in der Erklärung eingestanden. Hier gilt das Wort Jesu aus dem siebten Kapitel des Matthäus-Evangeliums: "Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?"

Daran dass die neun pietistischen Verbände im wahrsten Sinne des Wortes ungehindert weiter diskriminieren wollen, lassen sie keinen Zweifel. So machen sie nicht nur deutlich, dass die zugehörigen Pfarrer_innen gleichgeschlechtliche Paare mit Trauanliegen weiterhin zurückweisen werden, sondern sprechen auch die Bitte aus, dass Dekan_innen oder der Oberkirchenrat der Badischen Landeskirche "keine Trauung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften im Bereich" der Gemeinden entgegen dem "ausdrücklichen Willen" der Ältestenkreise durchsetzen sollen. Was ist es aber anderes als eine Herabsetzung, wenn nicht nur der örtliche Geistliche Liebenden den Traugottesdienst verweigert, sondern diese Segnung zudem erst gar nicht in der eigenen Gemeinde stattfinden darf? Kann es ein noch deutlicheres Zeichen der Ausgrenzung geben, wenn Kinder Gottes ihren Lebensbund nicht in ihrer Heimatgemeinde segnen lassen können? Es bleibt zu hoffen, dass der Oberkirchenrat der Badischen Landeskirche dieses Ansinnen negativ bescheidet und dadurch deutlich macht: Die Evangelische Landeskirche ist als Kirche Jesus Christi die Gemeinschaft aller Gläubigen. Die Gotteshäuser, die ihrer Obhut unterstehen, stehen allen Gliedern, nicht zuletzt zur Segnung ihrer Partner_innenschaften offen. Kein Mensch hat das Recht, das zu verweigern.

Angesichts der beschriebenen Forderung ist es höchst fragwürdig, was die Unterzeichner_innen der Erklärung meinen, wenn sie schreiben, sie wollten lesbische und schwule Menschen in Liebe als Geschwister annehmen. Die Annahme Christi war, ist und wird immer bedingungslos sein. Wollen die Unterzeichner_innen diese bedingungslose Liebe wirklich weitergeben? Oder ist ihre Liebe nicht vielmehr an Bedingungen geknüpft? Ist sie nicht letztlich daran gebunden, dass Menschen nach einem anti-homosexuellen Schriftverständnis leben? Soll darüber nicht letztlich die Frage entschieden werden, wer vollwertig zur Gemeinde gehört und wer nicht? Wenn dem so ist, dann ist die Liebe von der der Text spricht, von vorneherein nicht möglich. Ja, sie ist zum Scheitern verurteilt. Denn dann ist die Möglichkeit Geschwister zu lieben schon längst einem Gesetz geopfert, einem Gesetz das nicht das unseres Herrn Jesus Christus ist.

Erstaunlich ist, dass die Erklärung zwar ein Bekenntnis gegen die Herabsetzung und Ausgrenzung homosexueller Menschen enthält, jedoch an keiner Stelle erwähnt, wie dies umgesetzt werden soll. Wenn die Unterzeichner_innen einen wahren Liebesdienst an ihren lesbischen und schwulen Geschwistern tun wollen, dann sollten sie für sich selbst einen Rat befolgen, den sie ihrerseits so häufig homosexuell lebenden Menschen geben: Enthaltsam leben. Sie sollten ihre anti-homosexuellen Gefühle, die sie, wie sie schreiben, in eine Not bringen, nicht verleugnen, aber sie kontrollieren lernen. Kontrollieren, so dass sich die Emotionen nicht mehr in Taten manifestieren, die Menschen verletzen, herabsetzen, ausgrenzen, in ihrem Leben und ihrer Persönlichkeitsentfaltung einschränken. Das wäre ein wahrhaftiger Liebesbeweis, der sich beispielsweise darin zeigen kann, eine Trauung in der eigenen Kirche stattfinden zu lassen, auch wenn es weh tut. Damit würden die Unterzeichner_innen der Erklärung das Gesetz Christi erfüllen.

 

* Die neun Verbänden sind:

  • Christus-Bewegung Baden (CBB)
  • Pfarrerinnen- und Pfarrer-Gebetsbund (PGB) Baden
  • Liebenzeller Gemeinschaftsverband (LGV)
  • Evangelischer Gemeinschaftsverband AB
  • die AB-Jugend
  • Südwestdeutscher Gemeinschaftsverband (SGV)
  • Lebenszentrum Adelshofen (LZA)
  • Netzwerk evangelischer Christen in Baden (NeCiB)
  • Bekenntniskreis Baden (BKB)