Die Werbekarawane ist weitergezogen, die Tore der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin sind wieder geschlossen. Im Vorfeld regte sich außerhalb der Messe ein bisschen Kritik an der Wahl des diesjährigen Partnerlandes, den Malediven. Dem Erfolg stand das nicht im Wege, wie ein zuständiger Marketing-Chef des Landes in der abschließenden Pressemitteilung wissen lässt: "Wir blicken auf eine sehr erfolgreiche Fachmesse zurück, dank der wir die Malediven als weltweit führende Inseldestination präsentieren konnten." Mittlerweile zählt man jährlich 100.000 Touristinnen und Touristen aus Deutschland - von über einer Million Besuchern insgesamt.
Doch abseits der weißen Strände und der gesicherten Touristen-Resorts prägen ein autoritäres Regime, Menschenrechtsverletzungen und eine hohe Korruption das Bild des islamischen Inselstaats. Auf den Malediven gibt es keine Religionsfreiheit, der (sunnitische) Islam ist Staatsreligion. Schon 2013 beklagte der "Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit" eine zunehmende Diskriminierung von Christen und Juden - und erkennt, dass es selten 'nur' um die Religion geht: "Die politische Rhetorik über Religion ist zu einem Referenzpunkt geworden, um über die zukünftige Ausgestaltung der Gesellschaft zu diskutieren und zu streiten."
Diese "Ausgestaltung" betrifft auch Homo- und Transsexuelle. Das Auswärtige Amt teilt zur Situation auf den Malediven sachlich mit: "Grundsätzlich verboten sind dort auch homosexuelle Aktivitäten. Bei Nichtbeachtung droht strafrechtliche Verfolgung." Formal gilt das Scharia-Recht. Aber auch schon die Thematisierung ist unerwünscht. "2012 verprügelte eine Gang einen liberalen Blogger, der Toleranz gegenüber Homosexuellen gefordert hatte", berichtet "Der Spiegel". Im aktuellen Gay Travel Index (PDF) rangieren die Malediven auf Platz 171 von 193; Platz 1 als bestes Reiseziel für Schwule, Lesben, Transsexuelle belegt Schweden.
Es gehört zu den Besonderheiten der Tourismusbörse, dass sie einen eigenen "LGBT-Pavillion" hat und sich rühmt, das weltweit größte Angebot für interessierte schwule und lesbische Reisende zu haben. Sogar einen eigenen Kongress zum Thema Gay and Lesbian Travel gibt es. Unter dem heiteren ITB-Dach zur Vermarktung bunter Reiseziele lässt sich vieles, auch Gegensätze, scheinbar problemlos vereinbaren.
Und was machen homo-, transsexuelle Christinnen und Christen daraus? Reist man aufgeklärt durch die Welt? Lässt man sich vom Etikett "gayfriendly" leiten? Meidet man Länder aufgrund von Berichten über Diskriminierungen von Minderheiten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, im Urlaub selbst davon betroffen zu werden, gering ist? Würde ich, wenn ich könnte, auf die Malediven reisen? Wäre die Menschenrechtslage für mich ein Argument? Orientiert man sich am Umgang mit Fußball-Events wie etwa der WM in Katar oder dem Eurovision Song Contest in Ländern wie Aserbaidschan: Im Vorfeld Gemaule, hinfahren tun dann trotzdem alle? Glaube, sexuelle Orientierung, politische Auffassungen sind schnell im Seitenfach des Koffers verstaut und im Zweifel bleiben sie da, bis man wieder in der guten Heimat gelandet ist? Oder ist es nicht vernünftiger, sich - soweit das möglich ist - vor Ort ein eigenes Bild zu machen? Schadet man möglicherweise den Menschen vor Ort, die ja auf Wirtschaftseinnahmen angewiesen sind? Was das Beispiel Malediven anbelangt, bittet ein Oppositionspolitiker in einem Bericht der "Tagesschau", die Touristen sollten trotz der kritischen Zustände seine Heimat besuchen. "Sie sollen ihren Urlaub genießen. Aber bitte sprechen Sie auch mit Einheimischen. (...) Lassen Sie sich nicht im Luxus-Hotel isolieren."
Vielleicht ist die kritische Überprüfung eines jeglichen Reiselandes im Vorfeld bereits eine gute erste Möglichkeit, einer solchen Isolierung entgegenzuwirken. Und vielleicht ist es nicht verkehrt, um Segen für jede Reise zu bitten, egal wohin sie letztlich führt.