Masken-Alltag

Masken-Alltag
Theatermasken (Moasaik, Thermen des Decius, Rom, um 250) / Wikipedia Commons, gemeinfrei
Es ist das Schöne an Masken, dass sie einen sein lassen, wie man gerne wäre. In einer Gesellschaft, wo der Schein Pflicht ist, kann der spielerische Aspekt allerdings auch zum Zwang werden, stets die passende Maske zu tragen.

Schon verrückt. Da wird Fasching respektive Karneval mit Masken und Verkleidungen gefeiert, obwohl wir doch das ganze Jahr hindurch Masken tragen. Ein riesiges Ablenkungsmanöver, aber vielleicht muss das ja sein, weil es sonst nicht auszuhalten wäre. Fasching gilt merkwürdigerweise als Ausnahmezustand, wo sich doch mittlerweile halb Deutschland im permanenten Ausnahmezustand wähnt. Vielleicht gesteht man sich im Schutz der Masken ja ein, dass man nicht normal ist, damit man danach wieder umso normaler sein kann?

Feiern manche mit, weil sie es genießen, im Schutz der Maske auch mal normal sündig sein zu dürfen, bevor ihnen dann am Aschermittwoch wieder die Sündernormalität bevorsteht? Feiern Schwule und Lesben kräftig mit, weil sie im Fasching mal so herrlich normal sein können? Damit sie danach fordern können, doch auch weiterhin als normal durchgehen zu dürfen?

Im Mai letzten Jahres gab der Verband schwuler Führungskräfte (Völklinger Kreis) an, noch immer hätten sich mehr als 50 Prozent der Lesben und Schwulen nicht am Arbeitsplatz geoutet. Argumentiert wird ganz unverstellt aus Arbeitgebersicht: "Das Verstecken der eigenen sexuellen Identität am Arbeitsplatz beeinträchtigt jedoch die Arbeitsleistung der Betroffenen." Auch Kirchen sind Arbeitgeber.

Manches lässt sich maskieren, anderes nicht. Manches spielt möglicherweise gar nicht die Rolle, die man vermutet. Zur Übergabe einer Studie "Diversity Management in Deutschland 2015" Anfang des Jahres heißt es: "Bereits in Vorgängerstudien wurde festgestellt, dass sexuelle Orientierung und Religion von deutlich weniger Arbeitgebern berücksichtigt werden als z. B. unterschiedliches Alter und Geschlecht der Mitarbeiter." Schon verrückt. Da denkt frau, sie kriegt den Job nicht, weil sie lesbisch ist - dabei liegt es "nur" an ihrem Alter? Muss also das Alter versteckt werden?

Masken werden auch in der Religion und/oder den Kirchen immer wieder als Pflicht formuliert. Das Verstecken der sexuellen Identität erscheint manchen unverändert als Einstellungsvoraussetzung. Schon verrückt, wo es doch - um es im Ton der oben erwähnten Diversity-Management-Studie zu sagen - den allerobersten Dienstherrn möglicherweise gar nicht interessiert.

Masken sind uns letztlich so selbstverständlich geworden, dass man es kaum noch merkt, ob man eine trägt. Gerade eine auf ökonomische Effizienz getrimmte Leistungsgesellschaft erzwingt Masken, ein vielseitiges "Profil", das sich, der jeweiligen Marktanforderung gemäß, neu anpassen lässt. Trotzdem muss nicht verwundern, dass "authentisch" zum neuen Modewort wird. Man will wieder das Echte, das Unverstellte ... vor allem die Werbung und PR-Abteilungen arbeiten schwer daran, uns genau das zu bieten! Hier ist die beste Maske die, die nicht als Maske wahrgenommen wird. Und uns das Gefühl gibt, nichts hinterfragen zu müssen. Damit geht aber eine der zentralen Funktionen von Masken verloren.

Mit ihrem Spiel von Verbergen und Enthüllen stehen Masken für eine Sehnsucht, die prägend ist auch für die Geschichte von Homosexualität: sich letztlich nicht verstellen zu müssen, nicht vorgeben zu müssen, jemand zu sein, der man nicht ist. (Ist das nicht auch ein entscheidendes Moment in der Begegnung mit Gott? So angenommen zu werden, wie man ist?)

In der Faschingszeit werden die Maske und das Spiel zur Normalität, jedenfalls so lange, bis wir uns allesamt wieder die zahlreichen Masken der Normalität aufsetzen. Wäre sonst ja auch zu verrückt, oder?