Rein ins Grundgesetz!

Rein ins Grundgesetz!
Illustration: Broschüre Innenministerium Österreich / Montage
Von Flüchtlingen wird Integration gefordert. Dazu soll auch die schriftliche Anerkennung der Rechte Homosexueller gehören. Doch warum nur von einer Seite fordern, was man selbst nur unzulänglich einhält?

Neuerdings ist wieder viel von Werten - auch von christlichen - die Rede. Genauer gesagt, es ist von Werten die Rede, die andere einhalten sollen. Flüchtlinge etwa. Wer von den Ankommenden ein Bleiberecht erhalten will, soll eine Integrationsvereinbarung unterzeichnen. So hat es maßgeblich die CDU mit der sich im Landtagswahlkampf befindenden Julia Klöckner als Meinungsführerin gefordert. "Wer durch die Tür Asylrecht in das Haus Deutschland kommt, muss wissen, dass es hier tragende Wände und Säulen gibt, die wir weder einreißen noch verrücken wollen", hieß es in einem Antrag des CDU-Parteitags. Nicht nur zum deutschen Recht sowie zur Gleichstellung von Mann und Frau sollen sich hier lebende Flüchtlinge bekennen, sondern auch das Existenzrecht Israels und die Rechte Homosexueller anerkennen. Grundlegendes also, das unlängst ein "Refugee Guide" (PDF) des österreichischen Innenministeriums in markante Illustrationen packte, deren Gültigkeit mit einem grünen Häckchen betont wurde.

Auf ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth wird auch die CSU, das ist die andere Partei, die noch ein "C" für "christlich" im Namen trägt, eine "Integrationspflicht" beschließen. Aus dem, was vorab bekannt wurde, werden im zu unterzeichnenden Papier die Rechte Homosexueller nicht extra erwähnt. Aber die sind ja bestimmt eine Selbstverständlichkeit, zumal für eine Partei, die - selbst nachdem das Lebenspartnerschaftsgesetz vom Bundestag verabschiedet worden war - schwulen und lesbischen Paaren das Standesamt verweigerte und sie zum teuren Notar gehen ließ. Erst 2009, in der Koalition mit der FDP, gab man dieses kleine Nachtreten in Bayern auf.

Doch zurück zur vermeintlichen Homophobie unter (muslimischen) Flüchtlingen, der mit einem Integrationsvertrag begegnet werden soll. Auch innerhalb der schwulen Welt warnt eine kleine Minderheit in durchaus schrillen Tönen vor den Gefahren einer Islamisierung und ereifert sich über eine Verharmlosung der Gefahren durch eine importierte Homophobie. Als Belege gelten die menschenverachtenden Propagandavideos des sogenannten Islamischen Staates, die Hinrichtungen schwuler Männer zeigen sollen, aber auch Berichte von Angriffen auf homosexuelle wie transsexuelle/transgender Menschen durch Mitbewohner in Flüchtlingsheimen.

Mit einer pauschalen Vorverurteilung von Flüchtlingen - gemeint sind eigentlich stets die jungen Männer! - als eine homophobe und zudem Frauen verachtende, Christen verfolgende und antisemitische Bedrohung ist leider wenig geholfen. Ein Großteil der zu uns kommenden Menschen sucht Schutz vor der Gewalt islamistischer Fundamentalisten! Zudem gibt es all diese menschenfeindlichen Haltungen längst und hartnäckig auch ohne Flüchtlinge in Teilen der in Deutschland lebenden Bevölkerung.

Es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie - wie auch Thomas Vitzthum in der "Welt" bemerkt -, dass ausgerechnet konservative Kreise und Politikerinnen wie Politiker, die noch niemals irgendetwas für Schwule und Lesben getan haben (es sei denn auf Druck des Bundesverfassungsgerichtes), nun zu Verteidigern von Homosexuellenrechten werden. Natürlich ist es zu begrüßen, dass mit Leuten wie Julia Klöckner eine aufgeschlossenere Haltung auch in die CDU einzieht. Das volle Adoptionsrecht will sie homosexuellen Paaren trotzdem nicht geben, wie sie unter anderem "chrismon" wissen ließ. Es liegt nahe, dass Homosexuellenrechte, wenn sie nun als Teil der Integrationsvereinbarung herausgestellt werden, instrumentalisiert werden sollen - für eine pauschale Unterstellung an Flüchtlinge und für ein Vergessenmachen einer bislang alles andere als "homofreundlichen" Politik von CDU/CSU.

Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm hat sich unlängst gegen eine "Integrationspflicht" ausgesprochen. Er bezweifelt den Nutzen von Zwang. Zudem mahnte er etwas mehr Selbstvertrauen der Christen hierzulande an. Er nannte es im Interview mit der "FAZ" "kleingläubig" zu denken, durch ein oder zwei Millionen mehr Muslime könne die christliche Kultur verschwinden. Kleingläubigkeit sollte auch nicht den Umgang von Schwulen, Lesben und Transgender bzw. deren Verbände mit der vermeintlichen Homophobie der Flüchtlinge bestimmen. Es gilt sich auf das zu besinnen, was schon seit Jahrzehnten getan wurde, um gegen Diskriminierung und für Gleichstellung einzutreten: Eine sichtbare, selbstbewusste Community bleiben und weiterhin auf rechtlicher, gesamtgesellschaftlich verbindlicher Absicherung bestehen statt vollmundigen Absichtserklärungen zu glauben.

Gerade der letzte Punkt ist durch die Fixierung auf die Ehe-Öffnung etwas in Vergessenheit geraten. Der schwule Blogger Bernd Gaiser hat in seinem Jahresrückblick darauf hingewiesen, dass bei aller gewachsenen Akzeptanz von Homosexuellen viele Bereiche von "Stimmungen" (manchmal auch "Bauchgefühl" genannt) abhängig bleiben. Er spricht von einem Misslingen "der politischen Absicht, unsere Belange im Artikel 3 GG zu verankern. Als Voraussetzung zur Gleichstellung mit der Mehrheitsbevölkerung".

Vielleicht sollte man die Initiative, die Bernd Gaiser anspricht, noch nicht ganz aufgeben. Statt Flüchtlinge gutgemeinte Integrationspapiere unterschreiben zu lassen, wäre es eine gute Alternative, den Artikel 3 des Grundgesetzes ("Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich") um das Merkmal der sexuellen Identität zu erweitern. Bereits drin steht, dass niemand "wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" darf. Zudem darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. "Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden", lautet die ergänzende Formulierung, die der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) schon vor Jahren forderte. Es wäre ein Zeichen, das für alle in Deutschland lebenden Menschen gelten würde - und eben nicht eine einseitig von Flüchtlingen abgetrotzte Erklärung. Es wäre auch ein Zeichen sich christlich nennender Parteien, dass es ihnen verlässlich ernst ist mit der Gleichstellung Homosexueller und nicht nur eine aktuelle Stimmungsschwankung, um Stimmung zu machen.