"Proti" - Überwintern in der Dagegen-Haltung

"Proti" - Überwintern in der Dagegen-Haltung
In einem Referendum hat Slowenien die beschlossene Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zurückgenommen. Ein "Rückschritt" auf das Niveau von Deutschland und Aufwind für die Dagegen-Fraktion.

In diversen lesbisch-schwulen Nachrichtenmedien hatte man schon Erfolg vermeldet: Aufgrund der Auszählung bereits vorliegender Stimmzettel zeichne sich ein "Za" ("Ja") für das Gesetz ab, das durch eine geschlechterneutrale Formulierung eine Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Paaren ermöglicht hätte. Ehe wäre nicht länger als Verbindung von Mann und Frau definiert worden und auch gleichgeschlechtliche Ehen hätten ein Adoptionsrecht erhalten. Im März war das Gesetz vom Parlament Sloweniens beschlossen worden. Doch als nach und nach Ergebnisse der am Wahltag abgegebenen Stimmen bekannt wurden, kippte die Stimmung. Zuletzt klammerte man sich noch an den Strohhalm, dass beim Referendum nicht das nötige Quorum erreicht werde und es ungültig würde. Doch es half nichts. Von 1,7 Millionen Berechtigten hatten sich rund 620.000 am Referendum beteiligt. Von dieser - zahlenmäßig gesehen - Minderheit hat eine "satte Mehrheit" von 63,5% (392.635 Stimmen) "Proti" ("Dagegen") angekreuzt. Die Initiative "Es geht um Kinder" hat sich, mit tatkräftiger Unterstützung von politisch rechter Opposition und katholischer Kirche, durchgesetzt.

Slowenien haben am Ende der fröhliche Mut und die lebensbejahende Vision einer offenen Gesellschaft gefehlt, die im Mai das Referendum in Irland zu einem weltweit beachteten Signal für die Ehe-Öffnung gemacht hatte. Aber beides fehlt ja auch in Deutschland! Immerhin kennt man hier wie in Slowenien die Eingetragene Lebenspartnerschaft und ist damit rechtlich weiter als andere osteuropäische Länder wie Kroatien, die Slowakei, Rumänien oder Polen. Doch das Signal von Slowenien ist, dass ein von einem demokratisch gewählten Parlament verabschiedetes Gesetz immer noch gestoppt und wieder zurückgenommen werden kann. Geht in Deutschland nicht? In der Tat sind Bürgerentscheide nur für die lokale Ebene, nicht aber für bundesweit geltende Belange vorgesehen. Aber mit Norbert Lammert hat Deutschland einen katholischen Bundestagspräsidenten, der das Adoptionsrecht für schwule wie lesbische Paare ablehnt. Im Sommer 2013 wies er darauf hin, dass ein Lebenspartnerschaftsgesetz - wenn es die Mehrheiten im Bundestag zuließen - auch wieder abgeschafft werden könne: "Die Einführung einer rechtlichen Lebenspartnerschaft unter Rot-Grün war im Bundestag hochumstritten. Die parlamentarischen Mehrheiten von damals gibt es heute nicht mehr", sagte er der "Welt", weil ihm Entscheidungen des Verfassungsgerichtes zur Gleichstellung nicht passten. Ähnliches drohte auch sein CDU-Parteikollege Volker Kauder.

Heute wollen Lammert und andere katholische Politiker, darunter auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, eine Lebenspartnerschaft vielleicht nicht mehr komplett abschaffen, aber eine Gleichstellung mit der Mann-Frau-Ehe nach wie vor verhindern. In einem "Zwischenruf" präsentierten sie die Idee, die Lebenspartnerschaft ins Grundgesetz aufnehmen und unter den Schutz des Staates stellen zu wollen. Die Ungleichheit mit der Ehe wäre damit auf perfide Weise zementiert. Volker Beck, religionspolitischer Sprecher der Grünen, kritisierte im "Tagesspiegel": "Die Ungleichwertigkeit von Homo- und Heterosexualität gibt es nur in der katholischen Sexuallehre, nicht aber in der säkularen Rechtsordnung oder auch nur in den aktuellen Schriften der protestantischen Bruderkirche."

Eine parlamentarische Mehrheit für eine Forderung wie die des "Zwischenrufs" ist derzeit nicht gegeben. Das könnte sich ändern, wenn die AfD in den nächsten Bundestag einziehen sollte. Man wird sehen, wie die katholischen CDU/CSU-Politiker unter Lammert dann versuchen werden, Mehrheiten für ihre Dagegen-Haltung zu gewinnen.

Derweil agitieren außerparlamentarisch - in Slowenien wie in Deutschland - Initiativen wie "Es geht um Kinder" bzw. "Demo für Alle" und "Initiative Familienschutz", die gegen ein Adoptionsrecht von homosexuellen Paaren, gegen die Ehe-Öffnung und - klar! - gegen die "Gender-Ideologie" demonstrieren. Unterstützung finden sie, wie etwa derzeit in Baden-Württemberg, nicht nur durch die AfD (maßgeblich durch deren EU-Abgeordnete Beatrix von Storch), sondern auch die CDU im Ländle. Wie in Slowenien ist "Proti" das Programm. Der schwule CDU-Politiker und MdB Stefan Kaufmann fand jüngst deutliche Worte: "Sie wenden sich letztlich gegen Gleichberechtigung im Allgemeinen und verstärken insofern eher homophobe Tendenzen. Da wird im Deckmantel eines neuen Bildungsplanes eben auch ganz grundsätzlich eine Veränderung der Gesellschaft angestrebt".

Die fröhliche Stimmung Irlands ist verflogen. Mit dem EU-weiten Erstarken (rechts-)konservativer Strömungen scheint auch in Deutschland der Status Quo in Sachen Gleichstellung von Schwulen, Lesben und Transgender zementiert, wenn nicht sogar bedroht. Nicht durch ein Referendum, sondern den anhaltenden Widerstand der CDU/CSU. Heimlich hoffen engagierte Homosexuelle, dass das Bundesverfassungsgericht die Dinge regeln wird. Aber diese Hoffnung kann so schnell kippen wie die Anfangseuphorie des Ja-Lagers beim gestrigen Referendum in Slowenien.

Trübe Aussichten für 2016? Nicht nur ... Das kleine Lichtlein kommt von der Evangelischen Kirche im Rheinland. Dort will man Anfang des neuen Jahres auf der Landessynode die bisher mögliche Segnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften analog zu einem Gottesdienst aus Anlass einer Eheschließung regeln. "Der Grad der rechtlichen Bindung und die gegenseitigen Einstandspflichten der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner sind nicht mehr von denjenigen der verschiedengeschlechtlichen Ehepartner zu unterscheiden. Beide Rechtsinstitute werden vor dem Standesamt begründet und können nur unter identischen Voraussetzungen beendet werden." So Vizepräsident Dr. Johann Weusmann in einer Pressemitteilung. Pfarrerinnen und Pfarrer sollen solch eine Trauung zwar verweigern können, "dies solle jedoch nicht zu Lasten der der Kirche oft hoch verbundenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerinnen bzw. -partner gehen". Der Superintendent soll dann Ersatz finden, so dass der Gottesdienst stattfinden kann. Mit der Änderung greife man letztlich nur gesellschaftliche Veränderungen auf, die längst die Praxis in den Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland bestimme.