Ein wenig zu still?

Ein wenig zu still?
Foto: Rainer Hörmann
Gehört Sterben noch zum schwulen und lesbischen Leben? Oder muss am Ende doch jede und jeder schauen, wo er bleibt? In der aktuellen Debatte um Sterben und Sterbebegleitung vermisst man einen Beitrag homosexueller Christen.

Der November gilt als "die stille Zeit", als Monat der Besinnung, geprägt vom Gedenken an die Toten und Nachdenken über das Leben. Die Debatte des Bundestages über ein Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Sterbehilfe war sicher nicht still, wurde aber trotz gegensätzlicher Positionen und aller Emotionalität im nachdenklichen Ton geführt.

Still aber waren die Gruppen lesbischer Christinnen und schwuler Christen, still war auch eine wichtige Organisation wie die Aidshilfe. Dabei wird gerade Letztere Anfang Dezember zum Weltaidstag an die Situation von Betroffenen der Immunschwächekrankheit erinnern und mit Veröffentlichung von Zahlen der Aids-Toten weltweit mahnen. Aber aus der Zeit der achtziger und neunziger Jahre, als Aids hierzulande noch als "Todesurteil" galt und viele Schwerstkranke sich einen selbstbestimmten und würdevollen Tod gewünscht hätten, scheint wenig Substanzielles übriggeblieben. Gott und Aufklärung und medizinischem Fortschritt sei gedankt. Aber so fand sich niemand, der die Erfahrungen aus jener Zeit in die heutige Debatte um Sterbebegleitung eingebracht hätte.

Die der Debatte um den assistierten Suizid vorangegangene Verabschiedung des Palliativ- und Hospizgesetzes zur besseren Betreuung Sterbender wäre ebenfalls ein guter Anlass gewesen, innerhalb der Community - begleitend zur allgemeinen Debatte - über die Situation von Schwulen und Lesben hinsichtlich Alter, Krankheit, Tod nachzudenken. Aber hier scheint sich das romantische Bild der glücklichen Regenbogenfamilie im Verbund mit dem Selbstbild männlicher Unverwundbarkeit mittlerweile so verselbstständigt zu haben, dass nichts die heile Welt trüben soll.

Das idyllische Bild überlagert die Tatsache, dass die meisten Homosexuellen nach wie vor nicht in klassischen Familienstrukturen leben. Weil wir uns alle wünschen, schmerzlos, im Kreis der Familie, der Freundinnen und Freunde zu sterben, spricht man nicht gern darüber, dass die Mehrheit von uns allein im Krankenhaus den letzten Weg antreten wird. Für mich ist das einer der großen Widersprüche: Einerseits preisen wir auf CSD-Paraden gern die Solidarität, andererseits soll aber dann doch jede und jeder doch wieder selbst sehen, wie sie und er zurechtkommt. Ganz besonders, wenn es um vermeintlich "heikle" Themen wie Tod geht. Da wird es sehr still - und gerade hier sollte viel gesprochen, vor allem: miteinander gesprochen werden.

Viele Homosexuelle sind auf Alters- und Pflegeheime angewiesen, wo sie noch immer ihre Homosexualität, also mithin ihr gelebtes Leben, wieder verschweigen (müssen). Viele Altersheime haben christliche Träger. Auch wenn sich auf diesem Gebiet bereits viel verbessert: Es ist einfach wichtig, dass Pflegerinnen und Pfleger die spezielle Lebenssituation von Homosexuellen wahrnehmen und offen damit umgehen können.

Die Debatte um ein würdevolles Altern und Sterben sollte auch in der homosexuellen Community geführt werden. Soziale Netzwerke spielen für uns eine wichtige Rolle. Wie tragen sie in Zeiten der Not und des Abschieds? Denn auch wenn der Tod sich nicht um die sexuelle Orientierung des Sterbenden kümmert, sollten wir uns um den Sterbenden, um das Wie des Sterbens kümmern. Wer wenn nicht homosexuelle Christinnen und Christen wären gefordert, hierbei aufgrund ihrer Spiritualität und ihres Glaubens eine wichtige Stimme zu sein.