Für viele schwule, lesbische oder transgender Flüchtlinge stellt die Ankunft in Deutschland nicht automatisch das Ende von Verfolgung und Diskriminierung dar. Nicht selten waren sie in ihren Heimatländern zum Verheimlichen ihrer sexuellen Orientierung gezwungen, um Diskriminierung und/oder strafrechtlicher Verfolgung zu entgehen. Während über ihre Asylanträge entschieden wird, müssen sie sich wie alle Flüchtlinge in den Aufnahmelagern aufhalten - und sind nicht selten weiter zum Schweigen gezwungen.
So berichtete in der Magdeburger "Volksstimme" Mathias Fangohr vom Vorstand des Vereins CSD Magdeburg über den Fall eines schwulen Flüchtlings in einer Magdeburger Unterkunft. "Der Mann outet sich natürlich nicht gegenüber Mitbewohnern. Er hat aber große Angst davor, dass die anderen etwas mitbekommen." Der Wunsch, dem Betroffenen möglich schnell eine Wohnung zu vermitteln, scheint angesichts der sprunghaft angestiegenen Zahl von Flüchtlingen, die Wohnraum suchen, schon fast utopisch.
Die "B.Z." schilderte unlängst den Fall der 25-jährigen, transsexuellen Maggy, die aus dem Libanon geflohen ist und sich im Berliner Flüchtlingsheim erneut mit Repressionen konfrontiert sieht. Die Sozialpädagogin Jouanna Hassoun, die mehrere schwule, lesbische und transgender Flüchtlinge betreut, berichtet von Beleidigungen, Schlägen und sexuellen Übergriffen.
Jouanna Hassoun hat im Rahmen von MILES - Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule - des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg unlängst eine Sommer-Akademie für queere Flüchtlinge initiiert. Im geschützten Rahmen können die Teilnehmenden Deutschkenntnisse erlernen, Kontakte knüpfen und mehr über Einrichtungen der schwul-lesbischen Community erfahren. Das Projekt wurde neben Spenden aus der Szene auch mit einem Teil der während eines CSD-Gottesdienstes gesammelten Kollekte finanziert.
Die Schwulenberatung Berlin bietet zweimal die Woche Termine an, zu denen Rat suchende Flüchtlinge einfach - ohne Voranmeldung - vorbeikommen können. Zudem fordert man dort vom Berliner Senat die Einrichtung von etwa 200 Plätzen (in Form von Wohngruppen) speziell für queere Flüchtlinge. Ihre Zahl wurde von Geschäftsführer Marcel de Groot im Mai auf etwa 1.000 bis Jahresende geschätzt. "Aber nur ein Teil von ihnen wird sich tatsächlich outen und eine entsprechende Unterkunft in Anspruch nehmen wollen. Wir werden und wollen natürlich niemanden zu einem Outing drängen, doch wir fühlen uns in der Verantwortung, ein entsprechendes Angebot für diejenigen bereitzustellen, die offen schwul, trans*, bi oder lesbisch leben."
Beim CSD-Verein Magdeburg macht man sich für das Verteilen von mehrsprachigen Handzetteln mit Angaben, an wen sich Betroffene wenden können, stark. Allerdings müsse der Kontakt diskret erfolgen, heißt es im oben genannten Artikel der "Volksstimme": "Wir haben erlebt, dass sich arabischsprachige Übersetzer weigern, das Wort schwul auszusprechen, weil sie es für schmutzig erachten." Hier deutet sich an, dass Hilfe für queere Flüchtlinge nicht allein Einzelfallhilfe meinen kann. Aufklärung, Information und das Werben für ein gleichberechtigtes Miteinander in allen Teilen der Gesellschaft sind notwendiger denn je.