Mit einer Übung zur Reflexion des eigenen Geschlechts begann die Fachtagung zu Theologie und Trans* (Trans/Formationen. Geschlecht aus queer_theologischer Perspektive) am Freitag, 24.04.15, an der Universität Wien. Eine bunt gemischte Gruppe von Teilnehmer_innen, darunter Pfarrer_innen, (Theologie-)Studierende, Lehrer_innen und andere Interessierte, stellten sich Fragen wie: „Welches Verhalten und Handeln wurde von Ihnen in Bezug auf Ihre Geschlechtlichkeit erwartet? – Denken Sie an ein konkretes Ereignis.“ oder „Wie schaut für Sie ein typischer Mann, eine typische Frau aus? Wie verhält sie oder er sich?“.
Daran anknüpfend erhellte der Vortrag von Persson Perry Baumgartinger das Thema Trans* auf verschiedenen fachlichen wie lebensweltlichen Ebenen. Ein Exkurs in die Begrifflichkeiten rund um Trans* machte klar, dass die Begriffe Transsexualität/Transsexuelle_r eher die medizinische Sicht und damit oft die pathologisierende zu sehr herausstellen, weshalb viele Transmenschen eher die Begriffe Transgender oder Trans* als Selbstbezeichnungen bevorzugen. Neben Transfrauen und Transmännern gibt es auch Transpersonen, die sich als In-Betweens sehen und nicht das Bedürfnis haben, sich dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht (fix) zuzuordnen (s. auch mein Blogbeitrag vom 23.04.15).
„Wie könnte ich denn eine Einladung verfassen, wenn ich möchte, dass sich Transmenschen in meiner Gemeinde explizit angesprochen fühlen?“, fragte eine anwesende Pfarrerin. Neben der Auswahl der allgemeineren Bezeichnung Trans* oder der Aufzählung verschiedener Transidentitäten, hilft es gleichwohl, nicht immer das Geschlecht der Menschen in den Vordergrund zu stellen. Bei „sehr geehrte Damen und Herren“ fühlen sich manche Menschen nicht angesprochen, ja: ausgegrenzt. In Anschreiben ist „Sehr geehrte Frau...“ oder „Lieber Herr...“ nicht immer unbedingt freundlich und aufmerksam. Wenn auch noch relativ unbekannt und für viele ungewöhnlich ist die Option, das x oder Sternchen für neutrale Personalendungen zu verwenden: Liebx oder Lieb*. Menschen, die sich nicht in das übliche Zweigeschlechterschema ordnen lassen (wollen), gibt es überall – auch in Kirchengemeinden. Neben Transmenschen kann das auch inter(sexuelle)* Menschen betreffen.
Der zweite Teil des Fachtags wurde maßgeblich von Pastor Ines-Paul Baumann gestaltet. Es ging dabei um Transformationen innerhalb von Christentum und Bibel, beispielsweise die Transformationen der „Gültigkeit von Gottesworten in unterschiedlichen Situationen“. Hiobs Freunde, die als schriftfromm gelten, aber nicht diejenigen sind, auf deren Seite sich Gott am Ende stellt, oder das Beispiel des „Die Frau schweige in der Gemeinde.“ im Ersten Korintherbrief zeigen, dass „Gotteswillen“ kulturell verformt ist und als „Gottes ewig gültiges Wort“ nicht verengt werden kann.
Eine Kleingruppenarbeit zum „Verqueeren“ von biblischen und liturgischen Texten brachte einige spannende Ergebnisse: So gab es in der Gruppe, die sich mit dem „Vater Unser“ beschäftigt hatte, den Vorschlag, die eindimensionalen, oft problematischen Geschlechterbilder im Gebet durch Visuals im liturgischen Raum zu durchbrechen, um alternative und vielfältigere Konnotationen zu ermöglichen.
Den dritten und letzten Teil des Fachtags bildete das moderierte Filmscreening. Der Film Thy Will Be Done: A Transsexual Woman's Journey Through Family and Faith (Regie: Alice Dungan Bouvrie) dokumentiert den Kampf der in den USA lebenden Transfrau Sara um die Anerkennung als Pastorin sowie ihr Ringen mit ihrem Glauben und ihrer (presbyterianischen) Kirche und den Erfahrungen, die sie aufgrund ihrer Transition mit ihrer Familie gemacht hat.
Der Film half mit seiner sehr persönlichen Note vielen Tagungsteilnehmer_innen das Thema Trans* und Religion zu veranschaulichen. Die Verflechtung von Glaubensfragen, Amtsfragen, Liturgie und Trans*-Lebenswelten wurde hier klar. Einmal mehr wurde in der Filmbesprechung die Kritik geübt, dass die (mediale) Darstellung von Transsexualität/Transgender oft zu Lasten der Transmenschen geht: Das Leiden steht im Vordergrund, hier zudem besonders das der Angehörigen, anstatt der Protagonistin in ihrer Selbstbestimmung (mehr) Raum und Bühne zu geben.
Die Tagung hat Eindruck hinterlassen. Bei mir als Veranstalterin, weil ich sehr zufrieden mit der Auswahl derer war, die vorgetragen haben. Weil ich begeistert von der enthusiastischen und empathischen Bereitschaft der Teilnehmer_innen war, unkonventionelle kirchliche wie theologische Pfade zu gehen. Weil über ein scheinbar so spezielles Thema ganz unterschiedliche Menschen zusammengefunden haben, die es gewagt haben, theologische wie geschlechtertheoretische Denkweisen zu vertiefen, die es ermöglichen, Geschlecht – und damit Mensch – mehrdimensionaler zu verstehen als nur im binären System.
Selbst die Kloschilder, die für diesen Tag die sonstigen zweigegenderten Toiletten zu Unisex-Klos machten, brachten den* ein* oder die* andere* Unimitarbeiter_in oder Student_in zum Nachdenken – auch ohne der Tagung beigewohnt zu haben.