Der Leib Christi als Metapher ist ein zentraler Begriff im Christentum. Er bezeichnet nicht nur den Körper des gekreuzigten Jesus, der immer mit dem auferstandenen Christusleib zusammengedacht wird, sondern auch den in der Liturgik bei Eucharistie und Abendmahl – je nach Konfession – real oder symbolisch anwesenden Leib Christi. Nicht zuletzt wird in den Paulusbriefen die Nachfolge Jesu, das, was uns jeweils heute Kirche ist, mit der Leib-Christi-Metaphorik beschrieben.
Die knapp dreitägige internationale Fachtagung „Leib Christi – eine geschlechtertheologische Relecture“ am Institut für Katholische Theologie der Universität Köln, die heute Mittag zu Ende ging, beleuchtete die Leib-Christi-Metaphorik aus einer gendertheologischen Perspektive.
Ich bin zu dieser Tagung gereist – weshalb ich auch erst heute am Freitag, anstatt wie sonst donnerstags für euch blogge. Für mich als Teilnehmerin dieser Tagung bedeutete dies einen spannenden Ausflug in katholisch-theologische Problemstellungen, die trotz der Verschiedenheit durchaus auch auf die evangelische Theologie und Kirche übertragbar sind.
Paradoxer- wie gleichwohl naheliegenderweise wurden Klassiker der katholischen systematischen Theologie des 20. und 21. Jahrhunderts mit Rückgriff auf sog. Kirchenväter wie Thomas von Aquin kritisch analysiert. Saskia Wendel, katholisch-theologische Professorin an der Universität zu Köln und Mitveranstalterin der Tagung, verwies gleich zu Anfang darauf, dass das Problem, das innerhalb ihres DFG-Forschungsprojektes verhandelt wird, „zugespitzt ein katholisches“ sei.
Die dogmatischen Lehren von Karl Rahner, Hans Urs von Balthasar und Joseph Ratzinger haben sich unverkennbar in das Denken in der katholischen Theologie und die gelebte Religion des Katholizismus im 20. Jahrhundert – und bis heute – eingeschrieben. Innerhalb der vorwiegend impliziten Leib-Christi-Theologien dieser drei europäischen Autoren sowie des in El Salvador lebenden Befreiungstheologen Jon Sobrino wurden Geschlechter- und Hierarchiekonstruktionen aufgedeckt. Die Referentin Tina Beattie aus London, die leider nicht ‚leiblich‘ anwesend sein konnte, entlarvte das Theodrama von Hans Urs von Balthasar als Geschlechterparodie, während Aurica Nutt, Referentin und Mitveranstalterin der Tagung, wagte, von einer „Entdramatisierung von Geschlecht“ bei Karl Rahner zu sprechen.
Ist der Leib Christi als männlicher* oder als menschlicher Leib gedeutet worden? Und wenn bei den jeweiligen Autoren vom Menschen die Sprache war, war es dann nicht doch nur der Mann, der damit gemeint war? Und die „göttliche Natur“ des Christus – ist die frei von Geschlechterdiskursen? Und überhaupt – über den Naturbegriff wurde viel diskutiert, ist er schließlich nicht nur geschlechtertheologisch problematisch…
Die Frage, um die es sich immer wieder drehte, war, ob und wenn ja wie der Leib Christi gegendert ist. In welchen Darstellungen wird er als unverkennbar ‚männlich‘ gelesen, in welchen Bildern steckt eine geschlechterunabhängige Symbolik? Björn Krondorfer aus Arizona hat in seinem Vortrag „Genderless or Hyper-Gendered? Reading the ‚Body of Christ‘ from a Critical Men’s Studies Perspective“ mit Bezug auf Mel Gibsons ‚Die Passion Christi‘ den zerschundenen und leidenden Christusleib als eine Form des Körperausdrucks entdeckt, die besonders Männer*, denen in unserer Gesellschaft das Leiden und „Schwach“sein zumeist untersagt ist, anzieht.
Graham Ward von der Universität Oxford machte Queering at it‘s best, indem er uns vor Augen führte, wie neben den Queer Studies sich eine weitere Methode zur Dekonstruktion von Natur anbietet, die Naturwissenschaften selbst, die Biologie beispielsweise, wo sehr viel mit fluiden Begriffen wie ‚plasticity‘ und ‚emergence‘ hantiert wird anstatt mit essentialistischen Festschreibungen, um dann gleich noch mit der Überlegung zu ernüchtern, dass sich die Queer Theory nicht unbedingt eigne, die „Natur Christi“ (menschlich/göttlich) zu dekonstruieren. Schließlich handle es sich hier um eine Komplexität, die auch mystische Dimensionen beinhalte.
Weitere spannende Beiträge gab es von Gerard Loughlin von der Durham University, Ludger Weckel aus Borkum und Roman Siebenrock aus Innsbruck sowie einigen Jungwissenschaftler_innen, deren Inhalte sicher auch hier da in meinen Blogeinträgen noch eingebracht werden…
Die Leib-Christi-Metaphorik birgt nicht nur für die römisch-katholische Kirche ein starkes Potenzial. Wirkmächtige Bilder und ‚Theorien‘ von Geschlecht, die es gilt, als überholt herauszustellen, gibt es auch in der evangelischen Theologie, gerade auch von namhaften evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts geprägt, wie z. B. Karl Barth. Den Körper bzw. Leib in den Mittelpunkt von Christologie oder Theologie zu stellen, bedeutet, den Fragen um Geschlecht, Sexualität und Lebensform nicht mehr aus dem Weg gehen zu können. Das kann für kirchliche Diskussionen nicht schaden – egal ob katholisch oder evangelisch!