Werden wir überflüssig?
Gestern Morgen erreichte mich folgende Mail: „Lieber Nulf, wir, mein Verlobter und ich, möchten gerne im nächsten Jahr heiraten. Allerdings planen wir eine Freie Trauung. Und ich wollte fragen, ob Du das auch machst oder mir ggf. einen Kollegen nennen kannst, den ich ansprechen kann.“
Ich antwortete ihr: „Liebe J. was bedeutet „freie Trauung“. Eine Trauung im Freien? oder eine Trauung ohne kirchl. Anbindung? Ich bräuchte ein bisschen mehr Informationen.“
Als Antwort erhielt ich einen Link, der mich dann doch sehr überraschte. Da las ich unter anderem:
"Die „freie Trauung“ oder „freie Hochzeit“ ist eine frei gestaltete Trauungszeremonie, die von freien Theologen, Hochzeitsrednern, freien Rednern oder Ritualbegleitern durchgeführt werden und deren Ablauf Sie selber, und dadurch sehr individuell, gestalten können. Bei einer freien Trauung darf gelacht und applaudiert werden. Sie sind an keine religiösen oder staatlichen Vorgaben gebunden. Der Ablauf ist nicht von Religionen, Konfessionen oder der Amtskirche vorgegeben und doch kann sie einem traditionellen christlichen Gottesdienst gleichen oder eine überkonfessionelle säkuläre Trauungszeremonie sein. Auch den Ort wo Ihre freie Trauung statt findet können Sie frei wählen.
Ob es eine weltliche oder spirituelle Trauung werden soll, bei der Planung Ihrer Trauzeremonie steht Ihnen Ihr Zeremonienleiter gerne zur Seite und berät Sie in persönlichen Gesprächen, über mögliche Inhalte, Rituale, den Ablauf sowie über den Preis seiner Arbeit und die Kosten die für die Ausarbeitung und Durchführung entstehen. (Quelle, www.zeremonienleiter.de)
Und irgendwann stand da dann auch noch:
„Die sexuelle Ausrichtung oder das Geschlecht des Paares ist bei einer freien Trauung nicht von Bedeutung. Regeln oder Vorschriften, wie oder wer jemand zu sein hat, gibt es für die freie Trauung nicht. Eine freie Trauung ist für gleichgeschlechtliche Paare die sich eine Verpartnerung, Schwulenhochzeit, Lesbenhochzeit, Quedding oder Queer Wedding wünschen, die ideale Möglichkeit ihre Traumhochzeit wahr werden zu lassen.“
So weit ist es also gekommen, und fast kann man den Eindruck bekommen, dass Kirche nicht mehr gebraucht wird. Wen wunderts, - wenn immer noch Traugottdienste für gleichgeschlechtlichen Paare als „Segnung“ bezeichnet werden, - wenn landeskirchliche Synoden „Nein“ zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sagen. Wen wunderst es, dass andere Organisationen den Wunsch und das Bedürfnis vieler gleichgeschlechtlichen Paare nach Anerkennung, Segnung, Hochzeit erfüllen. Freie Trauungen boomen und lassen uns einsam zurück. Denn wenn Menschen mit den Augen der Liebe angeblickt werden, wenn man ihnen mit Respekt und Würde begegnet, wenn ihnen gesagt wird: "Ihr seid uns herzlich willkommen", dann werden sie sich mit großer Sicherheit von ihrer Kirchengemeinde abwenden. Können wir uns das leisten? Ist es das, was wir wollen?
Ich habe der jungen Frau folgende Antwort geschickt:
„Liebe J., Deinen Link zur freien Trauung fand ich sehr interessant. Vieles von dem, was da steht ist auch bei uns in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau möglich. Eine wichtige Bedingung ist aber: Einer von Euch beiden muss Mitglied in einer Kirchengemeinde sein. Mittlerweile ist sogar in Ausnahmefällen eine Trauung im Freien erlaubt, wobei ich die Kirche als Trauort bevorzuge.
Es ist Euer Gottesdienst, es ist Euer Fest. Welche Musik dabei für Euch wichtig ist, bleibt Euch überlassen. Wir können das alles genauestens bei einem Traugespräch besprechen. Ich bin für vieles offen - und natürlich darf in einem Traugottesdienst gelacht und geklatscht werden. Solange Ihr nicht von mir verlangt Euch in Badehose zu trauen, - der Talar gibt mir eine gewisse Geborgenheit -, gehe ich sehr gerne mit Euch auf Eurem Weg. Ich freue mich über eine Antwort und grüße herzlich aus Frieden und Versöhnung, Dein Nulf"