Die Frage der Woche, Folge 101: Apokalyptische Regenbogen-Einhörner?

Die Frage der Woche, Folge 101: Apokalyptische Regenbogen-Einhörner?
Nach der "Ehe für alle" kommt die Apokalypse auf einem schwulen Einhorn geritten. Glauben manche Leute jedenfalls. Kann man sie mit Argumenten überzeugen?

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

"Und ich sah, dass der Bundestag das letzte Siegel auftat, und ich hörte eine Stimme sagen: Komm! Und ich sah ein pinkes Einhorn. Und der, der darauf saß, hatte eine Sense, und ihm wurde eine Fahne in den Farben des Regenbogens gegeben, und er kam, um die Familien der Erde zu zerschlagen."

So ungefähr stellt sich der Beschluss der "Ehe für alle" am vergangenen Freitag für manche unserer Nutzerinnen und Nutzer dar, frei nach der Offenbarung des Johannes. Glauben Sie nicht? Dann hier mal eine kleine Auswahl aus den Kommentaren hier und von unserer Facebook-Seite zum Statement des Rates der EKD, der die "Ehe für alle" klar unterstützt (hier sind auch Kommentare dabei, die wir dort verborgen haben):

"Mit dem Statement sind meine Familie und ich endgültig raus, Sie werden 5 Mitglieder verlieren, sehr schade ab es war auch irgendwie abzusehen."

Ja glaubt ihr Kirchenfürsten, Staatsoberhäupter und Befürworter der Homoehe allen Ernstes das wenn ihr die "Homoehe für alle" offiziell absegenet, das dann Ruhe ist? Die Genderlobby wird sich immer neue Felder erschließen...

"Die derzeitige Politiesierung der evangelischen Kirche als Unterabteilung der Grünen führtt immer mehr weg vom ursprünglichen Glauben. Erneut überlege ich, ob ich nicht diese prinzipienlose evangelische Kirche verlassen soll."

"Da sieht man mal wie moralisch die evangelische Kirche runtergekommen ist! Einfach furchtbar wie die Ehe in den Dreck gezogen wird!"

"Gilt das dann auch zwischen Erwachsenen und Kindern , Väter und Töchter , Mütter und Söhnen ?"

"Ich habe dich auch satt also halt endlich die Fresse." (als Antwort auf eine nicht heterosexuelle Person)

"Blödsinn solche Gesellschaften aus Der Gesichichte vernichtet worden. Was den passiert kann uns auch passieren."

"das nächste wäre dann: Wann darf ich meinen Hund heiraten oder ne Katze.Ich muss ja keinem erzählen,was ich damit im Bett mache."

"Wie bitte? Liebe Kollegen kennt ihr eure Bibel nicht mehr? "... und Gott schuf den Menschen als Mann und als Frau!" Warum passt sich die Kirche den politischen Verirrungen an ?"

Im konservativeren evangelischen Spektrum geht es zum Thema "Ehe für alle" auch noch deutlich härter ab, wenn man auf deren Kommentare und Facebook-Seiten blickt. Es war schön zu sehen, dass sich eine Mehrheit unserer Nutzerinnen und Nutzer gegen diese Meinungen und für die "Ehe für alle" gestellt hat. Das freut mich.

Wir haben in unserer redaktionellen Berichterstattung dieser anderen Sichtweise nur sehr wenig Raum eingeräumt. Denn die Position der evangelisch.de-Redaktion ist eindeutig: Die "Ehe für alle" ist wünschenswert. Wenn sich zwei erwachsene Menschen entscheiden, füreinander Verantwortung zu übernehmen und ihre Liebe mit dem Bund der Ehe zu bekräftigen, dann unterstützen wir das. Denn Matthäus 22, 37-40 fordert uns unbedingt auf, diese Liebe zwischen den Menschen zu sehen, zu fördern und zu unterstützen. (Das sieht der Rat der EKD ähnlich.) Die Gegenmeinung gibt es in der Medienwelt an vielen anderen Stellen zu lesen. Unsere Haltung ist eindeutig, und entsprechend haben wir auch redaktionell kommentiert.

Nun gibt es in der evangelischen Kirche aber genug Menschen, sogar ganze Landeskirchen, die das in Sachen Ehe anders sehen. Das können wir auch nicht ignorieren.

Ich glaube aber, dass in dieser Frage der Austausch von Argumenten nicht mehr weit führt.

Denn die Meinungen in der Frage der "Ehe für alle", seit Jahrzehnten diskutiert, sind festgefahren. Das ist nachvollziehbar. Ich sehe das ja an mir selbst: Es gibt kein Argument, mit dem mir jemand plausibel erklären kann, warum Schwule und Lesben nicht heiraten dürften. Meine eigene Ehe wird dadurch nicht gefährdet, mein lutherischer Glaube sagt mir, es ist richtig, und mein Gesellschaftsverständnis sieht darin einen Fortschritt. Ich schaue mir die Argumente der Gegner an, verstehe sie, aber finde sie nicht stichhaltig.

So geht es wohl auch umgekehrt denjenigen, die den regenbogenfarbenen Sensenmann auf seinem schwulen Einhorn heranreiten sehen. Ich lese aus den Reaktionen heraus, dass sie eine Institution zusammenbrechen sehen, die sie für unveränderlich hielten. Dass sie nicht verstehen, warum eine Verbindung Segen und Rechtfertigung bekommt, die sie als Heteros selbst nie eingehen würden. Dass sie nur Vater und Mutter eine richtige Erziehung zutrauen. Dass sie einen Damm gegen eine unbeschränkte Toleranz brechen sehen, die irgendwann zur islamistischen Scharia führe, oder zum Sex mit Tieren, oder zur Polygamie. Dass die Bibel ignoriert würde (wird sie nicht). Dass sie wollen, dass die Gesellschaft bleibt, wie sie schon immer war.

Aber Gesellschaft war nicht schon immer so. Wie wir zusammenleben, verändert sich ständig. Gesellschaft ist immer im Fluss. Wie weit und wie schnell das gehen soll, darüber hat jede*r andere Vorstellungen. Eine Mehrheit in Kirche, Gesellschaft und Parlament hat sich jetzt klar für weniger Hindernisse und mehr Gleichberechtigung entschieden. Einen apokalyptischen Reiter kann ich darin beim besten Willen nicht erkennen.

Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende, auch wenn Sie nicht einverstanden sind!


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Ich werfe an dieser Stelle mehr oder weniger regelmäßig einen Blick auf die vergangene Woche und beantworte außerdem Ihre Fragen zu evangelisch.de, so gut ich kann. Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Start ins Wochenende!