Die Frage der Woche, Folge 87: Was ist los in Wittenberg?

Die Frage der Woche, Folge 87: Was ist los in Wittenberg?
Das Reformationsjubiläumsjahr ist da - in Wittenberg noch mehr als anderswo.

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und  -Nutzer,

falls Sie es noch nicht gemerkt haben: Das Jahr des Reformationsjubiläums ist angebrochen.  Nirgendwo spürt und sieht man so sehr, dass Martin Luther vor 500 Jahren angeblich seine 95 Thesen angenagelt haben soll wie dort, wo der Legende nach der Reformator zu Hammer und Nagel gegriffen hat: In Wittenberg.

Die kleine Lutherstadt in Sachsen-Anhalt lebt und atmet in diesen Tagen Luther. Ein renovierter Hauptbahnhof begrüßt Besucher mit den Lutherstadt-Schildern. Am Durchgang zur "City", wie es selbst in Wittenberg am Bahnhof auf den Schildern steht, wirbt ein Lutherhotel. Nur 1517 Schritte noch, verspricht das Plakat, dann hat der wohlwollende Gast die Herberge erreicht.

Über frisch gepflasterte Wege geht es in Richtung Marktplatz, vorbei an den ersten zwei Toren der Weltausstellung der Reformation. (Beziehungsweise an den hölzernen Platzhaltern, die daran erinnern, dass hier noch gebaut werden muss.) Auf dem Weg zum Marktplatz blickt aus jedem Schaufenster der eine oder andere Lutherkopf. Gemalt, gedruckt, auf Büchern, auf Bildern, als Statue und in allen anderen erdenklichen Formen. Wer zur richtigen Zeit kommt, begegnet den Stadtführerinnen und Stadtführern in mittelalterlicher Gewandung, die halben Schulklassen im Schlepptau von 1517 erzählen, als in Wittenberg richtig was los war. Fast so wie dieses Jahr.

Auf dem Marktplatz vor dem Rathaus, in Sichtweite der Türme von Schlosskirche und Stadtkirche, steht die große silberrote Weltkugel des Reformationsjubiläums. Zwei Denkmäler von Luther und Melanchthon stehen als stumme Zeugen unter ihren Dächern und beobachten das Treiben.  Beide sind mit außerdem mit Grabplatten in der Schlosskirche verewigt, Luther hängt (natürlich) auch noch mal als Bildnis an der Wand und zieht genauso viele Menschen und Handy-Fotos an wie die prächtigen, vielfarbigen Glasfenster der Schlosskirche.

Nirgendwo in dieser Republik ist die Hoffnung, die mit dem Reformationsjubiläum 2017 verbunden ist, so greifbar wie in Wittenberg. Die Hoffnung, dass sich Menschen sowohl touristisch als auch spirituell dem Reformator zuwenden. Es ist eine Hoffnung, die ich teile – Luthers Vermächtnis ist wichtig, seine "Freiheit eines Christenmenschen" eine essentielle Schrift, wie auch heute noch der Protestantismus in seinem Wesen verstanden werden kann und sollte.  Luthers Worte und Schriften sind kein protestantisches  Dogma, sie müssen verstanden und interpretiert und manchmal auch abgelehnt werden (seine Kampfschrift gegen das Judentum allen voran).

In Wittenberg merkt man aber, dass die Reformatoren rund um den Thesenanschläger nicht nur ein theologisches und intellektuelles Vermächtnis hinterlassen haben. Sondern auch ein emotionales. Über Luther kann man staunen. Dass sich eine kleine Stadt wie Wittenberg mit ihrem Reformator so unübersehbar schmückt, überrascht da nicht.

Wer sich auf das Erlebnis "Luther heute" einlassen will, der sollte 2017 (oder kurz danach) wirklich mal nach Wittenberg fahren. Die Menschen dort reden sogar bei Kaffee und Kuchen im gemütlichen Kaffee in der neu gestrichenen Innenstadt über Luther. Selbst während das niederländische Königspaar in Wittenberg zu Besuch ist, parlieren sie darüber, was Kirche heute noch bedeutet und wofür sie da ist. Genau solche Gedanken soll dieses Jahr 2017 fördern, herauskitzeln, laut aussprechen und erweitern. Wenn es dafür einen Überfluss an Luther-Gesichtern braucht, die den Besucher aus jedem Fenster anschauen, dann immer zu. Nehmen wir uns ein Beispiel an Wittenberg.

Und übrigens: Wer schon mal anfangen will, über Luthers Leben zu staunen, merke sich den 22. Februar vor: Dann läuft "Katharina Luther" im Ersten im Fernsehen und zeigt den Reformator aus einer immer noch frischen Perspektive, nämlich der seiner Frau.

Ich wünsche euch und ihnen ein gesegnetes Wochenende!


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