Wofür ist Kirche eigentlich da? Die Frage beschäftigt mich besonders seit der "Projektion 2060". Eines ist sie aber nicht: eine Software-Firma. Eine Kirche, die mehr Programmierer*innen als Pfarrpersonen hätte, wäre eine andere Kirche. Auf der anderen Seite ist eine Kirche ohne technische Kompetenz in der vernetzten Welt aufgeschmissen. Wie komme ich auf das Thema? Das Erzbistum Berlin hat sich entschieden, mit ChurchDesk zusammenzuarbeiten, um seine Pfarreien zu entlasten. Eine gemeinsame Software einzusetzen ist sinnvoll: Es standardisiert Abläufe, gibt den Pfarreien neue Möglichkeiten, und eine dezidierte Software-Firma wie ChurchDesk hält die Programme und Funktionalitäten immer aktuell.
Die richtige Balance zwischen selbst programmieren, anpassen oder Software von der Stange zu finden ist allerdings nicht immer einfach. Es gibt viele Funktionalitäten, die wir einfach übernehmen können - und Kirche ist dabei nicht so speziell, wie sie glaubt. Niemand würde auf die Idee kommen, ein Schreibprogramm für Texte oder ein Bildbearbeitungsprogramm für Fotos selbst zu programmieren. Videokonferenzen, Verwaltungssoftware für Gemeinden und Landeskirchen, Budget- und Dienstplanung kann man besser per Open Source lösen oder extern einkaufen.
Open Source Content-Management-Systeme wie Wordpress, Typo3 oder Drupal stehen uns zur Verfügung, aber sie müssen aufgesetzt, angepasst und gepflegt werden. Dafür braucht eine riesige Organisation wie die evangelische Kirche die richtigen Kapazitäten. Dazu gehört auch, genug eigene Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um Probleme schnell zu lösen. Wenn etwas nicht funktioniert, hilft es, den ersten Support selbst im Haus zu haben.
Software ist kein Schreibtisch
Nicht jede Kirchengemeinde muss ihren eigenen IT-Spezialisten haben. Sie braucht Menschen, die Lust und Fähigkeit mitbringen, die eigene Webseite und die Social-Media-Kanäle aktuell und lebendig zu halten. Aber sie braucht keine Programmierer (wenn wir nicht gerade über ein Experimentierfeld für codefreudige Konfirmanden reden).
Für die meisten Aufgaben - besonders in Verwaltungsdingen - sind wir mit den Lösungen, die es auf dem Softwaremarkt gibt, besser bedient als etwas eigenes zu entwickeln. Denn man kann zwar eine eigene Lösung bauen, aber die Wartung, Pflege, Updates und Schnittstellen brauchen Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr neuen Einsatz, alles aktuell zu halten. Software funktioniert nicht wie ein Schreibtisch, den man einmal kauft und so lange benutzt, bis er auseinanderfällt oder zu klein geworden ist.
Meiner Erfahrung nach unterschätzen Kirchenmenschen oft, wie oft und dass überhaupt Software ständig aktualisiert, verändert und angepasst werden muss, allein weil sich die Umgebung ändert. Jedes Browser-Update, jede neue Android-Version, jedes neue iPhone sorgt dafür, dass alle mögliche Software ein Update braucht. Ganz zu schweigen von neuen Funktionalitäten, die sich aus der täglichen Arbeit ergeben.
Allerdings gibt es da eine Lektion, die wir lernen können: Es ist sinnvoll, Abläufe zu standardisieren und dafür manchmal das menschliche Handeln an die Software anzupassen statt andersrum. Ja, das führt dazu, dass wir gelegentlich Dinge nicht mehr so machen, wie wir sie immer schon gemacht haben. Wenn sie dafür schneller und einfacher sind für die Menschen, die das brauchen, lohnt sich das.
Vielen Dank für's Lesen und Mitdenken!
Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.
P.S.: Leser*innen haben mich darauf hingewiesen, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs so - nehmt es als Präparat!