Zurück ins alte Rom

Zurück ins alte Rom
Sind allzu viele Journalisten skrupellose Emotionsmechaniker? Leiden andere unter „Angstschweiß“ oder „obskuren Selbstzweifeln“? Außerdem: Die Polizei ist für alles Mögliche eine gute Quelle, nicht aber für kritische Details ihrer eigenen Arbeit; der 70. Geburtstag des Spiegel aus verschiedenen Perspektiven; die Gründe, warum das deutsche Kinderfernsehen „in der Öffentlichkeit überhaupt keine Rolle mehr spielt“.

Muss man sich eigentlich Sorgen machen um den Bildblog?

„Bei Bild und Bild.de haben sie offenbar endgültig das Interesse an sachlichen Debatten verloren“,

steht da als Vorspann eines aktuellen Artikels, und das impliziert ja, dass es dort jemals zumindest einen Anflug eines „Interesses“ an „sachlichen Debatten“ gegeben habe. Konkret geht es um die Pöbeleien gegen die grüne Bundesvorsitzende Simone Peter:

„Mit ihrer Titelzeile in der heutigen Ausgabe trägt die Redaktion stattdessen dazu bei, dass eine Beleidigungskultur salonfähig wird, vor der viele nach der Präsidentschaftswahl in den USA im vergangenen Jahr gewarnt haben.“

Ich würde ja eher sagen, dass angesichts der Verheerungen, die die Bild-Zeitung über Jahrzehnte in der bundesdeutschen Gesellschaft angerichtet hat, Beleidigungskulturimporte beinahe zu vernachlässigen sind. Wie auch immer: Via Peter sind wir dann mal mittendrin in der sog. Nafri-Debatte (siehe Altpapier von Dienstag). Den Stand der Dinge fasst Stefan Niggemeier für Übermedien so zusammen:

„Über den Einsatz der Polizei am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht kann man streiten.

Halt, das ist schon falsch. Über den Einsatz der Polizei am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht kann man nicht streiten. Die Polizei hat hervorragende Arbeit geleistet. Ihr ist zu danken. Kritische Nachfragen und Debatten sind sofort einzustellen.

Diesen Eindruck vermittelt ein nennenswerter Teil derjenigen, die die Polizeitaktik für richtig halten. Sie widersprechen den Kritikern nicht einfach, sondern verurteilen den Dissens und die Diskussion als solche.“ 

Gegen diese hier zusammengefasste Haltung argumentiert neben Niggemeier zum Beispiel Christoph Herwartz, der für n-tv.de über die Silvesternacht in Köln berichtet hatte. In einem Facebook-Beitrag gibt er nun seiner Irritation darüber Ausdruck, was danach so alles geschrieben wurde:

„Diejenigen, die jetzt die Polizei mit Lob überschütten, gehen (davon) aus (…), dass (diese) nur solche Menschen festsetzte, die sich auffällig verhielten. So stellt es die Polizei selbst dar – eine Behörde, die unter enormem Druck steht und für alles Mögliche eine gute Quelle ist, nicht aber für kritische Details ihrer eigenen Arbeit. Schon gar nicht, wenn ihre Statements so schwammig ausfallen wie derzeit zu diesem Thema. Ich weiß, dass es anders war und es gibt weitere Journalisten, die es so beobachtet haben wie ich. Sebastian Weiermann vom Neuen Deutschland und Sebastian Dalkowski von der Rheinischen Post zum Beispiel. Anstatt herauszufinden, wie die Anweisungen an die Polizisten lauteten, werden die wenigen beleidigt, die zaghafte Zweifel an der Korrektheit des Polizeieinsatzes äußern.“

Ausgehend von Herwartzs Text lässt sich fragen: Warum halten Journalisten, die nicht vor Ort waren, die Darstellungen von Journalisten, die vor Ort waren, für weniger glaubwürdig als die der Polizei, zumal „das Problem ist, dass wir bislang nicht viel über die konkreten Erkenntnisse der Polizei wissen“ (Polizeiwissenschaftler Rafael Behr im Spiegel-Online-Interview)? Wie kommt es, dass plötzlich die Mehrheit der sich zum Thema äußernden Presseausweisinhaber quasi dekretiert, die Polizei habe „alles richtig gemacht“ (die von Niggemeier zitierte Bild-Zeitung wörtlich, andere sinngemäß), obwohl die Polizei vor einem Jahr nach Meinung ungefähr aller ungefähr alles falsch gemacht hat? 

Am Rande: „Alles richtig gemacht“ hat ohnehin allenfalls ein Trainer, der einen Spieler eingewechselt hat, der dann das entscheidende Tor schießt. Die floskelhafte Verwendung dieser Formulierung im Fußball-Kontext nervt dort schon ungemein. Jenseits dessen wirkt sie erst recht albern. Keine Institution im weiteren Sinne macht alles richtig, weder die Kölner Polizei noch das Altpapier. 

Herwartz schreibt weiter:

„Ich ärgere mich darüber, dass die Polizei sich nun wegduckt und so tut, als gäbe es kein Racial Profiling. Glauben die, dass wir nur weiße Freunde haben und uns noch nie jemand erzählt hat, wie oft er als Schwarzer oder Araber anlasslos kontrolliert wird?“

Vor allem glaubt die Polizei, dass die meisten Journalisten weiß sind. Womit sie richtig liegt - und womit wir bei einem grundsätzlichen Problem sind:

„Diejenigen, die in jedem Fall von solchen Polizeieinsätzen unbehelligt bleiben, sehen zumeist auch kein Problem. Doch gerade in multiethnischen Metropolen wie Köln, Hamburg, München oder Berlin kann die Hautfarbe nicht Anlass für Kontrollen sein – und sonst auch nirgendwo“.

schreibt „Tagesschau“-Redakteur Patrick Gensing in seinem eigenen Blog, verbunden mit einem Seitenhieb auf den aus der Rolle gefallenen Heribert Prantl, der seiner „linksliberalen“ Leserschaft „reine Repressionsmaßnahmen tatsächlich noch als Prävention verkaufen“ wolle. Man könnte auch von "einer ziemlich weißen Blase" sprechen, "in der sehr viele Journalisten in Deutschland leben" (Daniel Bax/taz).

Eine Journalistin, die nicht weiß ist, schreibt für correctiv.org über ihre alltäglichen Erfahrungen mit Racial Profiling in Berlin. Innerhalb von neun Monaten sei sie 23-mal von der Berliner Polizei kontrolliert worden, berichtet Sandhya Kambhampati:

„(Ich) bin ich es leid, nach meinen Papieren gefragt zu werden. Nach meiner Herkunft und was ich denn hier mache. Ich ärgere mich über den Polizeibeamten, der mich herauspickt und mich nach meinem Pass fragt, während ich mit einer Gruppe weißer Freunde herumstehe. Ich ärgere mich darüber, dass ich aus der Ruhe eines Spaziergangs am Sonntagmorgen gerissen werde, weil ein Polizist glaubt, meine Identität überprüfen zu müssen (…) Wenn ich den Polizeibeamten dann meinen Pass zeige, scheinen sie stets überrascht, dass ich aus den USA stamme. Und nicht aus Indien, dem Land meiner Eltern. Ich finde das beleidigend. Wie kommt es, dass die Polizisten in einer europäischen Metropole solche provinziellen Stereotype mit sich herumtragen?“

Von einer ähnliche Provinzialität geprägt sind die „Kurzschlüsse“ verschiedener Journalisten, die der schon erwähnte Stefan Niggemeier aufgreift (Margarete Stokowski tut bei Spiegel Online Ähnliches). Ersterer schreibt:

„Wenn man die Kommentare liest über Simone Peter, die es gewagt hat, eine kritische Frage zu stellen, entdeckt man zwischen dem ganzen Wutschaum auch Angstschweiß. Sie scheinen sich jetzt alle überbieten zu wollen an Drastik und Nichtdifferenzierung, damit ihnen bloß kein Pegida-Spaziergänger mehr vorwerfen kann, irgendetwas verschweigen oder vertuschen zu wollen.“ 

Ich bin, was die unter Angstschweiß Leidenden angeht, gespalten. Einerseits neige ich dazu, es tragisch zu finden, dass kein „Pegida-Spaziergänger“ es jenen Journalisten, die nun, sei es aus Angst oder anderen Gründen, Anstand und Verstand über Bord werfen, dieses jemals danken wird. Andererseits: Wer mit dem Mob kuscheln will, soll es halt tun. Klare Fronten sind ja auch nicht verkehrt.

Driften wir kurz in die Wissenschaft ab. Anatol Stefanowitsch (Sprachlog) geht das Thema Nafris sprachwissenschaftlich an, und das ist tendenziell ja hilfreich für uns, die im Was-mit-Sprache-Geschäft beschäftigt sind:

„Die Kölner Polizei hat mit dem Begriff Nafri nun nicht nur ein Wort geschaffen, sondern auch die damit bezeichnete Kategorie: Sie fasst Menschen aus sieben sehr unterschiedlichen Ländern (von denen zwei, der Libanon und Syrien, tatsächlich gar nicht in Nordafrika liegen), zu einer Gruppe zusammen. Schon hier liegt das erste Problem (…) Der Begriff ist nicht deshalb problematisch, weil die Kölner Polizei (vermutlich korrekt) erkannt hat, dass bestimmte Gruppen von Menschen aus bestimmten Ländern ihnen besonders oft Probleme bereiten, sondern, weil die sehr breite Kategorie Nafri dazu führt, dass nicht nur etwa alle Tunesier unter einen Generalverdacht für die Taten einer bestimmten Gruppe von Tunesiern gestellt werden, sondern sogar etwa alle Syrer unter einen Generalverdacht für die Taten einer bestimmten Gruppe von Tunesiern gestellt werden (und umgekehrt).“

[+++] Ein Manifest bzw. großes Essay zur Lage des Journalismus zum Jahresbeginn? Kann man machen. Stefan Plöchinger, Mitglied der Chefredaktion der SZ, hat für das Medienmagazin journalist eines verfasst, und weil dieses derzeit, wie unter dem Artikel vermerkt ist, „kein volles Digitalangebot hat“, publiziert Plöchinger den laaangen Text in seinem Tumblr-Blog. Er enthält Passagen, deren Aktualität der Autor beim Schreiben nicht erahnen konnte:

„Um es einmal klar zu formulieren: Journalisten in Deutschland schulden es der Gesellschaft und der Geschichte, für Menschenwürde einzutreten — die in manchen Ecken des Netzes nicht mehr gewährt ist, weil dort Hetzer herrschen. Also müssen wir Journalisten gerade dort kämpfen für eine Gesellschaft, in der nicht Furchteinflößer und Volksverdummer stärker werden, sondern Aufklärer und Versachlicher.“

Die Artikel, die in Sachen Nafris erschienen sind, lassen nun befürchten, dass ein maßgeblicher Teil der hiesigen Journalisten nicht bereit ist, dafür zu "kämpfen", sondern eher für das Gegenteil. Hervorgehoben sei noch folgende Passage:

„In den vergangenen zwei, drei Jahren habe ich eine grundlegende Abneigung gegen Kollegen entwickelt, die ohne Rücksicht auf Demokratieverlust ihrerseits die Emotionsmechanik der sozialen Vernetzung ausnutzen. Von einzelnen Eiteljournalisten im linken wie rechten Spektrum bis zu hysterischen News-Marken großer Verlagshäuser ist zu oft eine wirtschaftliche Rationalität am Werk, die sich von steilen Thesen und auch den Provokationsspiralen der Populisten nährt. In den Neunzigern haben Medienethiker gern über Bild-Methoden und die Oberflächlichkeit des US-Fernsehens geforscht. Heute bekommen sie an vielen Stellen im Netz den Boulevard-Overkill nach US-Bauart geliefert. Da sind einige Kollegen so skrupellos-opportunistisch, dass sie gern mit dem Feuer der Zündelpopulisten spielen und auf billig ergaunerte Reichweite hoffen, koste es unsere Kultur, was es wolle.“

Den einen oder anderen Namen hätte man hier gern gelesen, aber da der journalist die Mitgliederzeitschrift des DJV ist und der Gewerkschaft möglicherweise auch einíge der von Plöchinger kritisierten skrupellosen Emotionsmechaniker angehören, ist es nicht opportun, jemanden namentlich zu erwähnen. Instruktiv auch: Plöchingers Bemerkungen zu den mit einer gesunden Fähigkeit zur Selbstkritik nichts mehr gemein habenden „obskuren Selbstzweifeln“, in die viele Journalisten abgleiten.

[+++] Ein zweiter Abstecher in die Wissenschaft, und zwar nach der Sprachwissenschaft (siehe oben) nun ins Politologische: In der am Donnerstag an den Kiosk kommenden neuen Ausgabe des Philosophie Magazins äußert sich Nadia Urbinati aus politikwissenschaftlicher Sicht zum Themenkomplex Trump und Twitter:

„Dass ein Politiker twittert, ist kein neues Phänomen. Barack Obama hat damit angefangen, unter Umgehung seiner Partei und der traditionellen Medien mit der Bevölkerung zu kommunizieren. Mit einem paradoxen Begriff bezeichne ich das als ‚direkte Repräsentation‘. Es geht dabei nämlich nicht darum, zu einer direkten Form von Demokratie überzugehen. Wir lassen uns nach wie vor von politischen Repräsentanten vertreten, doch besteht zwischen uns und ihnen neuerdings ein direkter Kontakt, der eine neue Art von Identifikation ermöglicht und uns suggeriert, wir wären in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Unter Trump erleben wir lediglich die Eskalation dieses bereits existierenden Trends.“ 

In dem Interview mit Philipp Felsch sagt Urbinati des weiteren:

„Was Trump so an Twitter gefällt: (…) Er kann eine Sprache benutzen, die ihre die ihre Empfänger am Abwägen hindert und zu unmittelbarer Zustimmung oder Ablehnung zwingt. Genau wie auf dem Forum Romanum im antiken Rom, wo das Volk seine Zustimmung durch Handzeichen bekundete. Im Grunde bringt uns der neue Populismus Zustände wie in der römischen Republik zurück: das Jubeln und die Buhrufe, die Begeisterung, die das politische Führungspersonal auslöst und so weiter (…) An die Stelle der Parteien treten heute einzelne Führerfiguren, die, ähnlich wie der Prinz bei Machiavelli, die Fähigkeit haben, ihre Anhänger ohne Vermittlung von Verfahren oder Institutionen zu mobilisieren. Was wir erleben, ist die plebiszitäre Transformation der repräsentativen Demokratie."

Noch mehr in Sachen Trump: Er will, das berichtet die SZ auf ihrer Medienseite, bei „The Apprentice“, jener Show, der er so vieles verdankt, auch nach seiner Amtseinführung "Executive Producer" bleiben. Das sei, schreibt Kathrin Werner,

„ein klarer Interessenskonflikt. Einen Präsidenten, der laut Abspann direkten Einfluss auf die Programmgestaltung eines der größten TV-Kanäle hat, das hat es noch nie gegeben.“ 

[+++] Über den heutigen 70. Geburtstag des gedruckten Spiegel (Altpapier von Montag) wird erwartungsgemäß aus vielen Perspektiven geschrieben.

„Die ältere Generation des deutschen Journalismus bestand aus Leitartiklern und Welterklärern. Augstein und die Seinen hatten auch Spaß daran, aber sie waren vor allem hungrig nach Information. Sie wollten nicht nur anderen sagen, wo es lang geht, sie wollten selbst auch wissen, was passiert. Wer heute die alten Spiegel-Ausgaben liest – sie stehen alle online – wird das vielleicht nicht auffallen. Erst wer die Zeitgenossen – in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Köln - hinzuzieht, wird das Frische, das Neue wahrnehmen“,

schreibt zum Beispiel Arno Widmann, der auch kürzlich 70 geworden ist, wie er selbst im Text erwähnt, für die DuMont-Presse (Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung). Anne Fromm und Daniel Bouhs (taz) befassen sich mit aktuellen Rechercheleistungen des Magazins und mit der Bedeutung internationaler Investigativ-Konsortien:

„Beim bedeutendsten Verbund, dem Journalistenkonsortium ICIJ mit Sitz in Washington, ist der Spiegel außen vor – und damit bei Recherchen wie ‚Offshore Leaks‘, ‚Lux Leaks‘ und ‚Panama Papers‘, die allesamt in der Süddeutschen erschienen. Einige Spiegel-Redakteure geben die Schuld dafür ihrem einstigen Chefredakteur Georg Mascolo. Er soll auf eine Anfrage des ICIJ nicht adäquat reagiert haben. Mascolo streitet das ab. ICIJ-Direktor Gerard Ryle berichtet nur, er habe den Spiegel 2012 – als Mascolo Teil der Spitze war – informell für ein Projekt angefragt. Ernsthafte Verhandlungen hätten sich daraus nie entwickelt.“

Statt dessen „(hat das Magazin) mit der European Investigative Collaboration seinen eigenen Verbund gestartet“, der in Sachen „Football Leaks“ im Einsatz war bzw. womöglich noch ist. Was Die Zeit bzw. deren Politikchef Bernd „Kollateral-Diskriminierung“ Ulrich in Sachen Investigativrecherche ab Februar mit dem vom Spiegel geholten Holger Stark vorhat, steht in dem Text auch.

Thomas Gehringer hat zwei Artikel zu 70 Jahre Spiegel geschrieben. Im Tagesspiegel beschäftigt er sich unter anderem mit dem aktuellen Heft, und in einem epd/Badische-Zeitung-Beitrag lässt er beispielsweise Lutz Hachmeister mit der Aussage zu Wort kommen, dass Spiegel Online „in seiner derzeitigen Verfassung das Renommee der Gesamtmarke“ beschädige. horizont.net schließlich publiziert Auszüge aus dem Spiegel-Statut, wobei diese wiederum ein Auszug sind aus dem am kommenden Mittwoch erscheinenden Buch „70. Der Spiegel 1947-2017“.

Praxistipp für medienhistorisch interessierte Kollegen: In diesem Jahr jährt sich nicht nur zum 70. Mal der Ersterscheinungstag des Spiegel, sondern am 9. Februar auch zum zehnten Mal der Todestag John Chaloners, jenes Mannes, der den bis 1955 in Hannover produzierten Spiegel erst möglich machte.

„Rudolf Augstein (…) hat zeitlebens nie behauptet, den Spiegel erfunden zu haben. ‚Wir wurden angefangen‘, war seine lakonische Erkenntnis; der 22-jährige britische Ex-Panzeroffizier John Chaloner, nunmehr in Hannover und Osnabrück Presse-Aufseher der Besatzer, hatte gemeinsam mit zwei deutschen Sekretärinnen eine Nullnummer der späteren Spiegel nach dem Vorbild angelsächsischer News Magazines zusammen geklebt“,

schreibt der gerade bereits erwähnte Kollege Lutz Hachmeister in diesem Buch. Also, liebe Kollegen, recherchiert doch mal ein bisschen über Chaloner, der, wie es im Spiegel-Nachruf 2007 hieß, für die Pressefreiheit zumindest im „Nordwesten der Bundesrepublik“ eine maßgebliche Figur war.


Altpapierkorb

+++ In der taz kritisiert Daniel Bax die Sächsische Zeitung für eine Merkel-Karikatur, die auf „so klischeehafte Weise umgesetzt“ sei, dass sie „frappierend an die Hass-Karikaturen, die auf antimuslimischen Hetzseiten wie PI-News erscheinen“, erinnere.

+++ In der „taz-Debattenserie Digitalisierung“ meldet sich Kai Schlieter mit einem Beitrag über „digitalen Totalitarismus“ zu Wort: „Das mathematisch-technizistische Weltbild immunisiert sich vor Kritik, indem es eigene Wertfreiheit und Neutralität suggeriert. Das diesem Denken eingeschriebene Muster lässt sich mit einer nicht endenden Optimierung sämtlicher Prozesse beschreiben. Diese Ideologie kann die Welt nur aus der Warte des Berechenbarmachens betrachten. Wer sich nicht in die Form pressen lassen möchte, gilt bald als verdächtig oder nicht existent, wie Facebook-Verweigerer.“

+++ Noch mehr aus der taz (in diesem Fall der Dienstagsausgabe): Alexander Sängerlaub und Christoph Zeier vom Magazin Kater Demos plädieren für eine „Erweiterung des öffentlich-rechtlichen Modells“, und zwar dahingehend, „Zeitungen öffentlich zu fördern“.

+++ Die nach Weihnachten begonnene siebenteilige Correctiv-Serie über „die Medien der Neuen Rechten“ endet am heutigen Mittwoch. Zuletzt erschienen: Beiträge über die oben im Korb erwähnten PI-News sowie den Kopp-Verlag.

+++ Dass Springers früherer Spitzenmanager Peter Tamm, der kurz vor Jahresende im Alter von 88 Jahren gestorben ist (siehe Altpapier), besessen war vom Krieg, „seinen Betreibern und (seinen) Mordmaschinen“ und in einem sog. Museum „megaloman Nippes auf Nippes häuft(e)“, steht nicht in einem Nachruf, denn derlei steht ja eher selten in Nachrufen. Es steht vielmehr in einem achteinhalb Jahre alten konkret-Text über Tamm, den das Magazin aus aktuellem Anlass online gestellt hat.

+++ Wie die Polizei Rosenheim auf eine Facebook-Meldung über eine angebliche Vergewaltigung durch einen Asylbewerber reagierte, steht in auf dpa-Meldungen basierenden Artikeln in der HAZ und bei meedia.de.

+++ „Wie kommt es, dass das Kinderfernsehen in der Öffentlichkeit überhaupt keine Rolle mehr spielt?“ fragt Tilman P. Gangloff (Medienkorrespondenz) Josef Göhlen, einen Pionier des öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehens, der kürzlich seinen 85. Geburtstag feierte. Göhlens Antwort ist instruktiv auch für jene, die sich jenseits des Kinder-TV mit der Geschichte des Fernsehens befassen: „Solange das Kika-Angebot nicht aus dem Rahmen fällt, interessiert sich, salopp formuliert, von den Erwachsenen kein Schwein dafür. Entscheidender ist aber ein zweiter Grund: Das Kinderfernsehen findet nur noch in ‚Ghettos’ statt. Als die kommerziellen Sender in den neunziger Jahren zunehmend Erfolg hatten, wurde das Kinderfernsehen in den öffentlich-rechtlichen Hauptprogrammen immer mehr zum Störfaktor, denn es unterbrach am Nachmittag den gleichmäßigen Quotenfluss. Deshalb wurde es zunächst an den Wochenendvormittagen konzentriert und schließlich komplett zum Kinderkanal ausgelagert. Anderen vermeintlichen Minderheitsangeboten ging es ganz genauso. Für das Kinderprogramm hatte diese Aussortierung aber besondere Folgen, denn es geriet komplett außer Sichtweite (…) Ein weiterer Aspekt aber ist womöglich für die mangelnde Beachtung in der Öffentlichkeit noch wichtiger: Kinderprogramm ist seither kein Familienprogramm mehr. Die Erwachsenen begegnen den Sendungen überhaupt nicht mehr, denn in den Hauptprogrammen gibt es Kinderfernsehen nur noch samstags und sonntags in der Frühe, wenn die Eltern noch im Bett sind.“

+++ Bereits Ende 2016 erschienen, aber erst Anfang des Jahres online gestellt: ein Freitag-Interview mit Jutta Stiehler, die bei Bravo 16 Jahre lang Dr. Sommer war. Sie sagt unter anderem: „Wenn Homosexualität öffentlich angeprangert wird, dann ist es Aufgabe der Aufklärungsarbeit, zu sagen: Das ist falsch. Aufklärung per se ist nicht politisch. Wenn es darum geht, Menschen zu schützen und sexuelle Freiheiten zu wahren: Dann ist sie politisch.“

+++ Und Michael von Gerwen, gerade Weltmeister geworden in der mittlerweile offenbar auch für die gnadenlose Verwurstung durch ProSieben geeigneten Fernsehsportart Darts, sagt, wie Johannes Knuth in einem Porträt für die SZ-Meinungsseite schreibt, „er schaue sich seinen Sport (…) nie im Fernsehen an, das finde er langweilig“. 

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.