Fidschis, die keine Inseln sind

Fidschis, die keine Inseln sind
Zwei Meinungen zur Frage, wie viel rechtes Gedankengut in Sachsen steckt. Dem Lokaljournalismus geht weitere Vielfalt flöten, und das finden mittlerweile sogar Banken bedenklich. Wenn Medien selbstkritisch sind, kann das nach hinten losgehen. Außerdem gibt es Neues von Netflix und Amazon, ihren Auswirkungen auf den Fernsehmarkt und was deutsche Sender dagegensetzen.

Giovanni di Lorenzo war am Wochenende krank, aber trotzdem in Dresden. Schließlich sollte er über Medien und deren verlorene Glaubwürdigkeit sprechen; da will ein Chefredakteur einer großen, westdeutschen Zeitung natürlich nicht absagen.

„So ist das, wenn man dieser Tage, sagen wir von Hamburg aus, nach Sachsen fährt. ,Jeder, dem ich erzählt habe, dass ich in Dresden sprechen werde, reagierte, als ob ich in die Höhle des Löwen fahre.’ So erzählt es Giovanni di Lorenzo an diesem Sonntag im Schauspielhaus zu Dresden, in jenem Bundesland, dessen Bild beherrscht wird von pöbelnden Menschen, brennenden Flüchtlingsheimen und Pegida-Demonstrationen“,

berichtet Heinrich Maria Löbbers von der Sächsischen Zeitung von diesem Abend.

Di Lorenzo ist nicht der größte Freund der Medienkritik, und auch in diesem Fall hat er sie ebenso geäußert wie entkräftet.

(Beispielsatz: „Selbstverständlich müssen wir Kritik üben, auch wenn es – wie Sie sich sicher denken können – gerade Journalisten schwer fällt, Fehler einzugestehen. Aber bei aller notwendigen und berechtigten Kritik dürfen wir nicht die Wertschätzung für all das verlieren, was in Deutschland gut und erhaltenswert ist.“)

Die komplette Rede lässt sich bei Zeit Online nachlesen, wo sie auch schon eifrig diskutiert wird („Nehmen Sie mich als Beispiel: Es ist ja keines falls so, das ich den Begriff ,Lügenpresse’ universell verwende, sondern doch sehr selektiv.“ Wie, äh, beruhigend, Curious Cornflakes.). Statt dort einzusteigen, nehmen wir sie aber als Sprungbrett in eine andere Richtung.

„Lassen Sie mich gleich vorweg sagen, dass ich – anders, als der eine oder die andere von Ihnen es vielleicht erwartet – keinesfalls hierher gekommen bin, um den Prediger zu spielen und Ihnen gar die Leviten zu lesen. Dafür habe ich viel zu großen Respekt vor den Menschen in Sachsen, die zum größten Teil eben keine Hetzer und Pöbler sind.“

Puh. Da bin ich aber erleichtert. Denn mir stellt sich in letzter Zeit tatsächlich öfter die Frage, ob jetzt eigentlich alle (und damit meine ich nicht nur Sachsen) durchgedreht sind, oder ob die Medien Hasskommentatoren, Flüchtlingsheimanzünder, Trumpwähler und Klimawandelverneiner durch ein Mikroskop betrachten? Doch wenn jemand, der mal einen Abend aus Hamburg nach Dresden gejettet ist, sagt, dass alles gut sei, dann wird das wohl stimmen.

Oder eben nicht.

„Zigaretten holten wir eigentlich immer bei den Fidschis. Gab ja auch sonst keine anderen Menschen, so kurz hinter der Grenze, bei Sohland. Tschechen, die sah man vielleicht in den Tankhäuschen oder in den vereinzelt betriebenen Gaststätten. Die Tschechei war in der Hand von kleinen, fleißigen, aber doch immer anrüchigen Menschen, die kostenlos Feuerzeuge verteilten und dabei lächelten. ,Fidschi’ – kein Vokabular, das große Schwierigkeiten im Familien- und Schulumfeld auslöste. Wussten ja alle, wer gemeint war.“

So lautet einer der frühen Absätze in diesem Text von Veselin Popovic, der in Bautzen aufgewachsen ist und seit Jahren das Blog Lauter Bautz’ner betreibt. Später führt er dann auf, wohin solch latenter, nicht widersprochener Rassismus führen kann.

„Wenn aber ein CDU-Bürgermeister nach der Ankündigung des Landrats, Flüchtlinge in Bautzen unterzubringen, vom ,Schlag ins Gesicht’ redet; wenn ein Gemeindevorsteher bei Bautzen fordert: ,Deutsche Kinder zuerst’; wenn der CDU-Kreisverband vom Schlaraffenland träumt und nach Heidenau ,Linksextremisten’ rügt; wenn der Geschäftsführer von Henschke-Bau von zu vielen Ausländern geistert; wenn Bürgerversammlungen im Tumult enden und abgebrochen werden müssen; wenn der erfolgreichste Fußballverein der Stadt Naziordner beschäftigt und kein Reaktion auf rassistische Äußerungen weiß (ausgenommen Trainer Hentschel!); wenn ein Stadtverordneter der Linken ,keine Asylanten’ in seinem eingemeindeten Dorf möchte; wenn der Chef des CDU-Stadtverbands Asylbewerber mit Autoknackern in einer Überschrift nennt; wenn die Betreiber des Stasi-Knasts Gewalttaten auf Flüchtlinge relativiert; wenn ein Pegida-Hetzer von der Sächsischen Zeitung als ,Querkopf’ verharmlost wird; wenn der Oberlausitzer Kurier Tunesien fernab jeder Realität als sicheres Herkunftsland klassifiziert; wenn Schulen faschistische Kriegsverbrecher und Nazi-Lehrer ehren, dann hat Bautzen und seine umliegenden Dörfer logischerweise ein systemisches Problem mit Fremden und, was ebenso schlimm ist, deren (organisierte) Feinde als solche zu erkennen! ,So lange die unter sich bleiben, ist doch alles in Ordnung.’“

Ja, das Zitat ist lang, aber Sie sollen ja wissen, wo der Hass überall sitzt.

Es ist nicht so, als ob in den vergangenen Wochen nicht ausreichend Journalisten nach Sachsen gefahren wären, um sich anzuschauen, was dort eigentlich los ist, und anders als di Lorenzo haben sie dort auch Menschen getroffen, die einen Sonntagabend eher nicht im Dresdner Schauspielhaus verbringen. Aber zusätzlich braucht es auch Journalisten, die immer da sind. Anders kann man strukturelle Probleme nämlich schwer erkennen und ihnen frühzeitig entgegentreten. (Achtung, dies ist eine Überleitung.) Aber gerade im Lokalen wird weiter massiv Personal und Medienvielfalt abgebaut.

Um nicht weiter auf Sachsen rumzuhacken: Für den Norden Deutschlands hat das Kartellamt gestern die Übername der Anteile der Heinrich Beteiligungs GmbH durch Madsack genehmigt.

„Die Madsack Mediengruppe ist nun alleiniger Eigentümer der Regionalzeitungen Lübecker Nachrichten und Ostsee-Zeitung. Das Medienunternehmen mit Sitz in Hannover hält nun unmittelbar 76 Prozent der Anteile an der Lübecker Nachrichten GmbH sowie mittelbar weitere 24 Prozent über die Hanseatische Verlags-Beteiligung AG“,

vermeldet das Magazin für Pressevertrieb DNV. Dass in Lübeck ein Drittel der Redakteure gehen soll, weiß man schon seit September.

In der vergangenen Woche verkündete zudem die u.a. die Neue Osnabrücker Zeitung herausgebende NOZ Medien GmbH, die Medienholding Nord mit ihren 33 Tageszeitungen übernehmen zu wollen (s. Altpapier am Freitag).

„Sollte das Bundeskartellamt die Osnabrücker Offensive genehmigen, wäre der schleswig-holsteinische Zeitungsmarkt künftig in der Hand zweier niedersächsischer Unternehmen: Madsack und NOZ Medien. Nur die Dithmarscher Landeszeitung und die deutsch-dänische Flensborg Avis sind unabhängig von den Riesen“,

schreibt nun Altpapier-Kollege René Martens in der taz Nord. Und damit Sie nicht glauben, nur Norden und Osten seien betroffen, schalten wir noch rasch in den Südwesten, wo der ebenfalls bereits am Freitag erwähnte Josef-Otto Freudenreich seit fünf Jahren die Kontext Wochenzeitung betreibt. Aus diesem Grund interviewt ihn Bülend Ürük für kress.de, mit folgender Erkenntnis:

„Gibt es aus Ihrer Sicht einen Bedarf an Gegenöffentlichkeit in der "blühenden Medienregion im Südwesten" mit großen Sendern und gesunden Verlagen?

Josef-Otto Freudenreich: Groß und gesund stimmen wahrscheinlich immer noch. Mit blühend wird es schon schwierig. Den SWR haben wir jüngst als ,Eunuchenstadl’ bezeichnet, ohne eine Gegendarstellung zu bekommen. Und was das Stuttgarter Pressehaus anbelangt, sind wir gespannt wie Flitzebogen, was der ,Neue Stuttgarter Weg’ Wundervolles bringen wird. Zwei Titel, eine Redaktion - das verspricht ungeheure Vielfalt. Ich befürchte, dass wir bei Kontext nie genug Leute haben werden, um die Lücken zu stopfen. Inzwischen sollen wir mit einer Bank eine Veranstaltung zur Rettung des Journalismus machen. Das ist doch irre.“

Um die Vorlage zu versenken: Natürlich machen sich Banken Sorgen um den Fortbestand der Lokalmedien, schließlich macht so eine Scheckübergabe wenig Spaß, wenn nur der eigene Pressesprecher berichtet. Andererseits wäre ich dann soweit, dass es mir ziemlich egal ist, wer den Lokaljournalismus rettet. Es müsste sich nur langsam mal jemand finden – und zwar nicht nur, um gute, alternative Medien zu gründen, wie auch Kontext eines ist, sondern diese auch nachhaltig zu finanzieren. Schlusswort Freudenreich:

„Wir haben Kontext gegründet als bewusste Antwort auf diese Medienwüste, und aus der Erkenntnis, dass dort kein Platz mehr für uns ist. Zuviel der Drangsal. Nach uns sind die Krautreporter und correctiv gekommen, wohl aus ähnlichen Gründen. Alle zusammen verweisen auf das Problem der Presse, ihr privatkapitalistisches Geschäftsmodell profitabel weiterführen zu können. Was auf der anderen Seite aber nicht heißt, dass die spendenfinanzierten Projekte die Lösung wären. Auch da gilt es bescheiden und demütig zu sein.“


Altpapierkorb

+++ Um noch kurz beim Thema zu bleiben: Bei DuMont hat man tatsächlich einmal in den Lokaljournalismus investiert und die Websites von Berliner Zeitung und Kölner Stadtanzeiger relauncht. +++

+++ Dass Selbstkritik von Medien auch nach hinten losgehen kann, erklärt Stefan Niggemeier bei Übermedien am Beispiel Horst Seehofer, der aus eingestandenen Fehlern Medienkritik klöppelt: „Was ist aber, wenn diese Eingeständnisse ausschließlich als Munition gegen diejenigen verwendet werden, die sie äußern? Wenn sie nicht als Indiz dafür genommen werden, dass sich die Verantwortlichen kritisch mit ihrer eigenen Arbeit auseinandersetzen, sondern als vermeintlichen Beleg dafür, dass die Situation so schlimm ist, dass selbst die Verantwortlichen nicht mehr alles leugnen können?“ +++

+++ Außerdem widmet sich bei Übermedien Torsten Kleinz den Schwierigkeiten, mit Online-Werbung Geld zu verdienen. +++

+++ Auch Mark Zuckerbergs freundliche Freundesplattform muss sich an deutsches Recht halten: Weil diese sich bislang zu freimütig Rechte an den Inhalten seiner Nutzer einräumt, hat das Berliner Landgericht sie nun zu 100.000 Euro Strafe verdonnert, berichtet u.a. der RBB. +++

+++ „Die US-Regierung hat einen Rückschlag bei dem Versuch erlitten, den Technologie-Konzern Apple zur Entsperrung von iPhones zu zwingen. Ein Richter im New Yorker Bezirk Brooklyn entschied, dass die Regierung mit einem Gesetz aus dem 18. Jahrhundert keine angemessene rechtliche Grundlage gefunden habe, um das Entsperren eines iPhones zu fordern.“ (Spiegel Online) +++

+++ Wie russische Propaganda funktioniert, erklärt auf der FAZ-Medienseite Ingo Mannteufel. „Neben den offiziellen Medien – in Russland die vom Kreml kontrollierten TV-Sender, im Ausland Russia Today und Sputnik – nutzt der russische Propaganda-Apparat dafür sehr geschickt das Internet. Eine relativ unbekannte Informationswebsite oder ein Blog publizieren eine Nachricht, die dann von weiteren zweifelhaften Websites wiederholt wird. Dann steigt ein größeres bekannteres russisches Medium ein und bringt mit Verweis auf vermeintliche ,Quellen’ im Netz die Nachricht, die nun so salonfähig im Medienraum zirkuliert. Die Frage nach der Wahrheit, empirisch überprüfbaren Fakten, spielt keine Rolle.“ +++

+++ Fernsehen I: RTL startet heute mit TV now ein neues On-Demand-Angebot. „Die Standard-Version als reines Catch-up TV für PC und Laptop ist kostenlos, da werbefinanziert. Die kostenpflichtige Version bietet für ein technisches Zugangsentgelt neben weniger Werbung auch exklusive Episoden vor TV-Ausstrahlung, Zugriff auf unser umfangreiches TV-Archiv, Livestream der sechs Sender, eine bessere Bildqualität und die Nutzung auf zusätzlichen Endgeräten“, erklärt Marc Schröder, Geschäftsführer RTL Interactive, im DWDL-Interview. +++

+++ Fernsehen II: Dokus sollen Sat 1 den Mittwoch retten, steht bei Digitalfernsehen. +++

+++ Fernsehen III: Gute Serien und Filme wandern alle zu Amazon und Netflix statt ins Fernsehen, weil diese absurde Preise dafür bezahlen und damit den Markt kaputt machen, schreibt Nina Rehfeld in der FAZ. ++++

+++ Apropos Netflix: Das Unternehmen sperrt nun diejenigen aus, die sich bislang mit VPN zum Beispiel aus Deutschland in die wesentlich besser sortierte US-Ausgabe einloggten, steht auf der Medienseite der SZ. +++

+++ Wo zudem Max Hägler Peter Boudgoust porträtiert, der sich als SWR-Intendant wiederwählen lassen möchte. +++

+++ Fernsehen IV: „Es braucht keine 108 Minuten, die ungewöhnliche Länge der Pilotfolge, um aus der neuen, auf Sky gestarteten US-Serie ,Vinyl’ nicht mehr aussteigen zu können. Sie handelt vom Aufstieg und Fall des Plattenproduzenten Richie Finestra im New York der 1970er Jahre. Der kokssüchtige Boss von American Century Records lebt den echten Rock ’n’ Roll, immer auf der Suche nach schneller, dreckiger, überwältigender Musik.“  Es berichtet Markus Ehrenberg im Tagesspiegel. +++

+++ Falls Sie in den kommenden Wochen ein Management Buy Out planen, dann sollten sie sich nicht vom Over Optimism leiten lassen und rechtzeitig auf die Kostenbremse drücken. Das rät auf zumindest Nikolaus Förster, der ein MBO mit Impulse durch hat, den Kollegen von Cicero und Monopol mit ähnlichen Ambitionen bei Meedia. +++

+++ Beim RBB wirde die journalistische Qualität abgesagt, und jemand hat das fotografisch festgehalten und Spiegel Online zugespielt. +++

Frisches Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.