Die Kraft der Insel Föhr

Die Kraft der Insel Föhr
Werden ein Spielfilm und andere TV-Beiträge über illegalen Waffenhandel Einfluss nehmen können auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen? Weil Axel Springer gestern vor 30 Jahren starb, redet die sonst in der Öffentlichkeit nicht viel redende Friede Springer über ihn. Außerdem schreibt ein Ex-Linker, dass die Bild-Zeitung den Surrealismus popularisiert habe. Und „wer zwischen der Skylla der Hyperkritik und der Charibdis des Miserabilismus hindurchwill“, sollte an dieser Stelle bloß nicht die Lektüre abbrechen.

Wir meckern hier ja gern, das ist gewissermaßen Teil unserer Corporate Identity. Wir kritisieren zum Beispiel die öffentlich-rechtlichen Sender, weil sie ihren Kernauftrag oft genug nicht wahrnehmen und im fiktionalen Bereich sogar so gut wie nie. Doch Achtung, Kinners, heute geht es ziemlich positiv los, denn die ARD zeigt zur besten Sendezeit Daniel Harrichs „Meister des Todes“, den „vielleicht wichtigsten Film des Jahres“ (Teleschau). Eine gewisse Wichtigkeit lässt sich vielleicht auch daran ablesen, dass es es vor zwei Wochen eine Vorpremiere des Films im Bundestag gab.

„Meister des Todes“ ist der Hauptteil eines ARD-Themenabends zu Rüstungsexporten. Es geht um den illegalen Export deutscher Gewehre nach Mexiko - und das dubiose Verhalten hiesiger Ministeriumsbeamter, die den Verkauf der Waffen erst möglich gemacht haben. Michael Hanfeld schreibt im Haupttext der FAZ-Medienseite:

„Das Gewehr heißt SG38, der Name der Firma lautet HSW, doch ist das Vorbild unverkennbar: Seit fünf Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den Waffenhersteller Heckler & Koch. 9500 Gewehre der Marke G36 sind illegal nach Mexiko gelangt. Die Verantwortung dafür wies und weist die Firma zwei Mitarbeitern zu, denen man gekündigt habe. Die Betroffenen haben allerdings inzwischen erfolgreich gegen ihre Kündigung geklagt. Und die Staatsanwaltschaft hat nicht nur zwei Verdächtige am Wickel. Davon erfahren wir in der Dokumentation ‚Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam‘ von Daniel Harrich, welche die ARD direkt nach dem Spielfilm zeigt (...) In der Dokumentation wie im Spielfilm können wir uns ausmalen, wie überzeugend die Argumentation ist, von einem solchen Waffenhandel hätten nur zwei Leute gewusst und eigenmächtig gehandelt.“

Zu ergänzen wäre hier noch, dass am späteren Abend die Doku in einer doppelt so langen Version im SWR Fernsehen zu sehen ist. Der bei dem Projekt federführende SWR bietet zudem ein Web-Special an, und zur Einstimmung kann man auch das Radio einschalten („Handelsware Waffe: Das zwiespältige Geschäft von Heckler & Koch“, SWR2, 19.05 Uhr).

Ein hochpolitischer Film zur besten Sendezeit, dazu im Anschluss eine Doku, die ebenfalls von Harrich stammt - die ARD gibt ihm diesen Raum auch deshalb, weil er 2014 mit „Der blinde Fleck“, einem Spielfilm über das Oktoberfest-Attentat von 1980, dem Generalbundesanwalt den Anstoß gab, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.

Arno Frank (Spiegel Online) - der findet, der Film sehe aus „wie ein ziemlich aufwendiger ‚Tatort‘ ohne Kommissare“, ohne das negativ zu meinen - erwähnt Harrichs Film zum Oktoberfest-Attentat und schreibt danach:

„Auch diesmal verlässt er sich - neben Recherchen des SWR, die den Fall einst ins Rollen brachten - wieder auf eigene Erkundigungen, Gespräche mit Beteiligten und geheime Protokolle (...) Umso beeindruckender, dass die Fülle der Fakten sich zu einem spannenden Puzzle fügt und dennoch Raum gelassen hat für psychologische Einzelstudien.“ 

Beim schon erwähnten Screening im Bundestag war Christian Füller für Cicero dabei:

„Die Botschaft des Harrich-Films ist eine doppelte: Erstens, liefert keine Waffen in Regionen, in denen Krieg herrscht. Also zum Beispiel nicht nach Mexiko. Und zweitens, guckt den Waffenherstellern und der Politik auf die Finger, damit sie Waffengeschäfte mit Staaten wie Mexiko nicht wieder herbeitricksen kann. Der SPD-Waffenexperte Rainer Arnold hatte wenige Minuten nach dem Film eine ganz andere Botschaft parat. ‚Ich wäre für legale korrekte Waffenlieferungen nach Mexiko‘, sagte Arnold. ‚Weil dieses Land in enger Partnerschaft zu Deutschland und Europa in einem schwierigen Kampf mit massivster Bandenkriminalität steht, der man nicht mit guten Worten begegnen kann.‘“

Dummerweise sind in vielen Regionen Mexikos die Grenzen zwischen Staatsmacht und den Banden fließend - das geht teilweise hervor aus den zahlreichen Beiträgen, mit denen Harrich (gemeinsam mit anderen Kollegen) in der ARD im Vorfeld des Rüstungsexport-Schwerpunkts auf das Thema eingestimmt hat. Siehe einen Ende August gesendeten „Weltspiegel“-Bericht (der beweist, dass Marisela Escobedo, eine der berühmtesten Menschenrechtlerinnen Lateinamerikas von einem Auftragskiller mit einer deutschen SigSauer-Pistole erschossen wurde, mit der er mindestens elf weitere Menschen erschossen hat), einen Film im „Report“ aus Mainz am Dienstag vergangener Woche und einen im „Report“ aus München am gestrigen Dienstag („Der Export von Kriegswaffen durch Heckler und Koch wurde vom zuständigen Wirtschaftsministerium selbst dann weiter genehmigt, als das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle längst Unregelmäßigkeiten gemeldet hat, wie exklusive Recherchen von ‚Report München‘ belegen“).

Harrich selbst erzählt gegenüber der SZ von der Filmvorführung im Parlament:

„‚Da hat keiner in Frage gestellt, ob das stimmt, was wir erzählen‘, berichtet Harrich. ‚Der Tenor war eher: Wir wissen, dass es genau so läuft.‘ Das habe ihn erschreckt. Aber letztlich ist all das auch Motivation für seine Arbeit: ‚Mit Fiktion kann man die Realität verändern.‘“

Darauf spekuliert auch das Hamburger Abendblatt

„Welche realen Folgen ‚Meister des Todes‘, die dazugehörige Dokumentation und das flankierende Webspecial haben werden, ist (...) noch nicht absehbar. Dass sie gänzlich ohne Nachhall bleiben werden, das erscheint allerdings unwahrscheinlich.“

Dass Harrich trotz der „Erschrockenheit“ darüber, dass den Abgeordneten die Missstände, die er recherchiert hat, im Prinzip bekannt sind, hoffnungsvoll ist, leuchtet einem allerdings nicht so recht ein.

Kritische Töne zum Film kommen vom Freitag: „Meister des Todes“ sei „erstaunlich gut recherchiert, doch als Spielfilm funktioniert er nicht“. Und die Stuttgarter Nachrichten finden, „leider“ seien einige „Charaktere im Drehbuch nicht sehr vielschichtig angelegt“, zudem seien „die Nebenfiguren nachgerade plakativ geraten“.

Mit einem der mitwirkenden Schauspieler, dem einen schmierigen Waffenhändler gebenden Udo „Leitmayr“ Wachtveitl, habe ich für die Stuttgarter Zeitung (Wochenendausgabe) über den Film gesprochen. Es geht dabei auch um den Ausspruch des ebenfalls in „Meister des Todes“ zu sehenden Axel Milberg: „Endlich! In diesem Film geht‘s um was.“ 

Harrich geht‘s tatsächlich um etwas, und das merkt man auch daran, dass er der Wochenzeitung Die Zeit Recherchen über die Mitwirkung deutscher Beamter an den Waffen-für-Mexiko-Deals zur Verfügung stellte, die diese in der vergangenen Woche in einem „Dossier“ von beinahe schon behördlicher Nüchternheit protokollierte. Wobei Harrich das Material natürlich auch weitergab, um Werbung für seine Filme zu machen.  

[+++] Nicht unpassend ist es, dass ein für ARD-Verhältnisse ungewöhnlicher Film wie „Meister des Todes“ in einer Woche läuft, in der über die Bedeutung des Fernsehens noch viel geredet werden wird. Am Freitag nämlich startet zum 25. Mal das Fernsehfestival Cologne Conference. Die Veranstaltung ist also so alt wie das Original der Serie „House of Cards“ (die damals auch auf dem Festival zu sehen war). Unter anderem darum geht es in dem Gespräch, das die Medienkorrespondenz mit dem Festivalgründer und Präsidiumsmitglied Lutz Hachmeister geführt hat:  

„Man muss medienhistorisch schon darauf hinweisen, dass es beim Fernsehen schon immer Avantgarde-Produktionen gegeben hat, nehmen Sie Serien wie ‚The Monkees‘ aus den USA Mitte der 1960er Jahre oder die aus den Jahren 1967/68 stammende englische Serie ‚The Prisoner‘, die in Deutschland unter dem Titel ‚Nummer 6‘ lief und die wir hier in Köln 1994 noch einmal innerhalb unserer ‚Kultnacht‘ gezeigt haben (...) Es ist ja auch interessant, dass Netflix-Chef Reed Hastings gern den Begriff ‚Fernsehen‘ vermeidet und propagieren möchte, es handele sich um etwas ganz Neues und Anderes. Aber das stimmt natürlich nicht, es geht im Wesentlichen um neue Formen der Distribution.“

Zu letzterem Aspekt siehe auch die aktuelle - sehr ausführliche - New-York-Review-of-Books-Kritik zu Michael Wolffs Buch „Television is the new television“ (das im Korb dieses Altpapiers schon einmal Erwähnung fand).

Teil des Programms der Cologne Conference Köln ist die Verleihung des Phoenix-Dokumentarfilmpreises an Joshua Oppenheimer für sein Doppelprojekt „The Act of Killing“/„The Look of Silence“ - Filme über Täter und Opfer der antikommunistische Massaker im Indonesien der mittleren 1960er Jahre. „The Look of Silence“ startet in der kommenden Woche hier zu Lande im Kino, weshalb Tim Lindemann Oppenheimer für die Oktober-Ausgabe von konkret (Seite 42/43, nicht online) interviewt hat. Oppenheimer sagt:

„Keiner der beiden Filme versucht, die Vergangenheit nachzustellen - dagegen habe ich moralisch schwere Einwände. Ich wollte zeigen, wie das Selbstbild, das sich die Täter medial kreiert haben, um mit ihren Greueltaten zu leben, eine Atmosphäre erzeugt, in der dieses Grauen relativiert und normalisiert wird.“

[+++] Die „Groß-Verlegerin“ und „passionierte Radiohörerin“ Friede Springer gibt normalerweise nur selten Interviews, aber weil sich am Dienstag der Todestag ihres Mannes zum 30. Mal jährte, hat sie für den Deutschlandfunk eine Ausnahme gemacht. Gesendet wird das Gespräch erst am Donnerstag, online steht es bereits. Aufschlussreich ist gar nicht, was sie sagt, sondern, was und wie der Interviewer Stephan Detjen fragt:

„Sie wurden geboren als Tochter eines Gärtnermeisters auf der schönen friesischen Insel Föhr, wir könnten dieses Gespräch jetzt wahrscheinlich auch auf Friesisch führen, oder?“

Passiert übrigens nicht, so viel sei gleich verraten.

„Aber lassen Sie uns noch mal über das gemeinsame Leben sprechen, das zunächst einmal ein Leben in einem auch märchenhaften Reichtum war! Luxus, ein Leben mit Privatjets, Häusern in Deutschland, einem schlossartigen Sitz in Schleswig-Holstein, ein Haus in Griechenland, eine Jacht, Privatflugzeuge, Hubschrauber ...“

Ich kenne mich mit dem Schaffen Paul Sahners nicht so aus, aber ich stelle mir vor, dass der das so ähnlich formuliert haben könnte. Auch schön:

„Woher kommt diese Hartnäckigkeit, Frau Springer, die ja viele überrascht hat? Sie stehen da auf einmal, die junge Witwe, an der Spitze dieses Unternehmens, umgeben von lauter Rechtsanwälten, Medienmanagern, selbstbewussten Männern, die Ihnen das eigentlich gar nicht zutrauen!“

Ein Dank sei hiermit auch übermittelt an den Transkriptions-Dienstleistenden für die kunstvolle Setzung der Ausrufezeichen. Und dann geht‘s noch einmal back to Friesland:

„Ist das eine Kraft, die Axel Springer Ihnen gegeben hat, so wie Sie das schildern, oder ist das eine Kraft, die man auch in einer Heimat wie der Ihren, auf einer solchen Insel wie Föhr in einem Elternhaus mitbekommt?“

Was wäre aus dem Springer-Konzern geworden, wenn Friede Springer „auf einer solchen Insel“ wie Amrum oder Norderney aufgewachsen wäre? Der große, große Stephan Detjen wird es bestimmt noch in Erfahrung bringen.

Sowohl Detjen als auch die Witwe loben einen gerade von der Welt publizierten Riemen Thomas Schmids, der früher Welt-Chefredakteur und -Herausgeber war und ganz, ganz früher einer von denen, die Springer enteignen wollten. „Was Axel Springer und die ‚68er‘ gemeinsam hatten“, lautet die Headline eines Textes, der auch in dem anlässlich des runden Todestags gerade erschienenen Buch „Axel Springer und seine Stadt" zu finden ist. Der Seitenwechsler Schmid will hier noch einmal ganz weit ausholend seinen Lebensweg adeln, und das ist ja auch okay, sofern das seinem Seelenfrieden dient.

Eine Passage über die Bild-Zeitung verdient aber nähere Betrachtung:

„(Ihr) wichtigstes Prinzip (ist) die radikale Entkoppelung von Signifikat und Signifikant. Sie ist daher ein Vorbote jener selbstbezüglichen, aber außerordentlich dynamischen medialen Welt, die im Zeitalter der Digitalisierung entstanden ist, in der das Medium gewissermaßen aus sich selbst heraus lebt und eine eigene Wirklichkeit konstituiert: ein eigener Bild- und Klangraum. Mit der Bild haben Dada und Surrealismus erreicht, was deren Erfinder zwar auch wollten, womit sie aber kläglich scheiterten: den Geschmack der Massen zu treffen, von ihnen Besitz zu ergreifen. Die Leser haben denn auch nie zu dem Blatt gegriffen, weil sie informiert werden wollten; sie haben stets einen spielerischen Umgang mit ihm gepflegt und das Artifizielle, das Fabulöse gut erkannt.“

Man muss schon anerkennen, dass es für eine derart infame Umdeutung von Geschichte und Gegenwart der Bild-Zeitung enorm viel Phantasie braucht. Ob sich die Nachlassverwalter von Dada und Surrealismus bald zu Wort melden?

„Vielleicht wird sich an dem digitalen Himmels- und Höllenritt, auf den sich sein Verlag inzwischen begeben hat, entscheiden, ob Axel Springers Künstlertum eine Zukunft hat“,

steht am Ende des Textes, und in die Nähe der Kunst wird Springer auch in einem anderen Beitrag des Buchs gerückt. Und zwar von Schmids Nachfolger, dem Nicht-Vielschreiber Stefan Aust, der davon berichtet, dass Springer auf „einem Kongress der internationalen Vertriebsorganisation Distripress am 20. Oktober 1975 in Hamburg“ Goethe zitiert habe. Beziehungsweise: „Der Großmeister des gedruckten Wortes“ habe „den Großmeister des gedichteten Wortes“ zitiert. In welcher Disziplin Aust der Großmeister sein könnte, fällt mir leider gerade nicht ein. Vom „alten Fuchs Konrad Adenauer“ ist an anderer Stelle in Austs Text noch die Rede, und das ist ja schon fast wieder niedlich.

Diesen Buchbeitrag Austs hat Deutschlands mitteilungsfreudigster Springer-Fanclub aka meedia.de in Auszügen veröffentlicht - und einen zweiten gleich noch dazu, aus dem sich aber keine Zitate aufdrängen, denn es geht bloß um irgendwas mit Brumm-Brumm.


Altpapierkorb

+++ „Wenn Merkel die Grenzen für Flüchtlinge öffnet, dann kommt in linken Kreisen sofort die Frage auf: Warum? Warum macht sie das? Was steckt dahinter? Das ist keine wirkliche Frage, sondern ein Verdacht – ein Verdacht, der sich selbst begründet, noch ehe ihm ein Faktencheck nachgereicht wird. Die Grundhaltung lautet: Nichts ist, was es scheint. Es steckt immer etwas anderes dahinter. Und dieses andere ist immer negativ.“ So steigt Isolde Charim in der taz in eine Besprechung von Thomas Edlingers Suhrkamp-Buch „Der wunde Punkt. Vom Unbehagen an der Kritik“ ein. „Miserabilismus“ nenne der Autor diese Haltung, schreibt Charim, deren zumindest stilistisch nicht unfurioser Schlusssatz lautet: „Wer zwischen der Skylla der Hyperkritik und der Charibdis des Miserabilismus hindurchwill, wer beiden Sackgassen entgehen möchte – wer also trotz allem kein Zyniker werden möchte, wer sich auch als Linker über die Grenzöffnung freut und dennoch versucht, eine kritische Position zu retten, der lese bei Edlinger nach, ob dieser einen Ausweg findet.“ Für die mittelfristig Planenden unter unseren Lesern: Am übernächsten Sonntag stellt Edlinger sein Buch in Hamburg vor, unter dem Link sind auch weitere Rezension zu finden.

+++ Kritik an der etwas weltfernen Rede, die BDZV-Chef Helmut Heinen beim Kongress seines Verbandes gehalten hat (siehe Altpapier von Dienstag), übt der Bayerische Journalistenverband: „Kein Wort darüber, dass immer mehr Verlage sich der sozialen Verantwortung gegenüber den Journalisten entziehen. Die Flucht aus den Tarifgebilden ist nicht erwähnenswert, die massenhaften Entlassungen in den Häusern spielen keine Rolle.“ Von der Veranstaltung berichtet Viola Schenz für die SZ, und dank ihr erfahren wir, dass der BDZV in einer Hinsicht nicht 2005 stehen geblieben ist (siehe das erwähnte Altpapier von gestern), sondern 1955: „Geschätzt 98 Prozent der Teilnehmer sind männlich, den winzigen Rest machen Hostessen, Kellnerinnen, BDZV-Mitarbeiterinnen und Verlegergattinnen aus. Ein Fotograf bittet eine Dame diskret, sich doch zu den dunklen Anzügen zu stellen, damit ‚das Gruppenfoto nicht wie eine Trauergemeinde aussieht‘". 

+++ Die SZ informiert darüber hinaus über ein Strafverfahren in Hamburg, in dem sich Redakteure des dortigen Abendblatts verantworten müssen, weil sie vor einem Prozess aus WhatsApp-Chats zweier Angeklagten zitiert hatten, die in der Strafakte zu finden waren: „Der Prozess, in dem es am Donnerstag zum Urteil kommen soll, ist ein Lehrstück für Investigativ-Journalisten, die etwas über die rechtlichen Grenzen ihres Tuns erfahren wollen. Und er wirft jenen Gedanken neu auf, der Medienverbände schon auf die Barrikaden brachte, als der Paragraph 353d in den Siebzigerjahren eingeführt wurde: Verletzt es nicht die Pressefreiheit, wenn das Gesetz vorschreibt, wie Journalisten vor einer Verhandlung aus Gerichtsakten zitieren dürfen?“  

+++ Zumindest am Rande um WhatsApp geht es auch in dieser stimmungsvollen Meldung aus Mitteldeutschland bzw. dem Blog des Mitteldeutschen Film- und Fernsehproduzentenverbands: „Eine Arbeitsverweigerungswelle der freien Mitarbeiter lähmt den Fernsehbetrieb in Thüringen deutlich. Im Netz haben sich über 40 Freiberufler zusammengeschlossen. Per WhatsApp koordinieren sie ihren Arbeitskampf. ‚Wir sind dann mal weg‘, nennen sie ihre Gruppe scherzhaft. Es sei ein erster Test, eine Fernsehrevolte mit der Power des Internets. Später könne sie sich auf ganz Mitteldeutschland ausbreiten, nicht jetzt aber vielleicht irgendwann mal – berichten sie fast euphorisch. Es gebe auch Skeptiker in der Gruppe, doch der Zusammenhalt sei enorm. Selbst von Redakteuren des Senders käme überwiegend positives Feedback. Mit dieser spontanen Protestaktion wollen die Freien gegen die Honorar- und Auftragspolitik des MDR-Landesfunkhauses Thüringen protestieren.“ 

+++ Die Washington Post will jeden ihrer Texte über Facebooks Instant Articles verbreiten, berichtet Poynter.

+++ Was man heute tun kann, wenn man nicht „Meister des Todes“ guckt: das Hörspiel „Der letzte Ort“ (NDR Kultur) hören. „Welche menschlichen Dramen hinter den Nachrichtenschlagzeilen über Entführungen stehen, lässt sich meist nur erahnen. Eine genauere Beschäftigung mit dem Schicksal von Opfern eines Kidnappings erfolgt im Hörspiel ‚Der letzte Ort‘ von Sherko Fatah. Der Autor entwirft hierin das fiktive Szenario der Gefangennahme eines deutschen Kulturhistorikers und seines einheimischen Übersetzers im heutigen Nordirak“, schreibt die Medienkorrespondenz.

+++ Was man wohl lieber nicht tun sollte: sich „Ich mach dir den Hof“ mit Ina Müller als Urlaubsvertretung-Bäuerin anschauen. Das Hamburger Abendblatt jedenfalls verreißt die Sendung („so gestrig wie eine Wiederholung der ‚ZDF Hitparade‘“; „vorhersehbarer, müde kalkulierter TV-Dünnsinn“), und das will was heißen, denn diese Zeitung verreißt sehr selten.

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.