Showmaster ist mein Beruf. Ein Beruf, ein Beruf, den der Teufel schuf

Showmaster ist mein Beruf. Ein Beruf, ein Beruf, den der Teufel schuf

In Darmstadt wird die Demokratie mit Berichten über Winzerfeste und Volksbank-Spenden verteidigt. Sind Messdiener die besseren Showmaster? Achse des Guten goes Krautreporter. US-amerikanische Journalisten kämpfen für ihr Right to Report. Und die taz fällt Bäume (nicht nur für ihre Print-Ausgabe).

Die Zahlen waren richtig, doch die Reihenfolge war falsch: Beim Darmstädter Echo werden nicht, wie gestern auch hier berichtet, 150 von 400 Stellen gestrichen. Sondern von den 400 Stellen bleiben nur 150 übrig. Was die Verantwortlichen gegenüber Meedia noch als Gewinn verkaufen:

„Auf Nachfrage heißt es seitens des Pressesprechers: ,Den Status Quo zu halten, wäre unverantwortlich.’ Auch darum habe sich der Verleger Bach zu einem deutlichen Schnitt entschlossen, um Spielraum zu gewinnen. Bereits seit einigen Jahren spare der Verlag. Ansonsten würde man heute nicht über eine Sanierung, sondern über eine Insolvenz sprechen.“

Der DJV Hessen tut, was der DJV Hessern tun muss, nämlich von „verlegerischer Kapitulation“, verlorener „journalistischer Qualität und Vielfalt“ und „Verarmung der Medienlandschaft“ zu sprechen (kress - ein Text, der fast 1:1 der Pressemitteilung des hessischen DJV entspricht, wie ich gerade sehe).

Bülend Ürük beschreibt es bei Newsroom ein wenig plastischer.            

„Da ist also eine Monopolzeitung in einem wirtschaftlich stabilen Umfeld in einer Großstadt mit hervorragender Universität, mitten im Speckgürtel unweit der Finanzmetropole Frankfurt, die sich im Familienbesitz befindet und deren Antwort auf den Medienwandel trotzdem lapidar lautet, im großen Stil Personal zu entlassen, Menschen vor die Tür zu setzen.“

Tragisch, einmal mehr. Der Mantel soll demnächst von einem anderen Haus – Ürük spekuliert auf die Verlagsgruppe Rhein-Main – zugeliefert, Abteilungen sollen ausgegliedert werden. Schlimm.

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Und trotzdem muss es erlaubt sein, einmal kurz auf die Zeitung zu schauen, die nicht nur für die Einkommenssituation ihrer Angestellten, sondern auch für die Darmstädter Demokratie so wichtig zu sein scheint.

Die dritte Meldung an diesem Dienstagmorgen auf der Startseite lautet schon „Katze klebt im Reifen fest“; davor und danach widmet man sich Unfällen, einem Brand und der Brandenburger SPD.

Einen Klick auf den Reiter „Region“ später geht es um ein Winzerfest

(„Tausende von Gästen, die das bunte Treiben des Groß-Umstädter Winzerfestumzuges sehen wollten, waren bestens ausgerüstet fürs regnerische Wetter. Nicht nur die Regenjacken, sondern vor allem die Schirme beherrschten das Bild am Straßenrand.“),

die Modenschau der Friseur- und Kosmetikinnung

(„Mit raffinierten Schnitten, ausgefallenen Färbetechniken und ausgeklügeltem Make-up verhalfen die Frisur- und Kosmetikexperten der Schönheit zu ihrem Recht und den Berufskollegen zu neuen Anregungen und praktischen Tipps für die tägliche Arbeit.“)

sowie um einen Basar in der Wallerstädter Turnhalle

(„Der Basar, der am Samstag in der Turnhalle am Deich in Wallerstädten abgehalten wurde, bot Kindern und Erwachsenen die Möglichkeit, ausgiebig nach Schnäppchen zu stöbern.“).

Und damit sind wir noch nicht ins wirklich Lokale vorgedrungen, zum Beispiel zu den Nachrichten aus dem Odenwaldkreis („Pfarrer Heinz Kußmann geht in Ruhestand“, „Volksbank-Spende für Märchentage“, „Synergien, die Kreativität freisetzen“).

Das ist, um es frei nach Bülend Ürük zu sagen, bislang die Antwort des Darmstädter Echos auf den Medienwandel: einfach so weitermachen wie im Jahr 1978, als man mit seinen Themen nicht gegen die weltweite Konkurrenz Internet bestehen musste, sondern den Lesern vorsetzten konnte, was man wollte: Lies oder stirb.

Heute lesen auch die Darmstädter Anderes; den Zeitungen bleibt das Sterben.

[+++] Eben noch vor dem Altar, jetzt schon auf unserer Showbühne! Wäre auch ein schöner Titel gewesen für das neueste Buch von Markus Schächter, das Joachim Huber im Tagesspiegel rezensiert und das in echt auf den Namen „Die Messdiener: Von den Altarstufen zur Showbühne“ hört. (Als Hintergrundbeschallung empfiehlt es sich nun, den in der Überschrift bereits angeteaserten Smash-Hit hier anzustellen.)

„Die Empirie macht Markus Schächter Mut. Von den 25, 30 prägenden Entertainern im deutschen Fernsehen waren gut 15 Messdiener. (...) Schächter, der ehemalige ZDF-Intendant, macht aus dieser Beobachtung eine These in Frageform: ,Gibt es eine besondere, bisher unbeachtete Verbindungslinie zwischen Showbiz und Messdienst?’“

Eine Frage, die sicherlich den meisten von uns schon lange unter den Nägeln brennt, und für deren Antwort man entweder 18,99 Euro ausgibt. Oder man lässt sich an dieser Stelle auf einen Spoiler ein, der da lautet: Nein, nicht wirklich. Zumindest interpretiert es Huber so:

„Zahlreiche erfolgreiche Entertainer waren auch erfolgreiche Messdiener. Der Weg zum Ruhm war durchgängig anders kartiert.“

Etwas anders sieht das der mit dem Thema katholische Kirche bewanderte Hermann Unterstöger auf der Medienseite der SZ:

„Der katholischen Liturgie, insbesondere der vor dem Zweiten Vatikanum geübten und von vielen bis heute schmerzlich entbehrten, hat man es ja immer schon bestätigt oder, je nachdem, hämisch nachgesagt, dass sie in Sachen Show und Glamour die Nase seit Jahrhunderten im Wind habe. Und in der Tat herrscht bei Pontifikalämtern ein Schreiten, Drehen und Verneigen, ein Räuchern und Orgeln, ein Deklamieren und Psalmodieren, dass einem ganz anders wird und man sich eigentlich nur noch fragt, ob und wann das Fernsehballett oder die Mainzelmännchen feierlich in die Kirche einziehen.“

Nun kann man darüber nachdenken, was das eigentlich über die etablierten Konzepte traditioneller Fernsehshows aussagt (die Showtreppe als Altarraum, das Sofa als Kanzel, keine Frauen als Show-Moderatoren und endlich erklärt sich auch der seltsame Kleidungsstil Thomas Gottschalks). Oder man erfreut sich noch kurz an diesem schönen Absatz aus Unterstögers Text:

„Nun gibt es freilich im Leben fast jedes Menschen Brüche. So kann es auch nach kerzengeraden Ministrantenjahren ziemlich krumm weitergehen, wie man an Hitler sieht, der sich als Ministrant im Stift Lambach ,oft und oft am feierlichen Prunke der äußerst glanzvollen kirchlichen Feste’ berauschte und dann doch vom rechten Weg abkam. Generell aber scheint der Dienst am Altar keine schlechte Vorbereitung fürs Leben zu sein (...).“

Ein Hitlervergleich in einem Text über messdienernde Showmaster. Und dann noch die ja auch nur mittelrichtige Behauptung, Hitler sei vom rechten Weg abgekommen - vor lauter Schreck hätte ich mir jetzt fast das Buch bei Amazon bestellt. Zum Glück steht aber auf der Medienseite der FAZ mal wieder, warum das keine gute Idee ist. Zumindest, wenn man den Leuten vom Amazon Anonymous glaubt.

[+++] Falls Sie schon immer mal einen „Betonkopf“, „Verharmloser“ oder gar „Lobbyjuden“ unterstützen wollten, ist jetzt ein guter Zeitpunkt: Die Achse des Guten macht auf Krautreporter und sucht Menschen, die 60 Euro im Jahr für das Projekt übrighaben.

„Mit 59,50 Euro jährlich sorgen sie dafür, dass wir weiterhin beschimpft werden.

Und außerdem, dass

... es die Achse weiterhin gibt und alle sie kostenfrei lesen dürfen

... wir unangepassten Journalismus betreiben können

... die Achse die Medienlandschaft mit neuen Ideen aufmischt.“

Heißt es auf der Website.

„Bei der ,Achse des Guten’ geht es häufig um Islamismus, Antisemitismus, die globale Erwärmung (die von einigen Achse-Autoren angezweifelt wird) und gesellschaftliche Fragen, die meist in polarisierend-polemischem Stil behandelt werden. Die Macher nehmen für sich in Anspruch, gegen einen wie auch immer gearteten ,Mainstream’ anzupublizieren. Dementsprechend zieht die ,Achse des Guten’ auch regelmäßig harsche Kritik auf sich, wird von Einigen als Hort eines rechtskonservativen, blind pro-amerikanischen, neo-liberalen Gedankenguts gesehen.“

Schreibt Meedia – eine Liste, die sich beliebig verlängern ließe, etwa um Attribute wie „islamfeindlich“, „intolerant“, „rechts außen“ oder auch gleich „latent wahnsinnig“.

5.000 Leser sollen nun dafür zahlen, damit sich Beschimpfungen durch selbsternannte Lobbyjuden wieder lohnen.

Von den Krautreportern hat die vermeintlich gute Achse schon mal gelernt, auch Menschen ohne Kreditkarte Zahlungen per Paypal oder Sofortüberweisung zu ermöglichen. Anonyme Spenden dürfen aber sicher, wie in konservativen Kreisen üblich, auch auf Schweizer Parkplätzen in bar übergeben werden. 


Altpapierkorb

+++ Eine erlesene Auswahl an Unterzeichnern hat sich diese Petition schon zugelegt. Ihr Ziel: „calling on the White House to respect journalists' right to gather and report the news in the digital age“. Was auch bedeutet: Hört auf, uns zu überwachen, sonst können wir unseren Job nicht ordentlich machen. Unterschrieben für das #RightToReport haben schon Glenn Greenwald, Alan Rusbridger, Laura Poitras, Christiane Amanpour und Arianna Huffington. +++

+++ „In den Medien werden von uns keine Gegenstimmen veröffentlicht. Popkorn rausholen: In den nächsten Tagen nehmen wir laufend Stellung zu Medienvorwürfen!“ So steht es derzeit auf jugend-tv.net, einer mehr als seltsamen Internetseite, die man wohl als eine junge Achse des Guten beschreiben könnte. Nach Zapp berichtet nun auch die taz darüber. „Wer wirklich hinter dem Projekt steht, ist nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen. (...) Im Quelltext der Seite fand sich aber ein Verweis auf den Schweizer Sektenführer Ivo Sasek, Gründer der Sekte ,Organische Christus-Generation’ und Inhaber von Klagemauer.tv, einem weiteren Onlinenachrichten-Format, welches ähnlich holprig inszeniert ist und sich aus dem gleichen Themenpool bedient.“ +++

+++ Derweil steht die taz selbst bei ihren zukünftigen Berliner Nachbarn in der Kritik. Vorwurf (ausgerechnet): unnötiges Fällen von Bäumen und Anheizen der Gentrifizierung. Im Hausblog begegnet Sebastian Heiser in gewohnt akribischer Art den Vorwürfen. („Für den taz-Neubau (rot markiert) sollen acht Bäume gefällt werden, für einen anderen Neubau auf einem Nachbargrundstück sechs weitere Bäume. Das Baugrundstück liegt direkt neben dem Besselpark und wird bisher als Parkplatz genutzt. Im Zuge der Umgestaltung des Gebiets um die ehemalige Blumengroßmarkthalle wird der Besselpark mit seinen 122 Bäumen um einen anderen Parkplatz erweitert (grüne Fläche rechts), wo 16 neue Bäume gepflanzt werden. Auf der anderen Seite der Besselstraße, auf der bisher eine abgezäunte Brachfläche ist, entsteht ein neuer Park (grüne Fläche oben) mit 23 zusätzlichen Bäumen (PDF). Da die Bäume neu gepflanzt werden, sind sie allerdings wesentlich kleiner als die Bäume, die für die taz gefällt werden.“) +++

+++ Die kubanische Staatspresse hat Gesellschaft bekommen. 14ymedio heißt die Onlinezeitung, die die bekannte kubanische Bloggerin Yoani Sánchez mit einem kleinen Team herausgibt und über die Peter Burghardt heute auf der Medienseite der SZ schreibt: „14ymedio ist aber keine Abrechnung, sondern ein schlichtes bis verwirrendes Potpourri mit allerlei Ressorts. Man könne Journalismus auf Kuba auch ohne Barrikaden bestreiten, findet die Redaktionsleiterin und Kolumnistin. (...) Castros Führung ließ die Herausforderer zuletzt in Ruhe und schweigt die Online-Zeitung tot“. +++

+++ Wer am Wochenende mal bei einem dieser sozialen Medien vorbeigeschaut hat, dürfte schwerlich um den Instagram-Account der isländischen Polizei herumgekommen sein. Auf der Medienseite der FAZ steht heute, dass sich deren spanischen Kollegen mit ihrem Twitter-Auftritt @policia nicht dahinter verstecken müssen. „Achtet nicht so sehr auf das, was die Polizei will, sondern auf das, was der Bürger braucht: So hätte man das Motto der Aktion umschreiben können. (...). Die Hauptthemen: Trickbetrug, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung, Entführung, Kinderpornographie, Internetkriminalität und Drogendelikte. (...) Darüber, ob Langeweile und Sensationsgier die Menschen motivieren, der Polizei im Netz zu folgen, will Carlos Fernández nicht spekulieren.“ +++

+++ Der Geschichte des Fernsehens in der Schweiz widmet sich derzeit eine Ausstellung des Historischen Museums Basel und aus diesem Anlass auch die NZZ. +++

+++ Falls Sie heute Abend noch nichts vorhaben sollten: Das ZDF einzuschalten ist auch keine Lösung, wenn wir Michael Hanfelds FAZ-Rezension der dort laufenden Doku „Wie gut sind unsere Lehrer?“ richtig verstehen. „Wer wird Lehrer? Wie viel arbeiten Lehrer wirklich? Sind Lehrer die Prügelknaben der Nation? Warum sind wir im Pisa-Test nur Mittelmaß? Wer bewertet die Leistungen der Lehrer? Das sind die Leitfragen, die der Film stellt. Beantwortet wird keine einzige.“ +++

+++ Noch ein Nachtrag vom Wochenende: Felix Magath muss nicht nur ertragen, dass ihn der britische Zweitligist FC Fulham als Trainer entlassen hat. Jetzt muss er auch noch Abmahnungen an die dortige Presse verschicken, die sich über Magaths vermeintliche „Terror-Herrschaft“ auslässt, die unter anderem Starr-Wettbewerbe beinhaltet haben soll. Was nicht stimmt, wie Magaths Anwalt Ralf Höcker der dpa gesagt hat, was wiederum u.a. faz.net veröffentlicht hat. „Das ist frei erfundener Blödsinn. Mein Mandant starrt keine Spieler an. Er schweigt sie auch nicht an, und er testet auch nicht, ob sie blinzeln. Wäre es nicht so traurig, dass ein solcher Unfug verbreitet wird, könnte man darüber lachen.“ Die britische Sicht auf „the crazy world of Felix the madcap“ steht im Fußball-Blog des Guardian. +++

Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.