Im Kaffeesatz gelesen

Im Kaffeesatz gelesen

Roboter sind noch zu dumm für Journalismus. Was nicht bedeutet, dass die Menschen wissen, wie es in dem Bereich in Zukunft weitergehen soll. Meedia hat sich derweil ein neues Bild von Wolfgang Büchner gemacht, die FAZ misst Entfernungen in der Einheit Hostienflug und in der Ukraine gibt es nun einen neuen unabhängigen Propaganda-Sender.

Die gute Nachricht ist: Roboter werden es wohl nicht machen. Die Gefährdung des Journalismus von heute geht also ausschließlich vom Internet aus. Kleiner Scherz, das Internet ist super und kann nichts dafür, dass noch niemand ein funktionierendes Erlösmodell für journalistische Produkte im Netz erfunden hat.

Worum sollt es hier gleich nochmal gehen? Ach ja: Roboter als Journalisten und die Gedanken, die sich Stefan Betschon für die NZZ zum Thema und zur bisherigen Berichterstattung darüber gemacht hat.

„Seit zwei, drei Jahren häufen sich in den Medien Berichte über Roboter, die journalistische Texte schreiben. Mit einer Mischung aus Angst und Faszination nähern sich Journalisten dem ,Kollegen Roboter’. Fast scheint es, als seien diese Texte von Robotern geschrieben worden, denn sie ähneln sich stark. Alle verzichten darauf, die innere Funktionsweise dieser Roboter detailliert zu beschreiben, ihre Möglichkeiten und Grenzen auszukundschaften.“

Drei Beispiele müssten in all diesen Artikeln den Beweis antreten, dass menschliche Journalisten sagen wir spätestens 2016 nicht mehr benötigt würden, meint Betschon: die Geschäftsberichte zusammenfassenden Programme von Narrative Science und Automated Insights sowie Quakebot, das Erdbebenwarnungen formuliert.

„Die Fortschritte der Computertechnik haben regelmässig auch die kühnsten Erwartungen übertroffen. In einem Bereich aber wurden die Voraussagen immer wieder enttäuscht: Im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI).“

Es folgen dann ein kleiner Abriss, was sich in Sachen KI in der Vergangenheit getan hat, und ein für alle Nicht-Robobter erlösendes Fazit:

„Doch wird es je eine Software geben, die zu beliebigen Themen – ,Die Freuden der Pflicht’, ,Medienethische Weiterungen im Fall Geri Müller’ – rasch einen fundierten, gut geschriebenen, spannend zu lesenden Text verfassen kann? Es wird diese Frage nicht verneinen, wer sich erinnert, dass die Fortschritte der Informatik immer wieder die kühnsten Erwartungen übertroffen haben. Doch es gibt derzeit keine Hinweise dafür, dass eine solche Software bald einsatzbereit wäre.“

Puh, nochmal Glück gehabt. Könnte man meinen, wenn der Journalismus von heute nicht auch ohne Roboter-Konkurrenz genug Probleme hätte, womit eine dieser Überleitungen zur um 21.30 Uhr laufenden Arte-Doku „Journalismus von morgen – Die virtuelle Feder“ geschlagen wäre, die sich eine vernünftige künstliche Intelligenz niemals ausdenken würde.

Kleiner Spoiler: Der Journalismus von morgen wird wohl etwas mit Internet zu tun haben.

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Zwei Jahre lang sind Philippe Kieffer, Pierre-Olivier François und Marie-Éve Chamard, die einst alle drei für die Libération schrieben, für ihren 90-Minüter durch die Welt gereist und haben indische Zeitungsausträger beim Balkon-Zielwurf beobachtet – eine der rar werdenden Situationen, in denen eine Print- der Online-Zeitung eindeutig überlegen ist - und die New York Times bei der Einführung ihrer Paywall. Blöd nur, dass diese zwei Jahre auch schon fast wieder zwei Jahre her sind, wie Altpapier-Autor René Martens in der taz bemerkt.

„Wird man heute den turbodynamischen Entwicklungen in der Medienwelt gerecht mit einer Dokumentation, die 2011, überwiegend 2012 und zu kleinen Teilen 2013 entstanden ist? Andererseits: Das Niveau der Kaffeesatzleserei zur Zukunft des Journalismus ist in den letzten Jahren kaum gestiegen. Es stellen sich immer noch dieselben großen Fragen, zum Beispiel, ob es gelingen wird, im Netz ,Bezahlgewohnheiten zu etablieren’, wie es Springers Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner in dem Film formuliert. Wenn ja, sagt er, habe der Journalismus eine ,grandiose Zukunft’ vor sich, sagt er. Tja, wenn.“

Eine weitere Vision Döpfners zitiert Lothar Müller in der SZ (S.31):

„die Idee der Zeitung vom Informationsträger Papier zu emanzipieren. (...) Und Wolfgang Blau, der von Zeit Online zum Guardian gegangen ist, um dort an der Digitalstrategie zu arbeiten, ist schon einen Schritt weiter als Döpfner. Das Papier sagt er, wird als Trägermedium – zum Beispiel für Wochenzeitungen – nicht aussterben, aber das journalistische Modell ,Tageszeitung’ wird zu Ende gehen.“

Das Altpapier als Medienkolumne, die sich sowohl vom Papier als auch vom Modell Tageszeitung längst emanzipiert hat, dürfte damit auf der sicheren Seite sein. Wie es allen anderen vom Journalismus von morgen Betroffenen morgen ergehen wird, bleibt abzuwarten, um hier noch einmal eine der wohl abgenutztesten Floskeln des Journalismus von heute zu bemühen. Oder, wie Thomas Gehringer es im Tagesspiegel formuliert:

„Die mit Einblicken in den Alltag von großen (NYT, Le Monde, Guardian, Bild) und kleinen Redaktionen gewürzten Statements von Journalistinnen und Journalisten, von Chefredakteuren, Herausgeberinnen, Wissenschaftlern, Philosophen und Kioskbesitzern ergeben einen vielstimmigen Chor. Oft werden sie als Rede/Gegenrede montiert. Eine Methode, die immer wieder zu neuen Fragen führt, aber nicht zu Gewissheiten.“

[+++] Was würden wir nur tun ohne das focus.de unter den Branchendiensten: Meedia? Nun gut, einen Teil der tagtäglich über dieses exklusive Portal laufenden Informationen bekäme man eventuell, indem man direkt das Handelsblatt läse und dort erführe, dass Stefan Aust eine Lichtgestalt zu nennen ist und Zalando tatsächlich Blogger beschenkt – wer hätte denn mit so was rechnen können?

Aber dass nun auch Wolfgang Büchner die Ice Bucket Challenge absolviert hat, auf derartige Nachrichten müsste man eventuell verzichten. Was in dem angesprochenen Fall besonders schade gewesen wäre, da dank des Post-Eiswasserdusche-Bildes das Foto-Material in der Redaktion geradezu explodiert ist: vorher gab es zwei Büchner-Motive, jetzt sind es drei!

Aufgedeckt und festgehalten hat das blog.borrowfield.de, wo die Erkenntnis nicht einfach nur verbreitet, sondern an die Verleihung des Wolfgang-Büchner-Preises 2014 gekoppelt wird. Wir zitieren aus der Laudatio:

„Mit dem Rückgriff auf die zwei immer gleichen, sich ähnelnden Stockfotos und deren minderoriginelle Bearbeitung schuf meedia.de einen in der deutschen Medienlandschaft einmaligen Raum der Ruhe und Besinnung. Gleichzeitig prägten sie das Bild des Dargestellten in all seiner Facettenlosigkeit nachhaltig.“

Falls jemals ein Symbolbild „Wolfgang Büchner begossener Pudel“ benötigt werden sollte, ist man bei Meedia nun gut aufgestellt. Noch toller könnte es nur noch werden, wenn ein freundlicher Paparazzo rasch Büchner vor einer grünen Ampel ablichtete – ganz recht, trotz starker Abnutzung dieses Sprachbildes über das Wochenende (siehe Altpapier gestern) ist es bis heute in Gebrauch:

„Ein weiterhin ungeliebter Chef also, der seinen Redakteuren am Montag in der Konferenz zu erklären hatte, wie es nun weiter geht. Das soll er, wie man hört, zusammen mit Geschäftsführer Ove Saffe selbstkritisch getan haben. Dennoch besteht weiterhin Gesprächsbedarf, die beiden sollen vor allem ihre Sicht auf die Gesellschaftererklärung erläutert haben. Es bleibt die Frage: Wie grün ist das Licht für Büchners Konzept also wirklich?“

fragen Markus Ehrenberg und Tatjana Kerschbaumer im Tagesspiegel. Was hier aber eher der grünes-Licht-Vollständigkeit halber Erwähnung findet; ansonsten gibt es wohl nichts Neues an der Ericusspitze.

[+++] Der Wolfgang-Büchner-Preis 2014 ist nun leider schon weg; Oliver Jungen bleibt damit nur der im Preis-Vergleich etwas schlechter abschneidende Große-Otto-Waalkes-Humor-Gedächtnis-Preis. Bei dem er jedoch dank seines Artikels über das Kölner Domradio, der heute auf S. 13 der FAZ nachzulesen ist, die drei ersten Plätze belegt.

Auf Platz drei: „Sender im Auftrag des Herrn“.

Platz zwei: „Kreuzgangübersichtlich ist es im Sender mit dem Draht nach oben“.

Und auf Platz eins: „Das denkmalgeschützte Bauwerk beherbergt unter anderem das Domforum, es liegt direkt vis-à-vis der Westfassade des Kölner Doms. Das ist wahrhaft erste Reihe; das verschachtelte Hauptgebäude des WDR, dessen Etat 466 Mal höher ist, befindet sich zwar in Dosentelefonentfernung – man könnte sich durch die geöffneten Fenster mit Maus-Radiergummis oder Hostien bewerfen –, aber eben doch erst dahinter.“

Hostienweitwurf. Dazu fällt selbst uns nichts mehr ein. Außer zu guter Letzt noch zu klären, was dieses Radio denn so macht:

„Hin und wieder hat das Domradio kleine Scoops gelandet. So erhielt man als einziger Sender die Erlaubnis, den Trauergottesdienst anlässlich der Beisetzung von Hannelore Kohl zu übertragen. Aber die Redakteure, das merkt man schnell, haben es auf solche Exklusivität gar nicht abgesehen.“


Altpapierkorb

+++ Wer wissen möchte, wer in der vergangenen Nacht Emmys gewonnen hat, der kann das u.a. bei DWDL nachlesen. Für Klick-Sparfüchse schon hier die Zusammenfassung: scheint alles sehr erwartbar abgelaufen zu sein, wenn wir Thomas Lückerath recht verstehen: „Die 66. Primetime Emmy Awards in der Nacht zu Dienstag entpuppten sich beim Blick auf die Preisentscheidungen als eine recht konservative Preisverleihung. Dass die Entscheidungen bei den Emmys von den Mitgliedern der Television Academy bestimmt werden, mag der Auszeichnung unumstritten Gewicht verleihen, wie es eine Fachjury schwer könnte. Doch auf neue Serien und Trends reagieren die Emmys stets mit Verzögerung. Eine Fachjury wäre da möglicherweise progressiver.“ +++

+++ In der Ukraine gibt es einen neuen englischsprachigen Fernsehsender namens Ukraine Today, der vorgibt, ein propagandafreies Gegenprogramm zu Russia Today zu liefern, dieses Versprechen aber nicht einlöst, wie Cathrin Kahlweit heute in der SZ schreibt. Was daran liegen könnte, dass der Sender vom ukrainischen Oligarchen Ihor Kolomojskij finanziert wird. „Kolomosjkij ist kein einfacher Zeitgenosse, politisch schwer einzuschätzen und auch nicht immer ein Anhänger rechtsstaatlicher Methoden. Wladimir Putin nennt er schon mal einen ,Schizophrenen’. Im Kampf gegen die von Moskau unterstützten Separatisten rief er eine ,Kopfprämie’ aus, danach kam er mit der Idee einer Mauer an der ukrainisch-russischen Grenze – und nie war so ganz klar, ob das wirklich ernst gemeint war. (...) Nun finanziert er also auch einen englischsprachigen Sender. Bisher beteuert der Oligarch, er werde sich inhaltlich völlig heraushalten. Solange die Berichterstattung straff pro-ukrainisch ist und seinen neuen Ruf als selbstlosen Patrioten mehrt, könnte das sogar zutreffen.“ +++

+++ Im ZDF läuft heute Abend die Dokumentation „Das Milliarden-Geschäft der Zalando-Boys“ und Daniel Bouhs versucht in der taz aufzuklären, warum sich der sonst so scheue Oliver Samwer zu einem Interview bereit erklärte. „Zentrales Element der 45-minütigen Dokumentation ist der erste Auftritt Samwers im Fernsehen. Ein Kurswechsel zum passenden Zeitpunkt? Mitnichten, sagt Samwers Sprecher auf Nachfrage. ,Es hat einfach noch keiner gefragt’, erklärt Andreas Winiarski, ,von der ARD einmal abgesehen.’ Die habe Samwer einst gefragt, ob er sich in die Runde von Günther Jauch setzen wolle. Doch den Auftritt zum polarisierenden Thema ,Superreiche’ habe der Firmengründer dann doch abgelehnt.“ Wirklich gelohnt habe sich der Gang vor die Kamera aber nicht, meint Bouhs; „der Erkenntnisgewinn des Interviews hält sich einigermaßen in Grenzen.“ +++

+++ Bei Vocer erklärt Thom Nagy, was man sich im NZZ Lab bei der Konzeption von NZZ Stream gedacht hat, und was man aus dem Projekt lernen kann. (Achtung! Text könnte Fantasie-Vokabular enthalten, das aus der Zukunft des Journalismus zu uns gereist ist. Oder aus einem benachbarten BWL-Kurs.) „Das Verhältnis von Page Impressions zu Visit und die durchschnittliche Verweildauer sind auf NZZ Stream deutlich höher als auf NZZ.ch (Desktop, Tablet und Smartphone). Auf Tablets ist diese Steigerung besonders ausgeprägt: Pro Besuch werden hier mehr als 4x so viele Seiten gesehen, die Verweildauer ist um rund 60 Prozent höher. Dafür sorgt wohl zum einen die erhöhte individuelle Relevanz durch die Ressort-Filter, insbesondere aber das für Touch-Devices optimierte Interface mit seinem Infinite Scrolling.“ +++

+++ Zum Schluss gibt es noch gute Nachrichten für Menschen, die sich gerne sonntagmorgens eine Sendung anschauen, in der Stefan Mross bis zur Bewusstlosigkeit Currywürste testet: der Spaß dauert jetzt eine halbe Stunde länger. Darunter leiden muss die Sendung mit der Maus, die in den nächsten Wochen früher läuft, wie DWDL berichtet. Und das, obwohl Kinder doch so konservative Zuschauer sind, wie sich Armin Maiwald beim Kölner Express beklagt. +++

Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.