Die relative Vertiefungstiefe

Die relative Vertiefungstiefe

Ist Büchners Abgang nur aufgeschoben? Wird der gedruckte Spiegel wirklich besser, wenn er mit dem nicht-gedruckten Spiegel verzahnt wird? Inwiefern ist die Lage des Nachrichtenmagazins eigentlich vergleichbar mit der der SPD und des Suhrkamp-Verlags? Allerlei spiegelige Fragen auch heute. Außerdem: Krieg ist nicht clean, also sind es auch nicht die Fotos, die ihn zeigen; Zeit-Redakteur Jens Jessen zieht wohl bald nach Gagahausen.

Peter Studer war in den 90er Jahren Chefredakteur des Schweizer Fernsehens, und jetzt ist er, wie das häufig so ist bei Veteranen, etwas verzweifelt über Usancen im aktuellen Mediengewerbe:

„Muss denn jede Journalistengeneration die Essentials der Bildkontrolle wieder neu lernen?“

Das fragt er sich bei journal21.ch mit Blick auf die Bilder der Exekution James Foleys.

Der Kriegsfotograf Christoph Bangert vertritt in der FAS die Gegenposition:

„Viele Medien haben das mit den Standfotos ganz gut gelöst. So kann man sich damit auseinandersetzen, ohne sich der Propaganda aussetzen zu müssen.“

Bangert ist grundsätzlich der Ansicht, dass die Medien Zuschauern und Lesern auch die grausamsten Bilder zeigen sollten, weil man „sich mit den Ereignissen, die sie zeigen, auseinanderzusetzen muss“ (siehe ein Altpapier von Anfang Juli). Zu den ebenfalls unter dem Darf-man-das?-Aspekt zum Beispiel hier und hier heftig diskutierten Leichenfotos, die die berühmte Agentur Magnum nach dem Abschuss der MH17 in der Ukraine verbreitete, sagt Bangert:

„An den Bildern ist überhaupt nichts falsch. Der Fotograf ist an diesen Ort gekommen und hat fotografiert, was er gefunden hat. Das ist richtig, diese Bilder müssen existieren. Aber man muss natürlich sehr vorsichtig sein, was man damit macht.“

Das sei aber wiederum die Aufgabe von Redaktionen, und diese hätten die Bilder dann ja auch „gefiltert“, meint er. Bangert ist heute zu sehen in einer Diskussionsrunde, die Phoenix im Rahmen des Themenabends „Reporter im Krieg“ sendet. Der wiederum ist Auftakt einer Themenwoche „Krieg und Frieden“ (siehe auch wolfsiehtfern.de). Die Diskussion wird moderiert von WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich, die sich zu der Frage, welche Bilder man zeigen und senden darf, im Tagesspiegel so äußert:

„Ich gehöre da vermutlich zu einer Minderheit und glaube nicht an Schonung der Zuschauer, der Leser. Krieg ist nicht clean. Wir sollten an die Schmerzgrenze gehen, denn der Horror eines Krieges ist grenzenlos.“

Mikich plädiert im Tagesspiegel-Gespräch darüber hinaus für eine „Friedensberichterstattung“ bzw. einen „Friedensjournalismus“, der nicht nur in Kategorien von Sieg und Niederlage denkt:

„Wir müssen vermeiden, den Konflikt nur als Gewalt innerhalb einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort zu sehen. Handelt es sich um Frieden, wenn ein Vertrag unterschrieben wird? Welche Fragen sind offengeblieben und können in der Zukunft neue Gewalt auslösen? Wer bietet friedensschaffende Optionen, Ideen und Initiativen? Was sind die Folgen für die direkt und indirekt Betroffenen? Nicht nur auf den Horror fokussieren.“

Woraufhin Interviewer Joachim Huber sagt:

„Das klingt komplex, kompliziert, ja zäh. Da ist die Kriegsberichterstattung mit ihrer Action deutlich im Vorteil.“

[+++] Wie viele von den Zillionen Texten, die über die Auseinandersetzung zwischen Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner und großen Teilen seine Truppe erschienen sind, in die Kategorie der Kriegsberichterstattung fallen und wie viele eher dem Friedensjournalismus zuzurechnen sind - schwer zu sagen. Aktuell interpretieren die Krisenexegeten jene drei Sätze, aus denen die „gemeinsame Erklärung“ der drei Spiegel-Gesellschafter besteht, die am Freitag einige Stunden lang Kriegsrat hielten (siehe Altpapier).

Michael Hanfelds Text dazu steht im Keller der FAZ-Feuilleton-Aufmacherseite:

„Bis vor Beginn der Sitzung mochte es manchem so scheinen, der Chefredakteur werde von den Gesellschaftern an die frische Luft gesetzt, wie sich das die Mehrheit der Redakteure des gedruckten Magazins, die am Donnerstagabend eine Petition verfasst hatten, die das Projekt verschieben will, vielleicht auch wünscht. Doch die Gesellschafter haben einen Paradigmenwechsel eingeläutet. Sie geben grünes Licht für einen Prozess, von dem nicht nur die Zukunft des Chefredakteurs, sondern die des Spiegel abhängt. Was hier geschieht, können alle in der Branche als Exempel nehmen. Die Frage ist, ob der Spiegel mit gutem Beispiel vorangeht oder ob er sich von der Zukunft verabschiedet.“

Was das „grüne Licht“ angeht - da werden sich die Kollegen von der Floskelwolke aber wieder freuen! -, differenziert Jürn Kruse (taz), indem er aus einem Brief der Spiegel Mitarbeiter KG an die Dokumentationsabteilung des Hauses zitiert:

„Es gibt keinen Beschluss der Spiegel-Gesellschafter, der das vorgelegte Konzept in der vorgesehenen Weise billigt.“

Um bei der Floskel zu bleiben: Das Licht ist also nur im Prinzip grün. Christian Meier (meedia.de) spricht von einer „Bewährungsfrist“ für Büchner und die Redaktion. Die Lage sei folgendermaßen:

„Erst muss er die Ressortleiter von seinen Plänen überzeugen. Nach meedia-Infos soll er dafür zwei Monate Zeit bekommen. In dieser Zeit soll er sich voll auf die Überzeugungsarbeit konzentrieren, auch kein Blatt machen.“

Darauf geht auch Claudia Tieschky (SZ) ein:

„(Büchner) geht auf Werbetour. Vor der Redaktion wird der Chefredakteur des Spiegel am Montag verkünden, dass er sich für das Projekt bis auf weiteres aus dem journalistischen Tagesgeschäft zurückzieht. Auch das sagt einiges über die Lage.“

Mit anderen Worten: Jetzt geht‘s eigentlich erst richtig los. Das ist auch der Tenor des Gesprächs zwischen Brigitte Baetz und Bettina Schmieding in der DLF-Sendung Markt und Medien.

Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob ein Chefredakteur „gegen seine ganze Redaktion arbeiten“ kann. So formuliert es Tieschky, und sinngemäß taucht dieses Motiv in zahlreichen Artikeln auf. In einem weiteren taz-Text zum Beispiel. Anne Fromm schreibt dort:

„Mit mehr als 80 Prozent erklärten Gegnern wird Büchner schwer arbeiten können. Sie werden seine Ideen blockieren, wo es nur geht. Von einer ‚gemeinsamen Erarbeitung‘ des neuen Konzepts, wie sie den Gesellschaftern vorschwebt, kann dann wohl keine Rede sein. Unter diesen Bedingungen wird Büchner nicht mehr lang bleiben. Offen ist nur, wer die Kündigung ausspricht.“

FAS-Redakteur Claudius Seidl, der vor langer Zeit auch mal beim Spiegel war, gehört zu den wenigen, die sich fragen, ob die sog. Verzahnung von gedrucktem Spiegel und Spiegel Online tatsächlich etwas dazu beitragen könnte, dass ersterer „besser, also schärfer, genauer (...) und auch vergnüglicher“ wird. Der Feuilletonchef der FAS vertritt also eine andere Ansicht als Hanfeld, der ja wiederum einer der Stellvertreter des FAZ-Feuilletonchefs ist. Oh, du wunderschöner Binnenpluralismus!

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Außerdem schreibt Seidl, „von außen betrachtet“ könne man den Konflikt, der da in Hamburg tobt, unter anderem deshalb „kaum fassen“, weil der Spiegel „eine Umsatzrendite von 16 Prozent erwirtschaftet, weshalb in dieser Hinsicht kein allzu panisches Krisenmanagement nötig zu sein scheint“. So gesehen ist es mit dem Spiegel - dem es also eigentlich paradiesisch geht, verglichen mit der FAZ - ein bisschen wie mit der Stadt, in der er erscheint, die wiederum Hans E. Platte gerade mit den Worten „halb total reich, halb reichts total“ beschrieben hat.

Wenn wir schon bei dem Komplex der Spiegel und seine Stadt sind: Markus Ehrenberg (Tagesspiegel) bezieht in seine Spiegel-Betrachtung noch den Stern mit ein - und vergleicht beider Lage mit der des HSV in der vergangenen Saison. Außerdem lässt er den Lead-Academy-Zampano Markus Peichl sagen:

„Das Problem besteht darin, dass die sogenannten Leitmedien immer noch stark unter dem Einfluss von Leuten stehen, die aus den goldenen Zeiten des Print-Journalismus kommen.“

Och, echt jetzt? Peichl war auch schon mal origineller. Eine andere Position des früheren Tempo-Chefredakteurs fasst Ehrenberg so zusammen:

„Markus Peichl hofft, dass Hamburg durch diese Machtkämpfe, Verwerfungen und Bedrohungsszenarien nicht zum alten Rom der Medienrepublik wird.“

Man kann an dieser Stelle vermuten, dass der Perfektionist Peichl, der einst redigierte, bis der Arzt kommt, das mit dem alten Rom zwar so gesagt, es beim Autorisieren aber wieder gestrichen hat. Wer der Pierre-Michel Lasogga von Spiegel und Stern sein könnte, bleibt in Ehrenbergs Text im Übrigen offen.

Wolfgang Michal denkt, wenn er die Situation bei Spiegel so betrachtet, nicht an den HSV, sondern an Suhrkamp und die SPD:

„Ihre beste Zeit hatten die drei Institutionen in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts (...) Was wir ‚politische Kultur‘ nennen, haben diese drei maßgeblich geprägt (... Doch schon in den achtziger Jahren begann ihre Krise. Die einsetzende geistige Wende brachte Reagan, Thatcher und den Neoliberalismus an die Macht, sie brachte aber auch die Umwelt-, die Frauen- und die Friedensbewegung hervor. Die Fassaden von Suhrkamp, Spiegel und SPD schienen zwar noch in Ordnung, aber hinter den Fassaden krachte bereits das Gebälk. Die politische Transformation, die wir uns angewöhnt haben, ‚Postmoderne‘ oder ‚Postdemokratie‘ zu nennen, arbeitete an der Überwindung der Suhrkamp-, SPD- und Spiegel-Kultur.“

Michael konstatiert in seinem Blog des weiteren, „die drei großen S“ hätten „den Wandel des Zeitgeists defensiv erlitten – anstatt ihm eine Alternative entgegenzusetzen“. Konkret:

„Sie dealen mit Muddis marktkonformer Demokratie anstatt den demokratiekonformen Markt einzufordern.“

[+++] Das ist ein guter Anlass, einen Blick in den aktuellen Spiegel zu werfen, der auch einen „Essay“ über „Muddi“ enthält. Dirk Kurbjuweit beschreibt anhand von sieben Begriffen die „seltsamen Führungsstrategien“ der Protagonistin, und einer dieser Begriffe lautet allen Ernstes „Situationismus“, weshalb der Text durchaus würdig ist, in die Reihe „Welterklärungen, die über den Tag hinaus beschäftigen“ (siehe Matthias Dells Altpapier von Donnerstag) aufgenommen zu werden:


„Situationismus: Dieser Begriff meint eigentlich eine Richtung des Sozialismus, in der Aktivisten spontan protestieren. Merkels Situationismus funktioniert so ähnlich. Sie nutzt bestimmte Situationen, um den Widerstand gegen ihren Anliegen kleinzuhalten. Ein anderer Name dafür ist Überfallpolitik.“

Hätte da nicht die Dokumentationsabteilung des Spiegel einschreiten müssen? Oder der Lektor des Verlags, der das Buch veröffentlicht, aus dem Kurbjuweits Text stammt? Falls Sie wissen wollen, was Spiegel-Leser nicht wissen sollen - also, was Situationismus ist -, bestellen Sie bitte beim Buchdealer Ihres Vertrauens Produkte der Edition Nautilus.

Einen Anlass, auf die monatliche Kulturmagazinbeilage des Spiegels einzugehen, gibt es heute auch. Der Schwerpunkt des aktuellen Kulturspiegels ist nämlich der Feuilletonkritik gewidmet. Das hiesige Feuilleton, so lautet der Vorwurf, ignoriere bestimmte Formen der populären und leichten Kunst, zum Beispiel  Musicals und Seifenopern. Unter anderem im Heft: ein Porträt Gabriele Metzgers, der zweitdienstältesten Soap-Darstellerin, die nach dem Ende von „Verbotene Liebe“ nun „vor einem neuen Leben ohne zweites Ich“ steht. Leiterin des Kulturspiegel-Redaktion ist bekanntlich die als Büchner-Anhängerin geltende Marianne Wellershoff, die im neuen Heft mit einem Text vertreten ist, der bemängelt, dass „über Musicals lediglich im Wirtschaftsteil berichtet“ werde. Dass eine Art Statement-Heft im weiteren Sinne mitten in die aktuelle Spiegel-Krise reinplatzt, ist natürlich Zufall, wenn man den Produktionsvorlauf eines Monatstitels bedenkt, aber ein nicht uninteressanter Zufall. Nur mal so: Geht Wolfgang Büchner eigentlich in Musicals?

[+++] Um das Thema Medienwandel, das bei der Spiegel-Debatte immer mitschwingt, mal wieder in allgemeine Bahnen zu lenken: Die SZ hat sich am Wochenende auf einer Feuilleton-Doppelseite unter verschiedenen Gesichtspunkten mit dem „Kulturkonsum im Zeitalter des Online-Zugriffs“ beschäftigt. Johan Schloemann schreibt darüber, was sich für die „periodische Presse“ verändert hat:

„In Wahrheit (...) war das Lesen von Periodika immer schon eine punktuelle Vertiefung in einem Umfeld voller Ablenkungen. Was man im 19. Jahrhundert der Zeitung vorwarf - Kurzatmigkeit, Zerstreuung, Sensation, Oberflächlichkeit -, das wird heute all dem vorgeworfen, was im Netz mit der Zeitung konkurriert. Die Vertiefungstiefe ist eine relative Größe.“

Das sollte man mal im Auge behalten für alle Debatten um die Gegenwart und Zukunft des Journalismus.

[+++] Ein Thema, das wohl mehr Aufmerksamkeit bekäme, wenn es den kalten Krieg an der Ericusspitze und die vielen heiße Kriege in verschiedenen Weltregionen nicht gäbe: „die herbe Klatsche, die das Bundeskartellamt dem von der VG Media angestrebten Missbrauchsverfahren gegen den Suchmaschinenanbieter Google erteilt hat“. So steht es beim Presseschauer. Mit dem Thema befassen sich auch faz.net und Stefan Niggemeier.

„Die Anknüpfungspunkte für ein eventuell kartellrechtsrelevantes Verhalten von Google beruhen teilweise nur auf Mutmaßungen“,

moniert das Kartellamt. Das „Beschwerdeziel“ bleibe „unklar“. Außerdem heißt es in der von der Behörde geschickten „Warnung“ (faz.net), die iRights.info vollständig dokumentiert:

„Eine Pflicht von Google zur Darstellung der Webseiten deutscher Presseverlage in einem so großem Umfang, dass das Leistungsschutzrecht nach § 87 f UrhG berührt würde, kommt aus Sicht der Beschlussabteilung (...) nicht in Betracht.“

Dieses Zitat hebt der Presseschauer hervor, der die Causa folgendermaßen kommentiert:

„Tatsächlich hat die Sichtbarkeit von Verlagsinhalten bei der Google-Suche im Vergleich zu früher abgenommen. Wer nach einem aktuellen Thema sucht, bekommt zwar einen Newsblock im Suchergebnis angezeigt, doch dieser ist in seiner Gesamtheit stark reduziert. Jedenfalls hat das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in punkto Auffindbarkeit genau das Gegenteil bewirkt von dem, was die Bundesregierung mit der Digitalen Agenda vorhat.“


ALTPAPIERKORB

+++ Die Frage, wer James Foley geköpft hat, scheint geklärt zu sein. Der mutmaßliche Täter ist ein früherer HipHop-Musiker aus London (The Independent u.a.). Einen filmischen Nachruf auf Foley brachte am Sonntag der Weltspiegel.

+++ Einen festen Wohnsitz in Gagahausen, dort, wo Harald Martenstein und Reinhard Mohr schon lange leben, hat offenbar Jens Jessen im Visier. „Mit der Forderung, über den Behinderten zu sprechen, als sei er dem Nichtbehinderten gleichgestellt, über den Homosexuellen, als sei er fortpflanzungsfähig wie eine Frau (...)“ - ja, ja, so fängt ein Satz seines aktuellen Zeit-Artikels an. Und so ein anderer: „Während die Prüderie im öffentlichem Diskurs rapide zunimmt, kleinste Anzüglichkeiten, unschuldige Direktheit oder auch nur altmodische Redewendungen den Verdacht auf Sexismus auslösen ...“ Dass „im Namen der Emanzipation“ nichts auszurichten sei „gegen die wölfische Menschennatur“, bekommt man ebenfalls mitgeteilt. Siehe dazu diesen und diesen Tweet von @marga_owski.

+++ Lutz Hachmeister hat fürs demnächst erscheinende „Jahrbuch Fernsehen 2014“ ein laaaanges Gespräch geführt mit dem langjährigen ZDF-Intendanten Dieter Stolte, der demächst 80 Jahre alt wird. epd medien hat das nicht nur „für Medienhistoriker“ (Stolte) interessante Interview in der aktuellen Ausgabe vorabgedruckt. Zu erfahren ist, dass der erste Gesandte der Bundesregierung im ZDF-Verwaltungsrat der NS-Verbrecher Friedrich Karl Vialon war: „Ich bin heute noch mehr darüber entsetzt als damals, dass so jemand die Bundesregierung im Verwaltungsrat des ZDF vetreten konnte“, sagt Stolte. Mehr Hachmeisterliches und auch thematisch halbweg passend zum gerade Erwähnten: ein Beitrag von Deutschlandradio Kultur zu Hachmeisters Buch über das 1976 erschienene Spiegel-Interview mit Martin Heidegger (siehe Altpapier). „Indem Heidegger das Spiegel-Interview nutzt, das System der NS-Herrschaft auf ‚Technik' zu reduzieren, wird der Nationalsozialismus vollständig entindividualisiert. Jede Form moralischer Reflexion lehnt Heidegger konsequent ab" - so der Buchutor in dem Radiobeitrag.

+++ Womit wir auf Umwegen ja wieder beim Spiegel gelandet wären, auf dessen aktuelle Medienseiten wir ja noch gar nicht eingegangen ist. Auf der Meldungsseite geht es unter anderem um ein beim SWR kursierendes „Handbuch Ranking-Formate“, das, so Markus Brauck, „den Verdacht (erweckt), dass Eingriffe in die Abstimmungsergebnisse unter bestimmten Umständen sogar erwünscht waren“ (siehe auch Newsroom und dwdl.de). Ebenfalls von Brauck: ein Text über Krautreporter, Crowdspondent und Buzzfeeds deutsche Filiale (Seite 130 ff.).

+++ Ein Nachtrag aus der vergangenen Woche: Lutz Marmor, die beliebte Phrasenkombisoftware auf zwei Beinen, „sagt“ (falls man das so sagen kann) im Interview mit Ulrike Simon (Berliner Zeitung): „Zuschauer und Hörer haben einen Anspruch darauf, für ihr Geld gute Qualität zu bekommen. Da haben wir im Einzelnen noch Luft nach oben. Wir sind aber auf gutem Weg, siehe Degeto oder (...)“ In diesem Zusammenhang ein Vorschlag an die Redakteure unter unseren Lesern: Bitte in Zukunft Interviewäußerungen, Pressemitteilungsabschnitte und ähnliche Wortmeldungsbrocken, in denen die Formulierungen „auf einem guten Weg“ und „Luft nach oben“ vorkommen, wegen Belanglosigkeit grundsätzlich streichen! Man wird ja wohl noch Utopien formulieren dürfen.

+++ Dass die ARD auf dem Weg nach oben ist, wo die Luft gut ist, zeigt heute bestimmt auch der von den Supertopcheckern des Senderverbunds ausgeheckte „Montags-Check“. Der erste Film ist aber nur der Remix eines alten: „Drei Jahre liegt ‚Der Ikea-Check‘ zurück, den der WDR jetzt aufgefrischt hat. Da ist man mal gespannt, ob der Anteil an zertifiziertem Holz bei der Produktverarbeitung – damals lag er bei 24 Prozent – inzwischen gestiegen ist“, schreibt Barbara Möller (Die Welt) im ersten Abschnitt ihrer TV-Wochen-Vorschau. Hintergründe zum „Montags-Check“: siehe dpa/WAZ (unkritisch) und Peer Schader (dwdl.de im Juni, kritisch)

+++ Gestern zum letzten Mal im Fernsehen: artes Popgeschichts-Schwerpunkt „Summer of the 90s“. Für die Funkkorrespondenz blicke ich auf die vergangenen sechs Wochenenden zurück. Fazit: teilweise sehr gute Einzelfilme, aber schwache Überblicksdarstellungen.

+++ Auf den schon sehr langen Kampf diverser Sportbar-Wirte gegen Sky gehen Jürn Kruse und Jan Scheper (taz) anhand der Lage eines Gastronoms im südost-berlinerischen Friedrichshagen ein, der schon wieder eine sog. Preisanpassung verkraften muss: „Es ist die dritte seit vergangenem Jahr. Sie könnte das Ende seiner Kneipe bedeuten.“ 

Neues Altpapier gibt es am Dienstag.