Mit Recht empörte Inselbewohner

Mit Recht empörte Inselbewohner

Der einstige Kommunikationschef des britischen Premiers wird wegen eines Medienskandals verurteilt, der selbst pragmatische Inselbewohner empörte. Deutsche Verleger beschweren sich beim Kartellamt über Google. Meedia ist endgültig in der Meta-Ebene gefangen. Und in Kenia lacht man über vermeintlich weltverbessernde NGOs.

Augen auf bei der Mitarbeiterwahl! Das hätte sich der britische Premier David Cameron zu Herzen nehmen sollen, bevor er britischer Premier wurde und in jener Zeit einen Mann als Kommunikationschef anheuerte, der gerade erst wegen eines Abhörskandals als Chef beim britischen Boulevardblatt „News of the World“ herausgeflogen war. Andy Coulson sein Name, und gestern wurde er, nunja, wegen eines Abhörskandals beim britischen Boulevardblatt „News of the World“ verurteilt. Wer rechnet denn mit so was?

David Cameron offensichtlich nicht, und so durfte er sich gestern in der großen Politiker-Kunst des Zurückruderns üben, wie der Guardian dokumentiert:

"I take full responsibility for employing Andy Coulson. I did so on the basis of undertakings I was given by him about phone hacking and those turned out not to be the case. I always said that if they turned out to be wrong, I would make a full and frank apology and I do that today. I am extremely sorry that I employed him. It was the wrong decision and I am very clear about that." 

Eine Vorlage, die man sich als Oppositionsführer natürlich nicht entgehen lässt – Auftritt Ed Miliband:

"This was not small or accidental mistake. He stuck with Andy Coulson for a long period of time – it was not as if there was not information out there to arouse his suspicions. He was warned by the deputy prime minister, he saw front page stories in newspapers, he was warned by newspaper editors and still he refused to act."

Klingt, als ob Cameron nun einen guten Kommunikationschef gebrauchen könnte.

Doch bevor wir uns hier zu sehr in britische Politik verstricken, schauen wir lieber, was die deutschen Medien über das Urteil nach dem britischen Medienskandal schreiben. Bei dem es, wir erinnern uns, um das Abhören von Mailboxen meist von Prominenten zum Abgreifen guter Geschichten ging, und zwar in Dimensionen, die „selbst die pragmatischen Inselbewohner“ empört hätten, wie Joachim Huber im Tagesspiegel erklärt.

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Und wenn selbst pragmatische Inselbewohner auf die Barrikaden gehen, muss echt was vorgefallen sein. Etwa das Anzapfen der Mailbox eines verschwundenen Mädchens.

In Folge des Skandals stellte Rupert Murdoch 2011 die zu seinem Imperium gehörenden „News of the World“ ein und es kam zu eben jenem Prozess, der gestern zu Ende ging und den Christian Zaschke auf der Medienseite der SZ heute wie folgt zusammenfasst (online steht, wie auch bei der später zitierten FAZ, derzeit nur eine Agenturmeldung):

"An den 138 Verhandlungstagen kamen viele Details über die Arbeit der britischen Boulevardpresse ans Licht. Zum Beispiel erfuhr die Jury von der sogenannten binology, was sich am ehesten als 'Mülleimerwissenschaft' übersetzen lässt: Reporter oder Privatdetektive durchkämmten die Abfalleimer von Anwälten, um zu sehen, ob sich dort nicht Storymaterial finden ließ. Zudem wurde publik, dass Brooks (Rebecca Brooks, ebenfalls ehemalige Chefredakteurin der News of the World, Anm. AP) und Coulson jahrelang eine Affäre hatten – die Anklage argumentierte, dass dies bedeute, wenn einer der beiden vom Hacken wusste, war auch der andere eingeweiht. Die Jury folgte dieser Argumentation nicht."

Stattdessen wurde Brooks freigesprochen – sie sei doch erst 32 und mit zu wenig Berufserfahrung ausgestattet gewesen, als sie den Job beim Boulevardblatt antrat, argumentierte sie vor Gericht, wie Jochen Buchsteiner auf der Medienseite der FAZ berichtet: „Die Geschworenen glaubten ihr, dass sie sich auf ältere Kollegen verlassen und von illegalen Praktiken nichts mitbekommen habe.“

Ihr Nachfolger Coulson hingegen wurde verurteil, wenn auch noch nicht klar ist, wozu. Ralf Sotscheck bei der taz:

"Die Geschworenen sind bei zwei anderen Anklagepunkten zu keinem einstimmigen Urteil gelangt. Der Richter schickte sie zu weiteren Beratungen in Klausur und erklärte ihnen, sie dürften mit einer Mehrheitsentscheidung zurückkommen, falls sie sich nicht einigen können. Coulson muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen."

Womit wir das Thema für heute abschließen und zu anderen News umschwenken, nämlich Google News, mit dem die Verleger und ihr heißgeliebtes Leistungsschutzrecht bekannterweise ein Problem haben. Nun haben zwölf von ihnen (darunter Springer, Burda, Funke, M. DuMont Schauberg) samt Verwertungsgesellschaft VG Media Beschwerde beim Kartellamt eingereicht, weil Google seine Marktführerschaft ausnutze, um das Leistungsschutzrecht auszuhebeln, wie sie meinen.

"'Google zwingt die Verlage quasi, auf das eben erst verabschiedete Leistungsschutzrecht zu verzichten – andernfalls werden die Angebote der Titel nicht mehr auffindbar sein', sagte Verleger Christian DuMont Schütte. Diese Drohung sei ein Missbrauch ihrer Stellung mit weitreichenden Folgen für die deutschen Verlage."

Zitiert Kurt Sagatz die Beschwerdeführer im Tagesspiegel. Bei Kress findet man die Stimme der Gegenseite:

"'Es stand Verlagen immer frei, selbst zu entscheiden, ob ihre Inhalte bei Google News angezeigt werden', erklärte ein Google-Sprecher am frühen Dienstagnachmittag gegenüber kress.(...) 'Eine große Mehrheit der deutschen Verlage hat sich dafür entschieden, auf Google News zu bleiben und damit bestätigt, dass ihnen Google News echten Mehrwert bringt', heißt es bei Google."

+++ Es sah nach einem verdammt guten Photobombing aus, das Thomas Roth am Samstagabend bei den Tagesthemen gelungen zu sein schien: Da standen die europäischen Sozialdemokraten bei ihrem Treffen in Paris hübsch aufgereiht nebeneinander, und hineingeschlichen in diese Gruppe aus Anzugträgern hatte sich der Moderator der Tagesthemen (Beweisfoto hier). Natürlich war das nur eine optische Täuschung, die wir dem neuen Design der Nachrichtensendungen der ARD verdanken (Altpapier). Doch genau da liegt das Problem, meint auf der Medienseite der FAZ heute Oliver Jungen, der zwei Monate für einen ausreichend langen Zeitraum hält, um ein Fazit ziehen zu können. Was, man ahnt es an dieser Stelle bereits, nicht allzu gut ausfällt.

"Haben Mutter (,Tagesschau’) und Tochter (,Tagesthemen’) aller Nachrichtensendungen einen guten Teil dessen aufgegeben, was sie im Kern ausmachte: die eiserne Distanz? Nach zwei Monaten optisch zudringlicher und emotional aufgesexter Nachrichten muss man wohl sagen: leider ja."

Moderatoren, die die Nachrichten selbst scheinbar betreten und übertriebene Emotionalität sorgten dafür, dass die Neutralität flöten ginge, so Jungen.

"Man hat Souveränität aufgegeben, indem man die Nachrichten mit optischem Pomp aufmarschieren lässt, und will sie auf der anderen Seite mit einer ausgefeilteren Dramaturgie zurückholen."

Oder, in anderen Worten: Aus Jungens Sicht ist das Projekt gescheitert. Die „Tagesschau vor 20 Jahren“ sagt ihm mehr zu.

+++ Gut einen Monat ist es her, da erfreut sich dieses Internet an einem T-Shirt von Macaulay Culkin, auf dem Ryan Golsling zu sehen war, der ein T-Shirt trug, auf dem Macauly Culkin zu sehen war. Die gute Nachricht: das gibt es jetzt auch als Text, allerdings mit Jakob Augstein in der Rolle des Macauly Culkins und Stefan Winterbauer als Ryan Gosl... Moment. Das wäre dann vielleicht doch über das Ziel hinausgeschossen. Was gesagt werden sollte: Jakob Augstein hat sich bei seinem Nachruf auf Frank Schirrmacher selbst zitiert, was wiederum der Umblätterer zitiert und dabei aufgedeckt hat (siehe Altpapierkorb), was nun wiederum Stefan Winterbauer bei Meedia zitiert. Wir haben das mal nachgezählt: 1299 Zeichen dieses Textes stammen vom Umblätterer, 1725 von Stefan Winterbauer. Und jetzt genießen Sie folgenden Absatz:

"Ein solches Vorgehen, dass ein Journalist Passagen aus einem eigenen alten Text übernimmt – wörtlich oder leicht verändert – ist per se nicht verwerflich und nichts Ungewöhnliches. Allerdings kennt man diese Methode eher von schnell drehenden Medien. (...) Zumindest hätte man sich als Leser gewünscht, dass Augstein mit einem kurzen Hinweis zu erkennen gibt, dass er hier einen älteren Text von sich nutzt. Das ist eine Transparenz, die zu recht gerade von Onlinemedien immer wieder gefordert wird und die auch dem Spiegel gut zu Gesicht stände."

Merke: Winterbauer zitiert nicht sich selbst und legt seine Quellen offen, also alles supi. Und ja, uns ist klar, dass wir jetzt beigetragen haben zur Meta-Meta-Ebene Altpapier zitiert Winterbauer zitiert Umblätterer zitiert Augstein zitiert Augstein. Das dazu passende T-Shirt ist im Druck. +++


Altpapierkorb

+++ Wer auch immer die Krankenakte von Michael Schumacher geklaut hat  – bei den deutschen Medien will sie bislang keiner haben. Sogar die Bild-Zeitung hat abgelehnt, heißt es im Tagesspiegel, der auch herausgefunden hat, dass nicht nur moralische Bedenken gegen eine Veröffentlichung sprechen: „Ein Abdruck könnte teuer werden. ,Das Schmerzensgeld kann in so einem Fall schnell in den sechsstelligen Bereich gehen’, sagt Medienanwalt Christian Schertz. Die Dokumente zu veröffentlichen, wäre ,ein schwerer Verstoß’ gegen Schumachers Persönlichkeitsrechte. Bereits das Entwenden der Akte sei ein strafrechtlicher Verstoß. ,Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich ein deutsches Medium auf ein solches Geschäft einlässt.’“ Ähnlich sieht das der Bundesvorsitzende des DJV Michael Konken, den auch DWDL zum Thema zitiert. +++

+++ Erst zwei Folgen gibt es von den der kenianischen Mini-Serie „The Samaritans“, aber schon ist sie der gefeierte Star in Kenia und auf Filmfestivals, schreibt Nadia Pantel heute auf der SZ-Medienseite. Die Serie zeigt die Arbeit einer NGO in Afrika, die eben nicht so ist, wie man sich das direkt vorstellt – also irgendwas mit großen Kinderaugen und Hunger. Sondern die offenlegt, worum es da in Wirklichkeit oft geht: „Elitäre Hochschulabsolventen, die glauben, sie könnten die Welt retten. Nicht, indem sie brav ihre Steuern zahlen oder den Müll trennen, sondern indem sie sich als Entwicklungshelfer um den Globus fliegen lassen.“ Und, weiter: Die Serie „richtet sich gegen die Weiterverbreitung eines Weltbilds, das Afrika behandelt, als sei es ein Land und kein Kontinent. Und gegen ein Weltbild, das unter der Prämisse, Gutes zu tun, die immergleichen Vorurteile zementiert.“ Wer sich selbst ein Bild von „The Samaritans“ machen möchte, kann diese gegen eine kleine Spende auf der Website der Fake-NGO „Aid for Aid“ tun. Das Geld geht an ein Projekt zur Aufforstung weißer Babygorillas am Viktoriasee – kleiner Scherz: davon werden neue Folgen bezahlt. +++

+++ Einfach mal die im Focus abgebildeten Männer zählen - kann man mal machen, hat sich taz-Kriegsreporterin Silke Burmester gedacht und dabei Folgendes herausbekommen: „Und weil ich wie so oft nix Anständiges zu tun hatte, habe ich gezählt. Und zwar 118 redaktionelle Fotos. Und wie viele von denen haben (auch) Frauen drauf? 30. Und wie viele der abgebildeten Frauen sind Angela Merkel? Vier. Und wie viele Frauen sind als Beiwerk neben einem Mann abgebildet oder zeigen Mode? Sechs. Und wie viele sind alleiniger Inhalt eines Artikels, der über eine Meldung hinausgeht? Eine.“ Einen Grund für dieses Missverhältnis könne man in der Redaktion finden: „Es sind 15 Personen, die es wert sind, als AutorInnen mit Bild vorgestellt zu werden. Darunter sind zwei Frauen.“ Nun müsste nur noch mal jemand die 70.000 Abonnenten durchzählen. +++

+++ Jetzt sind wir verwirrt. Dass das ZDF sich vorgenommen hat, ein deutsches "Breaking Bad" zu drehen, wissen wir ja schon seit einem Jahr (Altpapier). Allerdings war noch in der vergangenen Woche davon die Rede, dass die Serie in Berlin spielen und Jürgen Vogel darin eine gewisse Rolle übernehmen solle (wieder Altpapier). Und nun kommt Harald Staun auf der Medienseite der FAZ daher und behauptet, ja, das ZDF sei auf dem Weg zu einem deutschen "Breaking Bad", aber dabei handele es sich um „Das Team“ (Arbeitstitel, vgl. Tsp. neulich), und darin solle es um eine grenzübergreifend arbeitende Spezialeinheit von Europol gehen, und die hätten einen „Aktionsradius von Kopenhagen bis zum Piz Palü“, und auch wenn wir wissen, dass Berlin groß ist – bis Kopenhagen geht Tarifzone C dann doch nicht. Womit wir festhalten können: Das ZDF hat gleich zwei deutsche "Breaking Bad" in der Pipeline und wir Medienjournalisten brauchen dringen neue Referenzobjekte. Was nicht bedeuten muss, dass wir Ihnen hier vorenthalten, wie Staun diese derzeit im Dreh befindliche Serie findet: „,Das Team’ hat alles, was man von einer zeitgemäßen Fernsehserie erwarten kann: einen modernen Look, der sich nicht mit Postkartenbildern seiner Spielorte begnügt, Figuren mit Geheimnissen und Vorgeschichten, einen horizontalen Erzählstrang, viel Blut. Vor allem aber beinhaltet der Auftakt das Versprechen, dass es um mehr geht als um die Aufklärung einer Reihe von Prostituiertenmorden. (...) Es geht nie nur um einen spannenden Kriminalfall, sondern immer auch um ein Porträt der gesellschaftlichen Ebenen, die er verbindet.“ +++

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.