Medienprofis

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Thomas Hitzlspergers Coming Out zeigt: Die Reaktionen der Medien sind gar nicht so. Eine spektakuläre Medienkonzern-Personalie scheint bevorzustehen. Ein paar Blicke nach Südosteuropa.

Thema des Tages in den meisten Medien ist das Coming Out des beinahe noch aktiven Fußballspielers Thomas Hitzsperger in der heutigen Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit beziehungsweise, wir leben ja in der Digitalära: gestern bei zeit.de.

Viele Medien bringen viele Berichte, die die online auch in Storifys (suddeutsche.de, SPON ...) zusammengefassten Reaktionen bündeln, und Kommentare, in denen nicht viel Unterschiedliches drin steht. Auch wenn sich vielen Texten anmerken lässt, dass sehr sehr sorgfältig formuliert wurde (letzter Satz des SZ-Kommentars auf S. 4: "Dass Thomas Hitzlsperger angefangen hat, das Tabu zu brechen, ist ein bemerkenswerter Schritt, der in Zukunft nichts Besonderes mehr sein sollte") - die eine oder andere sprachliche Feinheit lässt sich womöglich monieren. In diesem Zusammenhang hilfreich: der Leitfaden "Schöner schreiben über Lesben und Schwule" (PDF).

Wo sie mitunter nicht soo vorsichtig sind : bei der TAZ. Die Kommentar-Überschrift "Olé, olé, Super Thomas, olé" ist, anders es womöglich scheinen könnte, auch nicht Hitzlsperger-kritisch angelegt. Vielmehr weicht Andreas Rüttenauer insofern vom Tenor des Kommentare-Mainstreams ab, als dass er den DFB kritisiert:

"Der organisierte Fußball hat sich selbst als archaische Gegenwelt zur bundesrepublikanischen Realität beschrieben, so, als sei er nicht Teil einer aufgeklärten Gesellschaft. Eine bequeme Haltung ist das, die auch in einer Broschüre des Deutschen Fußball-Bunds, die als Ratgeber für den Umgang mit homosexuellen Spielern an alle Fußballvereine des Landes verschickt worden ist, zum Ausdruck kommt. Darin warnt der DFB Spieler, die sich outen wollen, vor einer lechzenden Medienmeute und unkalkulierbaren Reaktionen des Publikums."

Dabei lechzt die Meute einstweilen gar nicht (nicht mal Liveticker wurden eingerichtet ...). Entscheidender sollte für Fußballer aber natürlich auf dem Platz sein, was im Sinne des Fußballs ja auch gut so wäre, wo es aber gewiss weniger kalkulierbar zugeht als in Deutschlands Medienlandschaft. Wen die TAZ-Titelseite heut übrigens ein wenig neckisch kritisiert oder zumindest in irgendeinem Kontext im "Verboten"-Glösschen erwähnt: den Die Zeit-Journalisten Moritz von Uslar wegen eines freundlichen Tweets.

Tatsächlich kann Die Zeit sich freuen, weil der "Scoop" (Ulf Poschardt, auch per Tweet, unter welchem die Credits auch individuell aufgeteilt werden) ihr gelang.

Er, der Scoop, hat natürlich auch damit zu tun, dass Hitzlsperger seit 2009 Kolumnist bei zeit.de ist, wie die Zeit-Medien jeweils erwähnen. Das bezieht sich die "Gesprächsserie" "Alles außer Fußball". Allerdings war Hitzlsperger sogar schon 2007 beim verdienstvollen Störungsmelder-Blog ebd. dabei ("Als Fußballer begegnet mir das Thema Ausländerfeindlichkeit immer wieder. ..."). Insofern ist er natürlich Medienprofi genug, um nicht nur über einen repräsentativen Internetauftritt (Foto oben) zu verfügen, sondern dort jetzt auch eine Videobotschaft am Start zu haben, die zwecks allgemeiner Einbindbarkeit zwischen Zeit- und Bild-Zeitungs-Medien auch bei Youtube läuft. Bzw. sind's sogar zwei Botschaften.

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[+++] Harter Schnitt zu einem völlig anderen Thema: Eine spektakuläre Medienkonzern-Personalie scheint bevorzustehen. Allerdings berichten bislang nur zwei Quellen von einer Ablösung des Funke-Gruppen-Managers Christian Nienhaus. Falls Sie nur unregelmäßig hier vorbeischauen und es nicht auf Anhieb spektakulär genug klingt: Die Funke-Gruppe ist die, die früher WAZ hieß, und sich mit einer Menge teuer eingekaufter Zeitungen und Zeitschriften des ehemaligen Verlagshauses Axel Springer (Altpapier) entweder viel Potenzial für Synergien oder Problem-Quellen aufgehalst hat, oder beides.

"Nienhaus lehnt zu dem Thema jede Stellungnahme ab. Ein Funke-Sprecher dementiert gar. Das Dementi ist aber womöglich darauf zurückzuführen, dass zum Zeitpunkt der Anfrage des Handelsblatts über die Modalitäten der Trennung noch nicht entschieden war. Die Quellenlage lässt jedenfalls keinen Zweifel zu: Nienhaus wird Funke schon bald verlassen",

heißt es in der ursprünglichsten Quelle, beim Handelsblatt. Kenner erkennen den Kai-Hinrich-Renner-Sound. Der ehemalige Medienreporter des Hamburger Abendblatts erläutert:

"Seine Demission soll im Zusammenhang mit dem im vergangenen Juli bekannt gewordenen Kauf zahlreicher Zeitschriften und Zeitungen des Medienhauses Axel Springer durch die Funke Gruppe stehen - unter ihnen so traditionsreiche Titel wie das 'Hamburger Abendblatt' und die 'Hörzu'.".

Während Medienmeldungsverbreitungsmedien wie kress.de diese Meldung verbreiten, berichtet einer mit anderer Nuancen das gleiche: ""Kein Rausschmiss, wie es das 'Handelsblatt' zuerst gemeldet hat, sondern eine Trennung aufgrund unterschiedlicher Ansichten", sei es, schreibt Bülend Ürük bei newsroom.de:

"Ob fachliche Gründe eine Rolle spielten (Nienhaus ist ein exzellenter Zeitungsmann, seine Kenntnisse werden in der Branche geschätzt) - kann sein: Der Springer-Deal bereitet trotz aller Jubelmeldungen in der Öffentlichkeit im Haus auch reichlich Kopfschmerzen. Funke trägt das komplette Kartellrisiko, und dies ist weiterhin recht groß - ganz abgesehen von der Finanzierung des Deals und der Strategie dahinter. Der Deal mit Springer sei aber nicht gefährdet, heißt es in Essen."

Wurde gejubelt nicht vor allem auf Springer-Seite? Wieauchimmer, sowohl der ungeheuer komplexen Geschichte und Gegenwart der bei der Ex-WAZ noch immer beteiligten Familienstämme, als auch wegen des "Nachfolgers mit tiefreichenden Kenntnissen aus der Zeitungsbranche", auf den Ürük gespannt macht, dürftes dieses Thema die Medienmedien und ihre Investigatoren bzw. Wühlmäuse auch noch beschäftigen.

[+++] Falls es zum dritten Abschnitt kein ganz harter Schnitt sein soll, könnte man überleiten, dass die WAZ, als sie noch so hieß, ja auch in Südosteuropa kräftig engagiert war. Was Bodo Hombach, als er noch dabei war, etwa in Serbien und Mazedonien alles erlebt hat ... Aber wir haben ja nicht ewig Zeit. Jedenfalls richten zwei deutsche Medienseite heute drei Blicke in den nahen Südosten, der trotz seiner Nähe ja selten im Fokus steht. Der Tagesspiegel schaut nach Bulgarien und nach Rumänien, wie sich in dortigen Medien die aktuelle bayerisch-deutsche Zuwanderungsdebatte spiegelt. "Die Sachlichkeit, mit der Bulgariens Medien die Debatte darstellen, ist nur bedingt charakteristisch für sie", schreibt Frank Stier. "Eher ironisch" nähmen rumänische Medien sie auf, berichtet Silviu Mihai aus Bukarest.

Indes nach Ungarn schaut die FAZ (S. 31). Dort hat die deutsche Sendergruppe ProSiebenSat.1 AG im Zuge allgemeiner Optimierungsstrategien, wie sie eben mal auf Internationalisierung hinauslaufen, mal gerade nicht, kürzlich ihre Fernsehsender verkauft. Womöglich seien die Käufer, die bisherigen Geschäftsführer, "nur Strohmänner ... und hinter ihnen" stünden "die Fidesz-Partei", also die auch wegen ihrer Medienpolitik umstrittene Regierungspartei, "oder ihr nahestehende Oligarchen, über welche die Partei Einfluss auf den Sender nehmen wolle", laute aktueller "Bohei", der dem Wiener FAZ-Korrespondenten Stephan Löwenstein aber nicht sehr plausibel erscheint.
 


Altpapierkorb

+++ "Als [Alan] Turing im September 1939 in Bletchley Park eintraf, glaubten die meisten seiner Kollegen (einschließlich der deutschen), es sei 'ziemlich unmöglich', das Enigma-Verschlüsselungssystem zu knacken, sofern es korrekt eingesetzt wurde. Allenfalls konnte man hoffen, durch menschliche Irrtümer, die Logbücher aufgebrachter Schiffe oder andere Verhaltensfehler gelegentlich an Hinweise zu gelangen, die zeitweilig eine Entschlüsselung ermöglichten - bis die Schlüssel geändert wurden. Dass es Alan Turing und seinen Kollegen gelang", es "zu knacken, war der historische Durchbruch, der direkt zu jenem Monument der Kryptographie und Kryptoanalyse führte, das wir unter der Bezeichnung NSA kennen. Es gehört zu den größten Ungerechtigkeiten der Geschichte, dass man Alan Turing in seiner Heimat und seiner verkürzten Lebenszeit die volle Anerkennung ... verweigerte, während seine 1952 erfolgte Verurteilung wegen Homosexualität ihm den Zugang zu den Vereinigten Staaten verwehrte ..." Das schreibt George Dyson im großen FAZ-Feuilleton-Aufmacher, der unter der auch nicht völlig unkryptischen Zeile "Die NSA wird ein Google unseres Lebens für Geheimnisträger werden" den Plänen zum Bau eines Quantencomputers nachspürt ("Für das alte Streben nach „intelligenten Maschinen“ ist es eine gute Nachricht. Für den privaten Menschen aber nicht: Keine Kryptographie nützt dann mehr gegen den allwissenden Staat").
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+++ "Manchmal stimmt die Mitteilung, jemand verlasse das Unternehmen auf eigenen Wunsch. Im Fall von Matthias Esche, dem Geschäftsführer der Produktionsfirma Bavaria, würde einen das jedoch wundern", leitet auf der FAZ-Medienseite Michael Hanfeld seinen Artikel zur schon bestätigten Personalie ein. Anlass für Ärger sollen "die Produktionskosten des Films 'Die geliebten Schwestern' von Dominik Graf, die mit 6,3 Millionen Euro zu Buche schlugen", gewesen sein: "Die Verantwortung wurde weniger bei dem Regisseur, der sich dagegen auch verwahrte, denn bei Esche und dem Management der Bavaria gesehen". +++

+++ "... Drei Tage nach der Veranstaltung entdecke ich ein Video im Internet. Dort sind mein Kameramann und ich zu sehen, aus der Perspektive der Kamera, die Sabri Ben Abda geführt hat. Dieses Video hat Ben Abda produziert, es ist 15 Minuten lang, zeigt nicht nur mich, sondern auch Außenaufnahmen von WDR-Gebäuden in Köln, alle WDR-Mitarbeiter werden dort pauschal als 'Schweine' beleidigt. Es ist Teil 1 einer Hetzkampagne. ..." (WDR-Reporter Christof Voigt über seine Salafismus-Recherchen bei vocer.org). +++

+++ Neues von der Schumacher-Berichterstattungs-Front: "Hoher Nachrichtenwert trifft also auf hohes Interesse. Wie anmaßend wäre es in einem solchen Moment, wenn die Medienvertreter sich nun hinstellten und den Lehrer des Volkes spielten: Das hat euch nicht zu interessieren." (Jürn Kruse in der TAZ). +++ "Wie auch immer man es nennen soll, was die Medien da gerade veranstalten, die Leute von Bild.de sind auf jeden Fall mit Vollgas mittendrin" (Bildblog). +++ Voller Journalismus-Optimismus am Ende eines ausgiebigen Überblicks zeigt sich horizont.net: "Man darf gespannt sein, wie es in den kommenden Tagen weiter geht. Ob sich die Anzahl von Bildern der Schumacher-Familie in Grenoble wirklich verringert. Ob wir ab sofort weniger Fotos von Corinna Schumacher sehen, wie sie sich ihren Weg durch die wartenden Journalisten zum Klinikeingang bahnt. Damit würden die Medien jedenfalls signalisieren, ihren Wunsch wirklich respektieren zu wollen." +++

+++ "Medienwissenschaftler tun das, was Medienwissenschaftler gerne tun: Sie sind skeptisch, was die Erfolgsaussichten des neuen Formates angeht". Doch die neue Pro Sieben-Show "Millionärswahl" sei "gut für den Sex in Deutschland und damit gut für die Demokratie", analysiert beschwingt Joachim Huber im Tagesspiegel. +++

+++ Rechtslagen rund um die Dinge, die man im Internet tun kann: Auf der SZ-Medienseite lobt Wolfgang Janisch das neue Bundesgerichtshofs-Urteil, demzufolge Eltern nicht für illegale Downloads ihrer erwachsenen Kinder abgemahnt werden können:  Es käme "- auch wenn es mit den Pornofilmen von 'Redtube' wenig zu tun hat - zur rechten Zeit. Es verringert das Risiko, für das illegale Filesharing anderer Haushaltsmitglieder haftbar gemacht zu werden". +++ "Das Urheberrecht schützt nicht nur Pornoproduzenten. Sondern es gilt auch für Künstler und Verlage, für Plattenproduzenten und Softwaretüftler - und sichert deren Broterwerb", merkt die FAZ am Ende eines Artikels zur Redtube- und Streaming-Frage an, die ausführlich der Tagesspiegel beleuchtet. Auch da wird betont, dass der neue Bundesjustizminister ja "zugleich darauf hingewiesen [hat], dass Bundesgerichtshof und Europäischer Gerichtshof über diese Frage noch kein abschließendes Urteil gefällt haben". +++

+++ So wie gestern in der FAZ (und nun auch frei online), so auch heute in der SZ Lob für die Kindernachrichtensendung "Logo" zum 25. Geburtstag: "Der lebensfremde, Relevanz heuchelnde Häppchen-Journalismus ist das eigentliche Ärgernis der erwachsenen Nachrichten-Welten, heißen sie nun 'Tagesschau' oder 'heute'. Man tut meist gut daran, sich mit seinen Kindern 'Logo' vorneweg anzuschauen", schreibt Gerhard Matzig. +++ "All der Jubiläumstrunkenheit" skeptisch gegenüber steht Anna Klöpper in der TAZ. Dass Kinder "auch ganz gut ohne nähere Erläuterungen zum Syrienkonflikt leben" könnten, bestätigt ihr allerdings bloß Carsten Göttel, der Super RTL-Programmdirektor, stellt, der natürlich schlechtere Renditen erwirtschaften würde, wenn sein Sender statt eingekaufter Serien selbst produzierte Nachrichtensendungen senden würde.  +++

+++ Dem am Dienstag im Altpapier erwähnten NZZ-Interview mit der Direktorin der Schweizer Journalistenschule, Sylvia Egli von Matt, zu Fragen von Engagement und Journalismus stellt bei newsroom.de Gastautor Tim Wessling einen Beitrag entgegen, indem er jungen Journalisten rät, sich nicht "durch das Renommee-Mauseloch quetschen" zu wollen. +++

+++ Von einer "ziemlich verstörenden" und "panikartigen Hauruck-Aktion" bei RTL spricht Rupert Sommer bei kress.de wegen einer Sendungsabsetzung, die dwdl.de bloß "etwas überraschend" findet. +++

+++ Und im Freitag ein großes "House of Cards"-Special: "'House of Cards' kann uneingeschränkt für den Gemeinschaftskundeunterricht empfohlen werden", lobt Rezensent Jürgen Trittin. Bonusmaterial: eine Serien-Umfrage unter Bundestagsabgeordneten und, exklusiv online: ein Fragebogen für besonders serienaffine Politiker. Auf die Frage nach der "beglückendsten Erfahrung beim Reden über oder Schauen von Serien" antwortet Nicole Gohlke von der Linken: "Realitätsflucht". +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.