Die Lebenszufriedenheit der Platzhirsche

Die Lebenszufriedenheit der Platzhirsche

Neidspiralen, Uncoolness, unterhöhlte Netzneutralität und anderer "großer Murks". Mit der Medienzufriedenheit ist's nicht weit her, außer wenn Google ein paar Millionen springen lässt.

Das Krasseste am Anfang: Die Kommunikationswissenschaft bzw. konkreter die deutsche Wirtschaftsinformatik hat negative Auswirkungen von Facebook festgestellt. Wie kress.de in kaum merklicher Anverwandlung der Original-Pressemitteilung der Humboldt-Universität zu Berlin meldet, beeinträchtigt bzw. senkt das bekannte Netzwerk die Lebenszufriedenheit. Und zwar gemäß spiralenartiger Mechanismen wie z.B. diesem:

"Obwohl Nutzer zögern, Neidgefühle auf Facebook zuzugeben, vermuten sie oft bei 'anderen' Neid als Ursache für deren Frustration – ein deutliches Zeichen für das Vorkommen dieser Emotion auf Facebook. In der Tat begünstigt der Zugang zu vielen positiven Nachrichten und Profilen von vermeintlich erfolgreichen ‘Freunden‘ einen sogenannten sozialen Vergleich, der leicht Neid erzeugt. Soziale Online-Netzwerke setzen ihre Nutzer einer nie dagewesenen Menge dieser Informationen aus – offline ist es viel schwieriger, Informationen zu passenden Vergleichspersonen zu finden",

So wird die Projektleiterin Hanna Krasnova zitiert. Die Repräsentativität von "knapp 600 Facebook-Nutzerinnen und -Nutzern" skeptisch zu sehen, wäre vermutlich so unwissenschaftlich, wie es wäre, Wahldemoskopie oder Einschaltenquotenmessung hinterfragen zu wollen. Die Forscher schätzen die Universalität ihrer Erkenntnisse jedenfalls hoch ein. Falls Sie sich in die bei kress.de nicht genannte Originalforschung vertiefen möchten: Hier gibt's die Studie "Envy on Facebook: A Hidden Threat to Users’ Life Satisfaction" als PDF.

Vermutlich also vorteilhaft gut für die globale Lebenszufriedenheit, anderswo zu lesen, dass Facebook auch "nicht mehr cool" ist, was soviel heiße wie "notwendig, aber nicht sexy". Diese Analysen des amerikanischen Nicholas Carlson zitiert der vormalige FAZ-Netzökonom Holger Schmidt im Rahmen seiner lesenswerten Übersichten über Digitalmedientrends, von denen man irgendwie weniger hört, seitdem er bei focus.de (einer in diversen Filterbubbles auch nicht als zu cool geltenden Adresse) tätig ist. Schmidt verwendet für Facebook gar die Metapher des "Platzhirschen", deren ursprüngliche Bedeutung heutigen Generationen längst entfallen ist, die aber dieses Uncoole perfekt rüberbringt.

[+++] Was den leider coolen Platzhirschen betrifft, neben dem auf dem Markt der Suchmaschinen andere Hirsche so gut wie gar keinen Platz haben, also Google, so kommen derzeit eine Menge Meldungen aus Frankreich - womöglich eine Reminiszenz ans Megathema nachrichtlicher Universalmedien dieser Tage, an die 50-jährige deutsch-französische Freundschaft. Genau genommen drei Meldungen sind's.

Erstens informiert die TAZ über den Ausgang der Streitigkeiten zwischen französischen Presseverlagen und Google. Die Verlage gewinnen dank mehrere Eigentore, würde Falk Steiner sagen: Google habe

"den Verlegern laut Le Monde ein Paket unterbreitet, das ihm vor allem eines sichern würde: seine eigene Vormachtstellung. Kern des Angebots sollen drei Elemente gewesen sein. Das erste wäre der garantierte Kauf von Anzeigenplatz sowohl auf den Onlineangeboten als auch in den Druckerzeugnissen der Verlage. Das zweite Element wäre eine Zusammenarbeit zwischen der Suchmaschine und den Verlagen. Und das dritte Element wäre eine garantierte Ausschüttung aus Googles AdSense-Anzeigenschaltungsprogramm."

Womit die Verlage zwar Millionen Euro mehr bekämen (darum kreist noch Streit), aber vor allem "noch abhängiger von Google als bisher" würden.
Dadurch würden die französischen Verleger allerdings noch abhängiger von Google als bisher. Streit kreise nurmehr um die Frage, ob das Geschäft 50 bzw. 100 Millionen Euro umfassen sollte. Was aus Google-Sicht jeweils cacahuètes darstellte, schließlich soll der Konzern "2011 in Frankreich gerade einmal fünf Millionen Euro Unternehmensteuern" gezahlt haben, "bei einem Umsatz von 1,4 Milliarden Euro".

So zititert - zweitens - die FAZ Le Monde, im gestern gedruckt, nun auch online erschienenen Bericht über Planspiele, um Internetkonzerne "als Datensammler" "zu besteuern". Was das Ersinnen innovativer, gerecht erscheinender Steuern betrifft, ist Frankreich immer weit vorn dabei. Was das Erzielen vergifteter Einnahmen betrifft, scheinbar auch.

Denn - drittens - berichtet Spiegel Online von "offenbar mächtigem" Stolz bei France Télécom darauf, wiederum von Google eine ungenannte Summe für "garantierte Datendurchleitung" von ruckelfreien Youtube-Videos erhalten zu haben. "Hundreds of millions" seien es nicht gewesen, heißt es in einem der bei SPON verlinkten Berichte. Aber um Aushöhlen des schönen Wertes der Netzneutralität handele es sich, meint Ole Reißmann, womöglich also einen Schritt in Richtung verschärfter Dominanz des spendablen Datenkraken im Vergleich mit Mitbewerbern.

[+++] Bevor wir ins Inland und zur speziell deutschen Leistungsschutzrecht-Debatte kommen, noch ein Blick auf Gesamteuropa und einer nach Dänemark: Mit den Worten

"Damit unterstützen wir Journalisten und redaktionellen Inhalt statt Papier und Druckerschwärze",

habe die Kulturministerin Marianne Jelved angekündigt, dort übliche direkte Subventionen für die Presse künftig teilweise an Onlinemedien zu vergeben. Allerdings zu einem recht geringen Teil.  Rund sechs Mio. Kronen aus dem 403,6 Mio.-Kronen-Topf gingen "an Internetmedien, die ausschließlich online vertreten sind und keine Print-Aktivitäten haben", meldet der österreichische Standard. Das sind rund 800.000 Euro.

Und gesamteuropäisch gibt's nun, wie der Europäische Gerichtshof in einem österreichischen Fernseh-Fußball-Fall urteilte, "so etwas wie ein Grundrecht auf eine Mini-Sportschau". Dass es dieses Recht in Deutschland eh schon gibt und dass es "möglicherweise ...disziplinierend bei der Preisbildung" wirkt, und zwar zugunsten der Käufer, arbeitet die Süddeutsche heraus.

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[+++] Womit wir also in der deutsche Medienpolitik sind. In Sache Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse aka #lsr findet in einer Woche, am 30.Januar eine Anhörung Rechtsausschuss des Bundestages statt. Insofern erhöht sich das Aufkommen an Stellungnahmen (hier; PDF) die des geladenen Sachverständigen Thomas Stadler (internet-law.de) und ganz besonders das Aufkommen an Schlaufen, in denen alt und als höchstens halbrichtig bekannte Argumente leicht anders arrangiert und den Beteiligten um die Ohren gehauen werden. Frisch bei Stefan Niggemeier: eine Dekonstruktion der unter dem schönen Slogan "Verteidige deine Presse!" vom Verlegerverband VDZ als Dekonstruktion der (durchaus ebenfalls dekonstruierbaren) Googlekampagne "Verteidige dein Netz" angelegten Punkte. Besonders aufschlussreich: der bei Niggemeier unten angefügte Nachtrag.

[+++] Was sonstige Aktivitäten der deutschen Presseverlage betrifft, die es ja gibt, so beschäftigt sich die TAZ mit dem hier im Altpapier schon am Montag prominent erwähnten Gemeinschaftsprojekt Medienhaus Deutschland, durch das acht Verlage (darunter Springer und die rabiate WAZ-Gruppe) nicht alle, aber viele ihrer Regionalzeitungen gemeinsam vermarkten. Während im Bericht ein Springersprecher von Konkurrenz fürs Fernsehen spricht, denkt Jürn Kruse im Kommentar an die Verlage, die nicht dabei sind:

"Von knapp 13 Millionen Regional- und Lokalzeitungen, die täglich verkauft werden, kann Medienhaus Anzeigen in 5 Millionen dieser Blätter organisieren - und die Preise bestimmen. Regionalzeitungen, die außen vor sind, werden es zukünftig noch schwerer haben, bundesweite Werbekampagnen auch in ihren Zeitungen stattfinden zu lassen. Und die Medienhaus-Verlage haben ja noch  Dutzende Zeitungen in der Hinterhand, die sie gar nicht in das Gemeinschaftsprojekt einbringen".

Was die neue Form der Rundfunkgebühren betrifft, so schreibt Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite auch heute wieder auf, dass diese "ein großer Murks" seien. Neu daran ist das zu dekonstruierende, gegenläufige Lob derselben Form durch den Ex-Verfassungsrichter und Bierdeckelsteuer-Verfechter Paul Kirchhof aus der jüngsten FAS als "Kurtaxe".

[+++] Könnte denn die im Vergleich mit allen anderen Parteien außer den Piraten immer noch vergleichsweise junge Partei der Grünen, die nun in einem weiteren Bundesland aus starker Position mitregieren wird, auf dem notleidenden Feld der Medienpolitik den einen oder anderen sinnvollen Impuls setzen?

Nein, nicht im allergeringsten, arbeitet Stephan Urbach (u.a. auf Carta) aus einem Medienkompetenz-Blabla-Positionspapier heraus.


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+++ Daniel Haas macht auf der FAZ-Medienseite mit der Überschriftenzeile "Sat.1 zeigt einen sehr absurden Krimi mit Katarina Witt" auf den heutigen Stalker-Thriller "Der Feind in meinem Leben" ebd. gespannt, mag ihn aber gar nicht. "Selten ist jemand so unbeholfen durch einen Part geschlittert wie die Eiskunstläuferin", schreibt er über die Witt-Rolle. "Aber die Bilder des Regisseurs Bernd Böhlich sind es, die das Biedere immer wieder brechen", dichtet Renate Meinhof lobend in der Süddeutschen. Witt selbst interviewt hat der Tagesspiegel, und das durchaus launig ("... Sie wissen schon, dass mich immer noch einige männliche Kollegen um dieses Interview hier beneiden." - "Grüßen Sie Ihre Kollegen. Aber hören Sie auf. So auszusehen, das ist Arbeit...." ). +++

+++ Ob neuen Ebene mit sechs "Managing Editors" die Redaktionszufriedenheit und/ oder Qualität oder wenigstens den Glanz erhöhen? Dieses Experiment startet der Stern unter dem neuen, bald alleinigen Chefredakteur Dominik Wichmann. Dazu ein horizont.net-Interview mit Verlagsgeschäftsführer Thomas Lindner, der auch von "langfristig... weniger Personal, auch in der Redaktion" redet. +++

+++ Als Markus Beckedahl von netzpolitik.org "mit Husten und Kopfschmerzen krankgeschrieben im Bett" lag, fiel er auch noch in eine "Abmahn-Stolperfalle" bzw. auf sie herein. Involviert: ein CDU-Politiker. +++

+++ Ambros Waibel wohnte für die TAZ einem Prozess in eigener Sache gegen den von einem Anwalt vertreteten Thilo Sarrazin bei. Eindrucksvoller als das Geplänkel der prominenten Anwälte war dann doch der Ort des Geschehens, der von 1934-1945 als "Erbgesundheitsgericht" diente. +++

+++ "Und wiewohl die amerikanische Fernsehkritik weit davon entfernt ist, die vielbeschworene kausale Verknüpfung von medialer und realer Gewalt zu befeuern, hat sich doch ein Unwohlsein im Hinblick auf zweckfreie Gewaltdarstellungen breitgemacht", schreibt Nina Rehfeld (FAZ) über eine neue, freilich dennoch gewaltreiche US-Fernsehserie, "The Following". +++

+++ Mehr deutsches Fernsehen: Diemut Roether freut sich bei EPD medien, dass es "gelegentlich noch Redaktionen, Produzenten und Regisseure ( gibt), die es wagen, eine böse Geschichte auch böse enden zu lassen", zumindest theoretisch. +++ Unter seiner auch sonst weit verbreiteten DPA-Meldung zum TUI-Protest gegen den "Markencheck" der ARD setzt der KSTA den Link zur Sendung in der ARD-Mediathek. +++ Daniel Bouhs wundert sich "bei einem Blick in die Mediatheken" über unterschiedliche und im Falle Günther Jauchs verkürzte Verweildauern alter Talkshows ebd. +++ Der Thommy-Gottschalk-Nachfolger im ARD-Werberahmenprogramm, Dieter Nuhr, verliert seinen Sendeplatz ebd. (dwdl.de). +++

+++ Und in diesem Jahr gab's noch keine Bunte-Ausgabe ohne Maria Furtwängler (TAZ-Kriegsreporterin). +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.