Sandra Maischberger macht's richtig

Sandra Maischberger macht's richtig

... und zwar Urlaub. Aber das hilft nichts. Die Talkshow-Sommerpause scheint auszusterben. Außerdem: frische Geheimdokumente zum Thema aus dem "ARD-Programmausschuss."

Ziemlich überraschend prescht ein Medienthema nach vorn, von dem das zumindest zurzeit wohl niemand erwartet hätte: Die öffentlich-rechtliche Talkshowflut wird just, während sie ein wenig abebben sollte (zumindest sofern man die Unterhaltungen, die z.B. Katrin Müller-Hohenstein und Olli Kahn so führen, nicht dem Genre zurechnet), diskutiert.

Und zwar weil "der Programmausschuss der ARD" (bild.de) bzw. präziser: "der NDR-Programmausschuss" (TAZ), oder noch genauer: "der Programmausschuss des Rundfunkrats des Norddeutschen Rundfunks" (FAZ, S. 33) am 25. Mai (ebd.), also auf seiner 225. Sitzung vor einem Monat (TAZ), eine "Tischvorlage" erstellt hat, die zumindest FAZ und TAZ nun vorliegt. Sie liegt wohl jedem vor, der hier zu bild.de klickt, das das "Geheim-Papier" sowie "Geheim-Dokument" ziemlich umfassend dokumentiert.

Die fünf Talkshows im ARD-Programm seien "unpolitischer geworden" und würden es nicht schaffen, "bei der Gäste- und Themenauswahl Doppelungen zu vermeiden" "(z. B. Essen, Gesundheit)", heißt es dort, und mit ihren Einspielfilmen "Effekthascherei" betreiben. Außerdem, so der inhaltlich spektakulärste Punkt

"muss man kritisch danach fragen, ob es sinnvoll ist, die Produktion von Talksendungen externen Gesellschaften zu überlassen",

also zumeist Produktionsfirmen, die den Talkern selbst gehören,

"statt sie ARD-intern zu produzieren und damit auf die eigenen Kompetenzen und Fachredaktionen zurückzugreifen."

Als "Anlage" haben die Ausschussmitglieder ihrer Tischvorlage die "vielen Handlungsempfehlungen von Prof. Bernd Gabler" beigegeben, heißt es im bild.de-Geheimpapier. Damit ist vermutlich die im August '11, quasi zum Start der ersten Talkshowsaison erschienene Otto-Brenner-Stiftungs-Studie " ... und unseren täglichen Talk gib uns heute!" von Bernd Gäbler gemeint.

Wie ernst muss man das nehmen, und wer ist dieser Programmausschuss überhaupt? Zu letzterer Frage hat der NDR in seinem Internetauftritt eine Grafik vorbereitet (die man allerdings nicht dahingehend missverstehen sollte, dass für den Programmausschuss Mecklenburg-Vorpommmern zuständig ist, vielmehr sind alle NDR-Bundesländer für alle Ausschüsse zuständig...). Wer zur "Übersicht der Mitglieder des Programmausschusses" untendrunter klickt, landet auf einer Seite, die seit 01.02.2011, 16:00 Uhr (also offenbar ziemlich gründlich) "überarbeitet" wird.

Vielleicht insofern wird die Brisanz der neuesten ARD-internen Talkshowkritik bei den seriöseren Zeitungen auch nicht zu hoch eingeschätzt. "Dass es mit den Talkshows im ersten Programm eher eine Last denn eine Lust ist, wird als Beobachtung an die ARD nicht nur von außen herangetragen", sondern auch von innen, schreibt Michael Hanfeld in der FAZ und weist daraufhin, dass so wie im Mai Gremien des NDR-Rundfunkrats im April ja "auch schon der Rundfunkrat des WDR" Talkshowkritik geübt hatten (vgl. Süddeutsche).

"Die Drohung ist aber nicht ganz ernst gemeint: Der Programmausschuss fordert am Ende doch kein hartes Durchgreifen - sondern hält lediglich fest, dass man weiterhin 'kontinuierliche Beobachtung' brauche, um 'in Kooperation mit den Programmverantwortlichen' die ARD-Polittalks 'insgesamt zu verbessern'",

liest TAZ-Redakteur Steffen Grimberg aus der Tischvorlage heraus. Kontinuierliche Beobachtung ist ja auch alles, was ARD-Programmdirektor Volker Herres möchte. Ja, vielleicht sind die anonymen Ausschussmitglieder sogar zufrieden mit den allerjüngsten Ausgaben der kritisierten Shows, meint er. Schließlich hat Günther Jauchs Sendung, die am vergangenen Sonntag gegen die Fußball-EM-Berichterstattung im ZDF lief, zwar den "erwarteten Tiefstwert" (dwdl.de) bei der Eisnchaltquote erzielt, wurde aber auch, gemäß einer Ausschuss-Handlungsempfehlung, inhaltlich gekoppelt mit dem Afghanistan-Heimkehrer-Thema des vorhergehenden "Tatorts".

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[+++] Das führt nun zu den Fragen, ob es denn erstens für die Talkshows nicht höchste Zeit wäre, in die Sommerpause gehen, und warum zweitens der Berliner Tagesspiegel, der eigentlich doch stets den Puls der Talker fühlt, keine Einschätzung zu den neuen Papieren liefert.

Irgendwie scheint Joachim Huber auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein, oder der einzige sein, auf dessen Tisch die geheime Tischvorlage nicht gelandet ist. Zwar schreibt er heute natürlich ebenfalls über Talkshows, aber, aufgehängt an den aktuellen Jauch-Quoten, in gewohnter Launigkeit über die Frage, wann denn wer Sommerpause macht. Akribisch listet Huber die Urlaubstermine der ARD-Talker auf.  

Bedrohliche Erkenntnis: Generell scheint die Talkshow-Sommerpause im Rückgang begriffen. Zwar ging Jauch nun tatsächlich in Urlaub, und irgendwann machen alle ARD-Talker Urlaub (auch wenn Reinhold Beckmann in seinem ja keinen macht, sondern mit Mehmet Scholl talkt). Doch Frank Plasberg bestreitet zunächst unermüdlich weitere Essen-/ Gesundheits-Talkshows (Besprechungen zu "Lügen satt - was ist noch echt an unserem Essen?" gestern gibt's etwa bei welt.de und BLZ). Und wohin die Reise bzw., wie dwdl.de es nennt, "die Strategie" der ARD, "ihre Polittalks nicht alle gleichzeitig pausieren zu lassen, sondern zu unterschiedlichen Zeiten in die Sommerpause zu schicken", langfristig zu gehen scheint, formulierte das ZDF auf Hubers Anfrage deutlich:

"Und Maybrit Illner? Während der EM, vom 14. bis 28. Juni ruht ihre Talkshow. Danach, so heißt es aus der ZDF-Pressestelle, gehe 'Maybrit Illner' wieder in den Regelbetrieb. Von einer Sommerpause sei nichts bekannt."

Die schöne Zeit der großzügigen Talkshow-Sommerpausen, in denen Programmfenster frei werden, so dass wenigstens dann mutige Spiel- und Dokumentarfilme (oder wenigstens solche, die die Redaktionen für mutig halten) auch schon mal vor Mitternacht auf die großen Sender dürfen, könnte sich dem Ende zuneigen.

Heute zum Beispiel zeigt die ARD zwar "Charly Graf - Ein deutscher Boxer", einen heute in den Zeitungen in den höchsten Tönen "kleinen, großen Film" (FAZ) des "herausragenden Dokumentarfilmers" (Süddeutsche) Eric Friedler.

Das allerdings bloß sehr knapp vor 0.00 Uhr. Denn (obwohl die gewöhnlich dienstags praktizierende Sandra Maischberger bereits im Urlaub ist) natürlich erst nachdem Waldi Hartmann mit Matze Knop, Fredi Bobic, Sebastian Krumbiegel und Bettina Tietjen fertig getalkt hat.


Altpapierkorb

+++ Maria Furtwängler wird Jodie Fosters Nachfolgerin! Zumindest was das Projekt betrifft, Leni Riefenstahls Leben zu verfilmen, das Foster ja über Jahre bis Jahrzehnte verfolgte. Inzwischen hat sie es aufgegeben, und statt Hollywood will Nico Hofmann fürs ZDF die Verfilmung übernehmen. Die Hauptrolle soll die beliebte Darstellerin der "Tatort"-Kommissarin Charlotte Lindström übernehmen, "wie das Berliner Produktionsunternehmen Teamworx am Montag auf Anfrage mitteilte" (Tsp.), wie vorher aber auch schon in der Bums-BAMS stand. +++

+++ Die bunte Meldung, dass ebenfalls Teamworx für die für Sat.1 "geplante Satire über den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg" die weibliche Hauptrolle der Freifrau Stephanie mit Alexandra Neldel besetzt hat, macht ebenfalls weiter die Runde (heute z.B. in der FAZ). +++ Vielleicht ein Grund dafür, dass soviele UFA-Drehplanungsmeldungen die Runde machen: eine für die UFA schlechte, öffentlich-rechtlich betrachtet aber gute Nachricht: Die neueste Variante der ZDF-Telenovela "Wege zum Glück - Spuren im Sand" wird statt ursprünglich zu befürchtender 240 nur 99 Folgen alt (FAZ, kress.de). +++ Die Odenwaldschule auf den Spuren Romy Schneiders? Zumindest als Fernsehspielfilm-Thema betrachtet (Süddeutsche mit Bezug auf dwdl.de). +++

+++ Freundin (Hubert Burda Media) wird Nachfolgerin von Glamour und Vanity Fair! Zumindest in Nikolaus Albrechts Vita. Dieser war letzter Chefredakteur der deutschen Vanity Fair "bis diese 2009 an sich selber scheiterte". Nun soll er diese Position beim Burda-Titel übernehmen. "Bei der Freundin wird Albrecht wohl anstelle von Nutzwert- auf Lifestyle-Themen setzen und versuchen, das Blatt für jüngere Leserinnen, die ihre Kochrezepte vielleicht eher im Internet suchen, attraktiver zu machen", glaubt Katharina Riehl (Süddeutsche). +++

+++ Auf der Medienseite ebd. weckt Christian Zaschke Spannung auf den Auftritt des Ex-Premierministers Gordon Brown vor dem britischen Murdoch-/ Medienethik-Untersuchungsausschuss. +++ Außerdem -Print lebt - liegt der SZ mal wieder ein jetzt-Heft bei. Es trägt den Titel "Leben& Job". +++

+++ Auf der FAZ-Medienseite geht es um einen Hungerstreik tunesischer Blogger, die von Seiten von Salafisten wie der Militärpolizei Gefahr für die Freiheit sehen. +++ Vorn auf dem Feuilleton nutzt Jürgen Kaube die Mehmet-Scholl-Debatte, um biologische Kenntnisse zu verbreiten. +++

+++ Und um das im Internet schon seit Monaten, in Mediendiensten verstärkt seit Tagen erwartete Eingehen der VZ-Netzwerke geht's ebenfalls in der FAZ. "Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrink, welche die VZ-Netzwerke 2007 für geschätzte achtzig Millionen Euro gekauft hat, muss den Erwerb inzwischen wohl als Fehlkauf einschätzen", sei aber auch selbst schuld, meint Oliver Kühn: "Im Gegensatz zu Facebook setzte Holtzbrink darauf, schnell Gewinn zu machen, die Plattformen aber nur moderat weiterzuentwickeln. Während der amerikanische Konkurrent Spiele und Anwendungen anderer Firmen auf seiner Seite zuließ und oft Probleme wegen seiner Datenschutzrichtlinien und seines unstillbaren Datenhungers bekam, achtete man bei den VZ-Netzwerken darauf, rechtskonform zu bleiben. Bei den Nutzern hat das nichts bewirkt, sie wanderten nach und nach zu Facebook ab". +++ Auch die Holtzbrinck-Konkurrenten G+J (FTD) und Springer (welt.de) berichten gern. +++ Wenn die VZs demnächst "in 'Idpool.de' umbenannt werden" soll, dürften sie "damit wohl den Rest an Relevanz verlieren", meint kress.de - das allerdings auch etwas indigniert scheint, weil Holtzbrinck die News bei der Konkurrenz vom Kontakter lanciert hatte. +++ Dort steht nichts dazu frei online, bei wuv.de aber die heiße Info, dass Holtzbrinck Ventures sich nun der "wahrscheinlich härtesten Herausforderung im weltweiten Modemarkt" stellen möchte: "deutsche [sic] Männer [sic] zu geschmackvoller Kleidung zu verhelfen." +++

+++ Wem's in punkto Internet-Geschäft gut geht: den Kabelnetzbetreibern. Das berichtet das Handelsblatt zum Start der ANGA-Messe. +++

+++ Die TAZ empfiehlt eine "mutige Reportage", deren "Bilder noch lange nachwirken": eine französische Arte-Produktion zum Thema Bahrein. +++ Und auf der tazzwei-Seite leitet die TAZ die Feierlichkeiten zum 60. Bestehen der Bild-Zeitung mit einer Übersicht über vom "'Bild'-Virus" infizierte Persönlichkeiten (darunter Wolfgang Büscher, Giovanni di Lorenzo und Jakob Augstein) ein. Mit Grafik wirkt das imposanter als in der online verfügbaren reinen Textform. +++

+++ Und die gestern im Altpapier gewünschte Public-Listening-Party zum "Ulysses" steigt am Samstag im ARD-Hauptstadtstudio Berlin. +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Mittwoch.