Männer mit Pauken

Männer mit Pauken

Das Fernsehen hat keinen Stolz, das Internet bald einen neuen Anchorman, die bunte Presselandschaft einen rechten Rand. Außerdem: der Boom des "Nachlaufjournalismus".

Kleiner Paukenschlag in der Medienbeobachterszene: Konstantin Neven DuMont ist wieder da. Beziehungsweise will er ab kommender Woche als "Anchorman" auf dem neuen Portal kndm.de auftreten. Der Tagesspiegel hat aus dem Rauschen der sozialen Medien davon mit- und Neven DuMont ans Telefon bekommen.

"Die KNDM-GmbH soll Bewegtbilder, journalistische Inhalte und Podcasts produzieren, die sich mit Missständen in den Bereichen Politik und Medien beschäftigen und Verbesserungsvorschläge aufzeigen",

sagt der im vergangenen Jahr nicht zuletzt als einer der Altpapier-Jubiläumsautoren beliebt gewordene Ex-Jungverleger. Aus dem provisorischen Namen seines diesbezüglichen Unternehmens, der KNDM GmbH, wurde bereits ein programmatischer ("kritisch, nachhaltig, direkt und meinungsbildend").

Selbst wenn das Foto von ansteckender Fröhlichkeit, das derzeit auf kndm.de lockt, wohl eher ein Platzhalter des technischen Dienstleisters ist und mit dem eigentlichen Konstantin-Content wenig zu tun hat, sind wir sehr gespannt.

Wenn es im Tagesspiegel neben dem KNDM-Artikel heißt, "der Mann mit der Pauke hat wieder zugeschlagen", geht es dennoch nicht um Neven DuMont. Vielmehr ist Jürgen Doetz, der oberste Privatsender-Lobbyist gemeint. Denn nun schaltet sich Tsp.-Ressortchef Joachim Huber in die aktuellste Fußballfernsehrechtedebatte ein.

Zur Erinnerung: Vorgestern hatte Doetz' Verband VPRT eine Botschaft herumgeschickt, in der er "vor einem gebührenfinanzierten Monopol auf die Fußballberichterstattung im deutschen Fernsehen" warnte. Und dabei den Eindruck erweckt, auch private Sender hätten für das, was die ARD gerade kaufte, "Frauen- und Herren-Länderspielrechte, ...Rechte der 3. Liga und der Frauen-Bundesliga", mitgeboten. Wer Privatfernseh-Programme rudimentär kennt, weiß, dass das natürlich Quatsch ist.

"So wird kein Fußballschuh draus, für keinen", haut nun Huber auf seine eigene Pauke, kräftige Sprachbilder in erheblicher Dichte ("Fernseh-Paradies", "Programmverstopfungsmaschine Fußball" ...). Und gelangt zu folgendem eindrucksvollen Schluss:

"Toll, toller, Fußball. Das Fernsehen hat keinen Ehrgeiz, keinen Stolz, es hat nur zu viel Geld. Die Lösung für, ja die Erlösung von der Programmverstopfungsmaschine Fußball kann nur von anderer Seite kommen, bei den Privaten von den Eigentümern der Sender, bei den Öffentlich-Rechtlichen von den Gremien."

Neues von den Eigentümern von ProSiebenSat.1, also der Privatsendergruppe, die wirklich Grund zum Ärger hätte, weil ihr das ZDF mit seinen GEZ-Einnahmen die Champions League-Rechte ab 2012 weggeschnappt hat, weiß die FTD. Diese Eigentümer haben mehr oder minder versehentlich den Termin zum mehr oder minder profitablen Ausstieg verpasst.

Eigentlich hatten die Finanzinvestoren namens KKR und Permira ihre Aktien verkaufen wollen, als der Kurs von Tiefstständen an der 1-Euro-Marke bis auf 25 Euro geklettert war. Aber dann sind sie doch wieder gefallen, die Kurse, und jetzt weiß mal wieder niemand, was aus der Fernseh-AG werden soll (bloß "informierte Kreise" wollen weiterhin wissen, "dass auch ein Verkauf an einen großen Medienkonzern nicht ausgeschlossen sei").

Früher dagegen, in den 1990er Jahren, da wurde Pro Sieben von noch so einem Mann mit der Pauke geführt, der noch jede Elefantenrunde der Medienpodiumsdiskussionsszene belebt hatte. Georg Kofler, zuletzt auch im Energiebusiness verstummt, geistert heute wieder durch die Medienschlagzeilen. Aus dem Süddeutschen kommen Meldungen von einer Razzia u.a. bei ihm, wegen früherer, womöglich falscher Abonnentenzahlen beim auch schon ziemlich vergessenen Pay-TV-Sender Premiere (vgl. meedia.de, das auf focus.de verweist, wo das tolle Mitmach-Tool "Bewerten Sie die Kompetenz von Georg Kofler" ins Auge springt, und wiederum auf wuv.de, wo die Bonus-Info "Sie sind wieder verheiratet: Das Traumpaar der Medienbranche, Christiane zu Salm, 43, und Georg Kofler, 53" erfreut. [Ja, warum hat das denn kein Fernsehsender übertragen? Zu Salm ist zumindest namentlich ja auch adelig...]).

Damit zurück ins Öffentlich-Rechtliche. Heute ist der Stichtag fürs große 50-Jahre-"Panorama"- Jubiläum, also das des NDR/ ARD-Politmagazins, von dem seit vergangenem Freitag in vielen Medienmedien die Rede ist.

Heute kommen Laudatios kurz (aber frei online) von der Berliner Zeitung und lang, aber derzeit noch nicht frei online, von der FAZ (S. 37). Michael Hanfelds kritisch-lobende Grußbotschaft schlägt einen Bogen von der renommierten Vergangenheit (Hier hat "Panorama" seine bekanntesten Paukenschläge zum Durchklicken konfektioniert) in die Gegenwart:

"Auf diese Art Nachlaufjournalismus, den 'Spiegel TV' populär gemacht hat", - damit ist der von Christoph Lütgert in den Filmen über den Discounter KiK sowie über AWD und Carsten Maschmeyer praktizierte Presenterreportage-Stil gemeint - "sind Magazine wie 'Panorama' inzwischen angewiesen - auch im Fall Maschmeyer. Die Damen und Herren, die es einzuvernehmen gilt, lassen sich nämlich gern verleugnen. Also müssen die Reporter ihnen hinterhersteigen, auch wenn das unpassend und aufdringlich wirkt. Die Talkshows - von denen die ARD schon jetzt zu viele hat - kommen leicht an Gesprächspartner aus Politik und Gesellschaft, weil sie statt Kontroverse eine Wohlfühlkulisse oder einen zumeist harm- und vor allem folgenlosen Schlagabtausch bieten. Bei den Politmagazinen ist das anders."

Und dann gibt es ein noch ein Jubiläum, auf das man in der bunten deutschen Presselandschaft aber erstmal kommen muss.

"In dieser Woche feiert die Junge Freiheit (JF) ihr 25-jähriges Bestehen. Das 1986 als Schülerzeitung gegründete Wochenblatt aus Berlin (verkaufte Auflage im ersten Quartal 2011: 19350 Exemplare; plus 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal) ist das Leitmedium der sogenannten Neuen Rechten",

informiert die Süddeutsche auf ihrer Medienseite. Und leitet damit ein "Gespräch mit einem Gegner" ein. Der Gegner ist Stephan Braun, Mitarbeiter der evangelischen Landeskirche in Württemberg und freier Publizist "und hat etliche Bücher zum Thema herausgegeben".

[listbox:title=Artikel des Tages[Das KNDM-Comeback (Tsp.)##Programmverstopfungsmaschine Fußball (ebd.)##Neue, alte Ungewissheit bei ProSiebenSat.1 (FTD)##Alarm im Darm des Journalismus (TAZ)]]

Mit ihm führt Marc Felix Serrao ein ausgesprochen vorsichtiges Gespräch, sozusagen das Gegenteil eines Paukenschlags, über die umstrittene Junge Freiheit. Schließlich bekam die Süddeutsche in diesem Themenfeld gelegentlich gelinde Schwierigkeiten (vgl. z.B. das zeit.de-Blog Störungsmelder 2010). Braun nennt z.B. Anknüpfungspunkte des Blattes zwischen Carl Schmitt und aber auch dem Marxisten Antonio Gramsci "eine aparte Mischung". Serrao sagt und fragt z.B.:

"Die deutsche Presselandschaft ist nach wie vor eine der buntesten der Welt. Und das Milieu, das Sie beschreiben, ist winzig. Muss eine reife Demokratie wie unsere solche Zeitungen nicht einfach aushalten?"

Braun: "Sie sagen selbst: Die Auflage steigt und steigt. Ich bin sehr für Pressefreiheit. Eine reife Demokratie kann und muss so ein Blatt aushalten. Aber das heißt nicht, dass ich auch alles goutieren muss. Das ist der Unterschied zwischen Freiheit und Beliebigkeit. Wer die Auseinandersetzung scheut, gibt Stück um Stück die Freiheit auf."

Klar jedenfalls: Wenn man alles goutieren müsste, was gedruckt erscheint (von dem noch viel mehr Ungedruckten im Internet ganz zu schweigen), das wäre schon übel.
 


Altpapierkorb

+++Teamworx-Produzent Nico Hofmann war zwar "an diesem Mittwoch nicht zu sprechen", aber die Süddeutsche weiß trotzdem brandheiße Details zur im Herbst anlaufenden Fernsehverfilmung von Uwe Tellkamps Roman "Der Turm"."Regie wird Christian Schwochow, 32, führen", Jan Josef Liefers jedenfalls ist dabei. Unklar aber wohl noch, ob Veronica Feres und/ oder Maria Furtwängler ins Boot kommen. +++

+++ "Von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs über das System der Presse-Grossisten hängt die Pressevielfalt ab", so die FAZ-Medienseite 37 über das schwebende Bundesgerichtshofsverfahren, die dann gar das Pressegrossosystem, durch das "alle Publikationen gleichberechtigt Zugang zum Markt und ins Presseregal finden", mit "der Netzneutralität im Internet" vergleicht. +++

+++ Wenn die Süddeutsche heute über "die Liebesaffäre eines Fußball-Profis" berichtet, die "die strengen britischen Pressegesetze in Frage" stellt, aber auch Twitter betrifft, dann fällt der Name Ryan Giggs nicht (vgl. Tsp. gestern). +++ Ganz schön mutig, die New York Times. Jetzt beschäftigt sie sogar, erstmals in ihrer 160-jährigen Geschichte, einen schwulen Kolumnisten (TAZ).+++

+++ meedia.de (in Fortführung von der eigentlich von Stefan Niggemeier angestoßenen stern.de- bzw. Onlineportale-Debatte): "Leidet die News-Branche im Netz darunter, dass sich die meisten Nachrichtentexte austauschbar auf vielen Online-Plattformen wiederholen?" - sueddeutsche.de-Chefredakteur Stefan Plöchinger: "Sowohl als auch...". Wichtig sei jedenfalls, auch online "gut blattzumachen (es gibt auf Online-Seite keinen besseren Begriff dafür)". +++

+++ Ferner auf der FAZ-Medienseite 37: ein Bericht über "Nascha Rascha", die russische Version von "Little Britain", die auf dem Privat- bzw. Gasprom-Sender TNT läuft. "Freilich ist in der russischen Fernsehlandschaft auch grober Humor politisch sensibel. Für eine Zeitungspublikation ...wollte der Kanal TNT nur dann Bildmaterial zur Verfügung stellen, wenn der Artikel vorab eingereicht und für problemlos befunden werde, wie uns eine Pressesprecherin erklärte. Und leider war das keine Satire. Wir sind auf anderem Weg an unsere Fotos gekommen", schreibt Kerstin Holm am Ende. +++ 

+++ Ferner richtet die TAZ Blicke ins nähere Asien, beschreibt die Medienlandschaft Afghanistans ("Heute gebe es 30 private TV-Kanäle, 150 Radiosender und 500 Publikationen"), in der es jedoch an Unabhängigkeit mangele, und per Interview die des irakischen Kurdistan ("Ein Durchschnittsbürger kann sich einfach nicht täglich eine Zeitung leisten. Auch deswegen sind die Auflagen begrenzt. Das ist eines der Hauptprobleme", sagt "Awena"-Chefredakteur Asos Hardi). +++

+++Ein unbekannter junger Mann in der S-Bahn, "der verzweifelt versuchte, über das Facebook-Konto auf seinem Smartphone auf die Einladungsliste einer Party zu gelangen" und dafür "sogar mit einigen Freunden" telefonierte, "damit sie ihn über ihre Computer auf die Liste setzen sollten, jedoch erfolglos", taucht nun im Tsp.-Bericht "Wie wir unser Leben vom Netz bestimmen lassen". Kurt Sagatz sprach mit Buchautor Casten Görig ("Gemeinsam einsam – Wie Facebook, Google & Co. unser Leben verändern"). Wirklich Casten? Nein, ein Tippfehler, der Autor trägt doch den uninteressanteren, vielleicht seriöser wirkenden Vornamen Carsten. +++ Innovation Online-Casting: die BLZ berichtet anhand des heutigen RTL-Fernsehfilms "Nina Undercover". +++

+++ Ausführlicher Bericht zur CDU media night (siehe Altpapier gestern) in Ute Hamelmanns "Sudelbuch". +++ "Kritisch wie Kruppstahl" (TAZ zur Personalie des neuen Chefredakteurs der Schwäbischen Zeitung, vgl. kress.de). +++ "Alarm im Darm des Journalismus", schreibt Michael Ringel ebd. (tazzwei, nicht "Wahrheit"), und zumindest die Genrebezeichnung "ARD-Trottelmagazin" (für "Brisant") sollte man sich merken. +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.