Am besten pro und contra

Am besten pro und contra

Das Altpapier heute mit: dem vielleicht besten deutschen Late-Night-Show-Moderator, Schuhen im Internet und hunderten von Online-Artikeln, die eigentlich gar keine sind.

Zu den sinnvollsten Formaten für mündige Medienverbraucher von heute gehören Pro-und-contras. Schließlich rauschen in der Digitalära pausenlos Medieninhalte an einem vorbei (die sich auch alle durch die gleiche Werbung finanzieren möchten - dazu unten mehr). Wenn man das Rauschen also schon mal ausblendet, um kurz einem dieser Inhalte relativ volle Aufmerksamkeit zu schenken, möchte man sich ja lieber eine eigene Meinung darüber bilden (oder zumindest überlegen, ob es lohnt, sich eine zu bilden), anstatt gleich eine Meinung eines Vermittlers zu übernehmen.

Insofern: Zu dieser Show bieten wir heute zwei fundierte und relativ konträre Meinungen. Es handelt sich um die vorerst vorletzte Sendung "Stuckrad Late Night" mit dem junggebliebenen Popkulturveteranen Benjamin von Stuckrad-Barre, deren vorerst letzte Ausgabe heute Abend um 22.25 Uhr im Digitalsender ZDF-Neo ausgestrahlt werden wird. Von der aber auch ältere Ausgaben noch online abzurufen sind (hier, rechte Randspalte).

Da handelt sich um "das Interessanteste, Klügste und Lustigste, was das deutsche Late-Night-Gewerbe zurzeit zu bieten hat", schreibt Marc Felix Serrao auf der Medienseite 15 der Süddeutschen Zeitung und freut sich, dass Produzent Christian Ulmen ankündigte, auch nach dem heutigen Staffel-Ende werde die Show "auf jeden Fall weitergehen".

"Sicher ist nur: So wie jetzt kann es nicht weitergehen", schreibt dagegen Peer Schader im FAZ-Fernsehblog, und hat von der ZDF-Neo-Redaktionsleiterin Simone Emmelius gehört, dass sie "erst einmal durchatmen und mit ein bisschen Abstand gemeinsam die Stärken und Schwächen bewerten" möchte, bevor übers Weitergehen entschieden werden wird. Dann schildert er recht ausführlich und mit vielen Screenshots, wie Stuckrad-Barre seine Show so gestaltet, was er gut macht und woran es hapert:

"Den Stand-up-Teil zu Beginn vermasselt er zuverlässig, was damit zusammenhängen mag, dass er einfach kein guter Witzeerzähler ist, aber auch ganz wesentlich damit zu tun hat, dass die Witze schlecht sind und vielleicht mal ein paar Autoren ran müssten, die ihre Qualifikation nicht durch das Betreiben einer Christian-Ulmen-Fanseite erworben haben."

Unfair wirkt Schader dabei nie - schließlich ist er der Fernsehbeobachter mit dem wohl größten Herz fürs Privatfernsehen, in dem auch die öffentlich-rechtlichen Digitalnischen, die sich anstrengen, mit Gebühren besseres Privatfernsehen anzustellen, locker Platz finden.

SZ-Redakteur Serrao wiederum nennt Stuckrad-Barre einen "bei aller Zappeligkeit ... brillanten politischer Beobachter" und schildert ebenfalls so ausführlich wie in einer Papierzeitung möglich, welche Gags der Showmaster so macht und was daran gut sei.

Kleiner Schönheitsfehler unseres Pro-und-contras: der Süddeutsche-Text ist derzeit eigentlich [es sei denn, Sie googeln seine Überschrift "Teechen zum Runterkommen" und klicken dann auf das Ergebnis von szmobil.sueddeutsche.de ...] nicht frei online zu haben. Übrigens sind beide Rezensenten recht unisono angetan vom Showgast Erwin Huber, dem früher auch jenseits Bayerns bekannten CSU-Politiker. Insofern sollte ZDF-Neo vielleicht, statt die Stuckrad-Show zu verlängern, einfach mal eine Staffel "Erwin Huber Late Night" beauftragen. Das fände sicher auch der Fernsehrat gut...

Damit also zur Ökonomie derjenigen Digitalmedien, die nicht aus GEZ-Gebühren finanziert werden. Da gibt es heute einerseits einen instruktiven Artikel der Berliner Zeitung, der im "Sendung mit der Maus"-Stil ("Wer einen Online-Händler besucht, um sich beispielsweise einen Schuh anzuschauen, dem kann es gehen wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel...") die für onlinewerberelevante Technik des "Retargeting" erklärt. Ferner geht es um die in dieser Hinsicht wichtig werdende E-Privacy-Richtlinie der Europäischen Union sowie die Webseite meine-cookies.org, die die Online-Werbetreibenden daher für mündige Medienverbraucher eingerichtet haben.

[listbox:title=Artikel des Tages[FAZ-Blog über Stuckrad-Show##BLZ über Onlinewerbung##Niggemeier über stern.de##Nannenschüler zur Nannenpreisfrage (TAZ)]]

Der andere Artikel zur Internet-Ökonomie stammt vom aus der Schlagerwelt in die harte Medienrealität zurückgekehrten Stefan Niggemeier und befasst sich in der gewohnten Akribie mit dem Internetauftritt der Illustrierten Stern.

"An einem zufälligen Tag", dem Dienstag vorgestern, zählte er stolze 367 auf stern.de veröffentlichte Artikel: "Knapp 300 davon sind Agenturmeldungen, die vollautomatisch in den 'Nachrichtenticker' von stern.de einfließen." Nach Abzug von weiteren Agenturmeldungen und -videos, "Promotion-Artikeln" für "Stern-TV", Bilder-Galerien und Übernahmen, verbleiben "8 Eigenberichte", bei denen es sich freilich bloß um "mehr oder weniger eigenen Berichte" handelt. Niggemeiers Fazit:

"Das Online-Angebot des 'Stern' ist die Antwort des Verlags Gruner+Jahr auf die Frage: Was machen wir im Internet, wenn wir nichts im Internet machen wollen? Es ist der Versuch, mit überwiegend eingekauftem Allerweltsmaterial durch geschickte Verpackung ein eigenständiges Medium zu simulieren. Relevanz ist dabei verzichtbar, solange die Reichweite stimmt. Und tatsächlich steigen gerade die Besucherzahlen von stern.de. ..."


Altpapierkorb

+++ Hopsala, es war schon wieder Mediendisput in Berlin. Diesmal ging's um die Thesen von Wolfgang Storz zur Bild-Zeitung, die eben keine Zeitung sei (vgl. das Storz-Interview hier auf evangelisch.de neulich). Falls jemand viel Aufmerksamkeit auf die Nachbereitung des Diskussionsabends verwenden wollen sollte, bietet das Internet jede Menge Material. Zum Beispiel lässt er sich bei wasmitmedien.de als Audio nachhören oder dank der Studien-Webseite des Auftraggebers, der Otto-Brenner-Stiftung, als Video (natürlich mit Ton) ansehen. Zumindest zeitsparender ist, einfach die Diskussionsveranstaltungsbesprechung des Tagesspiegel zu überfliegen. Da heißt es, wegen der sinkenden Auflage der Bild-Zeitung gab Storz "am Ende Entwarnung: 'Die Stärke von 'Bild' ist, einen Einfluss zu inszenieren, den sie gar nicht hat.'" (Und dass Diskussionsleiter Thomas Leif keiner ist, der fragt, ob die enorme Reichweite von bild.de das nicht ausgleicht, das wird sich schon denken, wer sich überhaupt für solche Diskussionen interessiert). +++

+++ Wer den Süddeutsche-Bericht über Stuckrad-Barre las, weiß, dass der Erwin Huber auch nach seiner Meinung zur Nannen-Preis-Frage fragte ("Ich finde, Pfister hätte den Nannen-Preis wirklich verdient gehabt", so dessen Antwort). Auch in den Medienmedien wird diese Diskussion weitergetrieben. Nachdem gestern der Nannen-Journalistenschul-Leiter Andreas Wolfers in der FAZ einen trotz seiner Länge recht neutralen Artikel dazu schrieb, äußern sich heute in der TAZ vier aktuelle Nannen-Journalistenschüler. Und zwar wesentlich entschiedener als Wolfers. +++

+++ Schon wurden die nächsten Journalistenpreise vergeben. Bei den Wächterpreisen der Tagespresse ging es ganz ohne Eklat ab. "Der zweite Platz ging an den Kölner Stadtanzeiger, der dritte Preis an die Frankfurter Rundschau" - klar dass die Rundschau da mal vom Prinzip abweicht und einen eigenen Medienartikel bringt. +++

+++ Materialien zur Ökonomie der Mediatheken im Internet: Die öffentlich-rechtlichen Österreicher wollen in ihrer ("TVthek") Werbung schalten (Süddeutsche, kurz). +++ Ebenfalls werben will die von diversen "Tochter- und Enkelgesellschaften von ARD und ZDF", darunter Bavaria Film und Studio Hamburg, mit der privatwirtschaftlichen Firma Beta-Film geplante Pay-per-view- und Abo-Mediathek mit dem tollen Namen "Germany‘s Gold". Neue Details dazu in der Funkkorrespondenz. +++

+++ Sonstiges Öffentlich-Rechtliches: Der MDR schenkt sich bzw. den Gebührenzahlern aus Betroffenheit wg. der Kika-Affäre seine 20-Jahre-Jubiläumsgala (DPA/ KSTA). +++ Interessant, derzeit aber nicht frei online: der FAZ-Artikel zur neuesten Generalreform der Deutschen Welle. Damit versuche diese, "die von der Bundesregierung pro Jahr mit zurzeit 273 Millionen Euro pro Jahr finanziert wird, abermals die Quadratur des Kreises - sie will der deutsche Auslandssender sein, der sowohl an Deutschland Interessierte wie Auswanderer anspricht und dabei auch noch CNN im Kleinen spielt. ...  Erst eine - rechtlich schwierige, aber nicht unmögliche - enge Verbindung zwischen den beiden Säulen öffentlichen Rundfunks", also mit ARD und ZDF, "brächte eine Wende", aber "die föderal verfasste, also provinzielle, deutsche Medienpolitik ...kümmert es seit jeher nicht", klagt Michael Hanfeld (S. 35). +++

+++ Der "provokanteste Charakter des Fernsehens": dann doch nicht Stuckrad-Barre, sondern Michael C. Hall, Darsteller des vielfachen Mörders "Dexter". Nina Rehfeld porträtiert ihn heute für die FAZ. +++ Wo sich laut Tsp. "selbst strikte Anhänger des öffentlichrechtlichen Fernsehens mal locker machen und sich mit einem bunten Cocktail vor die Glotze setzen" sollten: heute vorm (deutschen) RTL-Film "Geister all inclusive". +++

+++ Und dann steigt die FAZ jetzt auch noch ins brummende Geschäft mit Caffe lattes und dergleichen ein. Zumindest hat sie "neben der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität" zu München ein Café eröffnet, das unter anderem auch dem Zeitunglesen dienen soll. Für die BLZ suchte Sarah Mühlberger es auf und fand es dann gar nicht so schickimicki wie der Pförtner, bei dem sie nach dem Weg fragte...

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.