Adieu, Frank

Adieu, Frank

Der große Schauspieler Frank Giering hat seine letzte TV-Premiere. Der neue Job der einst "kongenialen" Sportmoderatorin Monica Lierhaus bleibt umstritten. Was aus einer acht Mrd. Euro schweren Fernseh-AG wird, auch.

Aus im letzten Juni gegebenem Anlass erst mal ein Fernsehtipp: Heute um 20.15 Uhr sollte, auch wer das sonst ganz bestimmt nicht täte, das ZDF einschalten oder zumindest sein Aufnahmegerät entsprechend programmieren. Zu sehen ist in einer der ca. 250 laufenden öffentlich-rechtlichen Krimiserien, "Der Kriminalist" heißt sie, der letzte Auftritt des mit 38 Jahren verstorbenen Frank Giering, eines der besten (und im Krimi/ Schmonzetten-Fernsehen verlorensten) deutschen Schauspielers.

Die TAZ weist heute in schöner Form darauf hin:

"Ganz besonders gut konnte Giering die verdrucksten, in sich gekehrten, ernsten Typen spielen. Die auf Partys immer allein rumstehen. Er selbst mag auch so einer gewesen sein, den Eindruck konnte man aus Interviews gewinnen. Die Eröffnungsszene heute spielt auf dem Berliner Polizeiball, 'Der Kriminalist' hat gerade eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt. Henry/Giering hat im Abseits zugesehen, natürlich. Aber wie er zugesehen hat! Nicht einfach nur rumstehend. Sich im Takt der Musik wiegend, Champagner trinkend..."

(Regelmäßige Altpapier-Leser wissen, dass die BLZ vergangene Woche, traditionell zum aktuellen Krimiserienstaffelstart, darauf hingewiesen hat).

Wie immer man das auch sonst sehen möchte: Zum Glück noch nicht ihren letzten Auftritt hinter sich, vielmehr mindestens 50 wöchentliche Sendungen vor sich (oder den Vertrag dafür in der Tasche) hat Monica Lierhaus. Die beträchtliche Menge von 50 Journalisten, so berichtet Simone Schellhammer im Tagesspiegel, kam gestern zur Pressekonferenz in Hamburg, auf der die ARD-Fernsehlotterie ihre neue Werbekampagne vorstellte. Auf der aber das neue Fernsehlotterie-Gesicht Lierhaus, "die weiterhin intensiv therapiert wird", gar nicht anwesend war. (Nur dwdl.de gewann irgendwie den Eindruck, sie sei immerhin "zugeschaltet" gewesen).

Anwesend waren lediglich Fernsehlotterie-Geschäftsführer Christian Kipper und sein Pressesprecher. Sie präsentierten ein gut dreiminütiges Werbefilmchen, das die Fernsehlotterie schon auch auf Youtube zeigt. Aufgrund des großen Presseinteresses gibt es heute dennoch allerhand Berichte, die sich bemühen, das heikle Thema, dass die "weiterhin sichtlich gehandicapte" (Tsp.) Lierhaus als Gallionsfigur einer gemeinnützigen Glückspiel-GmbH ziemlich viel Geld erhalten soll, in Worte zu fassen.

Für den Tsp. weist Lotterie-Pressesprecher Mario Czipull auf die Härte des Glücksspielmarkts hin, auf dem man "mehr denn je auf prominente Namen angewiesen" sei. meedia.de zweifelt dennoch an, dass Lierhaus' Honorar (zu dem Geschäftsführer Kipper auch im KSTA-Interview eben so wenig konkrete Angaben macht wie zur "in einem überschaubaren Rahmen" "erhöhten Anzahl" von Los-Kündigungen) denn "marktgerecht" ist.

Die Welt aus dem Hause Axel Springer (auf dessen Gala Lierhaus bekanntlich ihr spektakuläres TV-Comeback hatte) sieht die Personalie im Rahmen einer besonders ausgeruhten Reportage ("Man kann schon mal durch den Türspalt linsen an diesem milchigen Märzmorgen hoch über dem Hamburger Hafen") eher positiv:

"Der Name Monica Lierhaus steht nach alledem sowohl für die Glückskinder dieser Gesellschaft als auch für jene Menschen, denen das Glück eben nicht oder nicht mehr gewogen ist."

Die Süddeutsche sieht nicht nur kritisch, dass Lierhaus "gleich den ersten, seit Wochen angekündigten Termin für ihren neuen Arbeitgeber nicht persönlich wahrnehmen konnte", sondern stellt auch die Frage in den Raum, ob die Lotterie-Macher sie "nicht engagiert ... haben, obwohl sie krank ist, sondern weil sie krank ist".

Andererseits war Lierhaus, konzediert Ralf Wiegand, ja "einst als kongeniale Interviewerin des Fußball-Bundestrainers" bekannt geworden. Und wie zum Beweis dafür, dass inzwischen viel viel mehr nervtötende Sportmoderatoren unterwegs sind als kongeniale, kommt im oben verlinkten Fernsehlotterie-Video beim Lierhaus-Shooting an der Alster in Hamburg Johannes B. Kerner vorbeigejoggt (vgl. unser zweites Foto) und herzt die Kollegin. Wir hoffen mal stark, dass die Zufälligkeit dieser Begegnung, die die zuständige Agentur dem Tsp. zusicherte, bedeutet, dass nicht auch Kerner noch ein paar Tausender aus dem Merketingetat zugesteckt bekommen hat.

Immerhin zählt Kerner ja nicht mehr zu den öffentlich-rechtlichen Fernsehgesichtern, sondern zur "Kanalkombo", wie die TAZ die Privatsendergruppe ProSiebenSat.1 nennt. Und auch wenn diese "mit Stars wie Stefan Raab, Richterin Barbara Salesch und ...Kerner höchst deutsch" wirkt, so fallen "die wirklich wichtigen Entscheidungen ...aber in London und in den USA", erinnert Steffen Grimberg. Eine solche Entscheidung dürfte bevorstehen, denn die internationalen Finanzinvestoren, denen die AG gehört, streben den profitablen Exit an. Gemessen am Aktienkurs ("ist seit dem Höhepunkt der Werbekrise Anfang 2009 von weniger als 1 Euro auf 23 Euro gestiegen", FAZ, S. 20), haben sie günstige Voraussetzungen.

Weil P7S1 gestern Bilanzpressekonferenz hielt, wird die Frage, wer denn wie der neue Eigentümer des Unterföhringer Konzerns werden könnte, heute vielerorts erörtert. Die FAZ beziffert im Wirtschaftsressort den Preis "einschließlich seiner Schulden" auf "bis zu acht Milliarden Euro". Die TAZ glaubt daher, das kommt, "was meistens kommt, wenn kein einzelner Käufer zugreifen will", dass die Investoren "ihre Anteile ...an der Börse versilbern". Das glauben auch FTD/ Reuters.

[listbox:title=Artikel des Tages[Gierings letzte TV-Premiere heute (TAZ)##Giering nochmal als absoluter Gigant (Youtube)##Monica Lierhaus (& Kerner) auf Youtube##Tsp. von der Fernsehlotterie-PK##TAZ über P7S1-Zukunft##TAZ-Korrespondentin wird in Peking belehrt]]

Vielleicht also "entsteht ein Dax-Unternehmen", raunt unter Bezug auf "Finanzkreise" die FR/ BLZ, die "trotz aller Dementis", die Mathias Döpfner noch bei der eigenen Bilanzpressekonferenz vorgestern formulierte, aber weiter auch glaubt, dass der Springer-Verlag gerade hinter den Kulissen "auf Zehenspitzen" (Zitat: wiederum anonyme "Experten") auslote, ob seine Beteiligung am Fernsehkonzern inzwischen kartell- und medienrechtlich möglich sei. Auf der FAZ-Medienseite 35 pflichtet Michael Hanfeld  bei: "Springer hat gerade erst wieder heftig dementiert, interessiert zu sein. Für eine Alleinübernahme scheint der Brocken auch zu groß, für eine Allianz zwischen Springer und - zum Beispiel - Murdoch wäre es aber wohl zu schaffen."

Um zu wissen, dass zwischen den schönen offiziellen Reden elegant gewandeter Vorstandsvorsitzender und dem operativen Geschäft, mit dem sie ihr Geld verdienen (und ausgeben), durchaus Welten liegen können, muss man ja bloß mal an Kiosk oder Tankstelle einen Blick auf die Bild-Zeitung werfen.


Altpapierkorb

+++Seine Fähigkeit, Medienkartelle zu schmieden und auch gegen "heftigen Widerstand" von Alianzen durchzusetzen, in denen Lichtgestalten wie Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger aktiv sind, hat Rupert Murdoch gerade in Großbritannien bewiesen. Dort darf er "die 61 Prozent Anteile an seinem Pay-TV-Imperium BSkyB, die er noch nicht besitzt, ohne weitere Einwände der britischen Medienaufsicht übernehmen". Nur für den Nachrichtensender Sky News gibt es eine Ausnahmeregelung (Tsp., FTD). Mehr dazu auf englisch z.B. im media360blog.com. +++

+++ "Hier ist die Einwanderungspolizei. Kommen Sie heute Nachmittag zu uns ins Amt, wir wollen Sie über die Arbeitsvorschriften für Journalisten belehren". Dieser Aufforderung leistete TAZ-Korrespondentin Jutta Lietsch in Peking natürlich Folge. Und wurde belehrt, nicht durch journalistische Präsenz, die Anwohner zu erschrecken. Und schrieb ein starkes Stück über Pressefreiheit. +++

+++ Dieselbe (TAZ) fragt im Kommentar zur Erweiterung der Anklage gegen Bradley Manning um den (im Prinzip todesstrafefähigen) Vorwurf der "Kollaboration mit dem Feind": "Wer ist der Feind?" Antwort: "JournalistInnen, HistorikerInnen und die große Öffentlichkeit". +++

+++ Wer der oben genannten ProSiebenSat.1 AG aus ihrem Star-Portfolio nun abhanden kommt: Kai Pflaume, der neuerdings öffentlich-rechtlich (in der ARD) quizzelnden "Nur die Liebe zählt"-Veteran. Auf diesen Job will er sich nun "ganz konzentrieren" (sueddeutsche.de). +++ Womit das ZDF sich um die junge Zielgruppe müht: mit lustigen Mash-ups seiner älteren Programme, die es schon auf die Titelblätter des Boulevards schafften. Tobias Moorstedt nimmt sie sich in der Süddeutschen vor: "Dann kommt plötzlich eine Robbe ins Bild und schnattert: 'Ficken, ficken, ficken!'... !' So ist das ZDF im Jahr 2011. Punkrock alt." Und "der medialen Kunstform wird der Sender nicht gerecht". +++

+++ Kürzlich untergegangen: Den Credit fürs Aufdecken der noch von KT zu Guttenberg unter Dach und Fach gebrachten allerwenigstens 0,6 Mio. Euro schweren Bundeswehr-Werbekampagne 2011 "zunächst nur in Bild, BamS und auf dem Online-Angebot bild.de" gebührt der Frankfurter Rundschau bzw. der Linkspartei.+++

+++ Auf der FAZ-Medienseite berichtet Paul Ingendaay aus dem spanischen Privatfernsehen, vor allem vom dortigen Berlusconi-Sender Tele 5, der die "geistig zurückgebliebene" Frau eines mutmaßlichen Mörders bedrängte, die Verantwortung ihres Mannes zu gestehen: "Alles an dieser Szene ist schockierend, der grelle Kontrast zwischen der kleinen, rundlichen Frau und der hübschen Journalistin, die wirkliche Not auf der einen und der professionelle Zynismus auf der anderen Seite, der jeder morbiden Filmsekunde hinterherjagt."+++ Dass FAZ-Medienseitenchef Michael Hanfeld den britischen ZDF-Krimi "Inspector Barnaby" mag, ist bekannt. Heute gibt's nochmals ein großes, von Nina Belz verfasstes Porträt des Darstellers John Nettles unter dem nachdenkenswerten Titel "Er hat schon eine sehr, sehr steife Oberlippe". +++

+++ Die frischesten Ideen aber hat immer noch die Deutsche Post. Nach dem dank gewaltiger Werbepenetration gut bekannt E-Postbrief jetzt: dieredaktion.de. Der "Online-Marktplatz für Qualitätsjournalismus ... richtet sich an Journalisten, Verlage, Corporate Publishing-Dienstleister sowie Unternehmen und Verbände. Diese sollen auf dem Marktplatz künftig einfach und effizient mit journalistischen Inhalten handeln können. Die Post behält 30 Prozent vom Umsatz ein" (horizont.net). Außer dem sympathisch lächelnden "Journalist Sven Hansel" ist auch Konstantin Neven DuMont schon dabei. +++ (Dessen gerade zweitjüngster Tweet lautet: "Während im Rheinland geschunkelt wird, lässt Gaddafi Brega bombardieren").
 

Neues Altpapier gibt's wieder am Montag.