Weltstars aus Hannover

Weltstars aus Hannover

Mathieu Carrière, Schauspieler und Autor, sowie Carsten Maschmeyer, Finanzoptimierer und ARD-Kritiker, sorgen für Spannung in den Programmen von RTL und ARD.

Jetzt also sind die neuen Insassen des RTL-Dschungelcamps (Achtung: nicht auf dem Foto! Infos zu dem weiter unten)  verkündet worden. Dass die Bekanntgabe selbst gegenüber den vorherigen Spekulationen knallermäßig abfällt, gehört zum Prinzip, schon weil die in jeder Hinsicht grauenerregende Präsenz eines Dirk Bach ohnehin niemals geschmälert werden kann.

Einschlägige Medien berichten heute jeweils einschlägig (z.B. Bild-Zeitung, Tagesspiegel). Wer unter den Kandidaten über die dort postulierte "Z-Prominenz" jedenfalls hinausragt, ist Mathieu Carrière. Dieser "Weltstar ist Schauspieler und Autor. Am 02.08.1950 in Hannover geboren", informiert die nicht irgendwie interessante, aber exzellent googlebare Webseite mathieu-carriere.jforum.biz, die wiederum auf die offizielle Webseite mathieu-carriere.com verweist.

Dort zeigt sich Carrière bereits bestens gewappnet, hat ein Selbstdarstellungs-Youtube-Video und ein FAQ in Textform eingerichtet und einen Twitteraccount, hat im Pressespiegel die Rubrik "Dschungelpresse" angelegt und, weil er schon dabei war, auch noch einen Marcel-Proust-artigen Fragebogen beantwortet. Literat ist Carrière schließlich auch. Sein nach eigenen Angaben "rasanter Schundroman" "Im Innern der Seifenblase", der von "45 Jahren Selbsterfahrung in allen TV-Formaten" zehrt, soll im März 2011 erscheinen, wenn die Erinnerung ans schon am 30. Januar endende Dschungelcamp hoffentlich noch nicht vollständig verblasst sein wird. Bzw., vielleicht könnte Stroemfeld zwischenzeitlich Carrières Kleist-Buch von 1980 wiederauflegen; mit den Aufklebern "Kleistjahr" und "bekannt aus dem Dschungelcamp" sollte das Risiko doch überschaubar sein. (Und wenn wir schon dabei sind: die Art und Weise, in der Carrière darauf aufmerksam macht, dass er in diversen vergangenen Jahrzehnten in allerhand interessanten Filmen mitspielte, ist aller Ehren wert).

Die Zielgruppen können also durchaus etwas gespannt sein auf den Dschungelcamp-Start am Freitag. Man kann aber auch bereits aufs ARD-Programm am heutigen Mittwoch gespannt sein. Und zwar besonders um 21.45 Uhr. Das hat weniger mit dem dann endenden Spielfilm "Die fremde Familie" zu tun (siehe Altpapierkorb), sondern mit der anschließend angesetzten Sendung "Der Drückerkönig und die Politik".

Wie die Süddeutsche gestern kurz informierte und heute ausführlich berichtet, hat der nicht zuletzt dank seines Engagements für Royals wie Prinzessin Caroline von Monaco-Hannover bekannte Medienanwalt Matthias Prinz beträchtliche Initiative entfesselt, deren Ausstrahlung zu verhindern:

"Mit gleich mehreren Schreiben wandte sich der Anwalt an alle Intendanten und Justiziare sämtlicher neun ARD-Anstalten und warnte sie vor der Ausstrahlung des Films. Die 'zu erwartenden Rechtsverletzungen unseres Mandanten' seien geeignet, schrieb die Kanzlei, 'dass das Handeln des NDR bzw. der ARD (...) als Präzedenzfall dazu geeignet wäre, die Grenzen der gebührenfinanzierten und gesetzlichen Grundversorgung gerichtlich feststellen zu lassen'",

schreibt Ralf Wiegand. Die halbstündige Reportage mit dem vor der Kamera agierenden NDR-Reporter Christoph Lütgert basiert auf einer im September ausgestrahlten und ebenfalls von Anwalt Prinz bekämpften (aber hier bei Youtube anguckbaren) "Panorama - Die Reporter"-Ausgabe, deren unfreiwillige Hauptfigur ein weiterer Hannoveraner ist: der Finanzunternehmer und AWD-Gründer, der jetzige Miteigentümer der AWD-Muttergesellschaft Swiss Life sowie Veronica-Ferres-Partner Carsten Maschmeyer. Seine Geschäfte werden im Film mächtig kritisiert.

"Auf die Bilder kommt es an", leitet Michael Hanfeld seine Besprechung des Films in der FAZ (S. 31) ein und illustriert seine These mit dem offiziellen ARD-Foto, das auch dieses Altpapier illustriert und Maschmeyer mit Altkanzler Gerhard Schröder, dessen Frau Doris sowie mit Ferres zeigt. Hanfeld beschreibt dann gern die "besondere Verhältnisse, die in Hannover herrschen" wie auch die Vorwürfe des Anwalts Prinz. Gelangt aber zum Fazit:

"Dem steht entgegen, was wir sehen: einen Mann, der dann noch schweigt, wenn der Reporter neben ihm steht. Einen Mann, der sich aber mit dem ehemaligen Bundeskanzler zeigt und den der Bundespräsident einen Freund nennt. Seine Fragen habe er eingereicht, sagt der Reporter Lütgert. 'Das Interview habe ich nicht bekommen.'"

"Das Verdienst der Filmemacher besteht zudem darin, dass sie die Beteiligten durch hartnäckige Fragen zu kaltschnäuzigen Uns-kann-keiner-was-Reaktionen animieren. Kristina Schröder verdünnisiert sich, als die Fragen kritisch werden, und wird beim Abgang frech. Rürup [der Maschmeyer-Geschäftspartner Bert, AP] sagt, der Gedanke, er profitiere heute davon, was er als Regierungsberater vorbereitet habe, könne 'nur aus einem kranken Hirn entstehen'", lobt René Martens in der TAZ, in der er die nächste Fortsetzung ankündigt: Anfang Februar werde der NDR einen Film zeigen, "der sich auf die bisherige juristische Auseinandersetzung Maschmeyers mit dem Sender konzentriert".

[listbox:title=Artikel des Tages[TAZ über die Maschmeyer-Reportage##Maschmeyer-Reportage aus dem September (Youtube)##Offizielle Mathieu-Carrière-Seite##Springer inszeniert sich als Verfolgter? (TAZ)]]

Weitere Berichte zum Thema kommen von Markus Grill im SPON-Wirtschaftsressort, vom Tsp. sowie, irgendwie meta, von den nachdenkseiten.de, deren Herausgeber Albrecht Müller offenbar selber im Film performt.

Bliebe noch darauf hinzuweisen, dass Sendeplätze für solche aktuellen, spannenden Dokumentationen am noch relativ frühen Abend wie "Der Drückerkönig und die Politik" der Optimierung des ARD-Programmschemas für mehr Talkshows und weiteree Durchformatierung ab Herbst zum Opfer fallen werden.

Aber den "Winzerkönig", den wird es sicher weiterhin geben.


Altpapierkorb

+++Zuvor im ARD-Fernsehen: "Die fremde Familie", der neue, in vielen Zeitungsanzeigen beworbene Film von Regisseur Stefan Krohmer, den natürlich alle, alle gut finden. "Krohmer ist schon im Haus, er fällt nicht mit der Tür hinein, wie viele, die ein Milieu studieren wollen und es beim Gebrauch ihrer fiktionalen Mittel zerstören" (Christopher Keil, Süddeutsche). "Das erste Fernsehfilm-Highlight des Jahres" (Klaudia Wick, BLZ). "Ausgezeichnet" (Rainer Tittelbach, Tsp.). +++ Doch nicht alle: "Heillos versiebt", meint Edo Reents: "Drehbuchautor Daniel Nocke hatte es sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, diesen seriösen, strapazierfähigen Stoff nach Art einer deutschen Kinokomödie zu verwursten, die es mit Plausibilität und Wahrscheinlichkeit nicht so hat und noch die bittersten Konflikte in Wohlgefallen auflöst, so dass dann am Ende alle, die sich zuvor so bitterlich bekriegt haben, fröhlich unter einem Dach wohnen. Katja Riemann gehörte einst mit zum Stammpersonal jenes Komödiengenres." Und ist heute auch mit dabei. +++ Co-Star Thomas Sarbacher traf die TAZ in einem "Reservat für Raucher" am Berliner Bahnhof Zoo. +++

+++ Ganz groß auf der Bild-Zeitung!: "TV-Skandal um Hardy Krüger-Film!". Es handelt sich um das gestern knapper in der Süddeutschen behandelte Parfüm-Platzierungs-Problem im Sonntagsfilm "Familiengeheimnisse". Ein ZDF-Sprecher zur Bild-Zeitung: "Die zuständigen ZDF-Stellen prüfen das. Dem ZDF war nicht bekannt, dass die Hauptdarstellerin für ein Kosmetikprodukt wirbt, das ebenfalls eine Schirm-Akazie als Logo hat. Sonst hätten wir die Verwendung eines ähnlichen Logos in dem ZDF-Film nicht akzeptiert.“ Bzw.: In den ZDF-Sonntagsfilmen sind Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sowieso so gut wie ausgeschlossen und, falls sie doch auftreten, rein zufällig. +++ In einem Bild-Zeitungs-Artikel zum Freitod des Schauspielers Mick Werup entdeckte Stefan Niggemeier einen "unfassbaren Satz". +++ Dem KSTA ist's Anlass für eine Klickstrecke durch "deutsche Kultserien der 80er Jahre". +++ "Einzigartig, das ist auch die Kampagne, mit der der Springer-Verlag versucht, seine rote Marke (Bild, Bams etc.) in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. 'Freiheit für die beiden im Iran inhaftierten deutschen Reporter!' lautet die Anzeige, für die - bis auf Freischreiber - alle namhaften Journalistenorganisationen als Unterzeichner gewonnen wurden und mit der Springer sich als Verfolgter inszeniert" (TAZ-Kriegsreporterin Silke Burmester). +++

+++ In Kalifornien wird hart um neue Bezahlsysteme fürs Internet gerungen. FAZ-Netzökonom Holger Schmidt informiert. +++ In Deutschland dagegen wurde das (der?) digitale Radiergummi nun vorgestellt (Süddeutsche). +++ Warum es (er) "versagen muss" (SPON). +++ Sozusagen ausradiert: die deutsche Sektion des Netzwerks Myspace. "Ich bedauere die Entscheidung von MySpace sehr, den Geschäftsbetrieb in Deutschland einzustellen", sagt deren Chef Joel Berger, bekannt u.a. von vielen Mediendiskussions-Podien (faz.net). +++

+++ Gut aber geht's Groupon (BLZ). +++ Auf der FAZ-Medienseite 31 vergleicht Detlef Borchers nigerianischen Scam, auf deutsch etwa "Vorschussbetrug" mit ähnlich angepriesenen Business Opportunities rund um Facebook. +++ Und es geht um Max Mosleys sozusagen persönlichkeitsrechtlichen Auftritt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. +++

+++ Worauf man heute abend im Fernsehen nicht gespannt zu sein braucht: Auf Steffen Hallaschkas Debüt bei "Stern TV". Schließlich ist Hallaschka "Liebhaber wild gemusterter T-Shirts". Und "sich selbst bezeichnet Hallaschka als journalistischen Moderator. Er will informieren ohne zu schlaumeiern. Er will unterhalten, aber mit Niveau... ... ...", informiert völlig ohne zu schlaumeiern, eher im Stil einer Pressemitteilung die Frankfurter Rundschau. +++ Nur unwesentlich aufregender das Interview des Tsp. mit dem Moderator, der gerne Sachen macht, "die mit einem selbst identisch sind". +++ Vielleicht doch einen Ansatz, gespannt zu sein, rang Hans Hoff in der Süddeutschen dem Thema ab: "Wenn Steffen Hallaschka an diesem Mittwoch zum ersten Mal 'Stern TV' moderiert und die Sache gut macht, dann ist das auch ein Armutszeugnis. Für die ARD. Die wusste den nicht mehr ganz so jungen Mann nämlich jahrelang fest in ihren Reihen und ließ ihn doch vorwiegend in den dritten Programmen versauern." +++
 

Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.