Es ist eine App!

Es ist eine App!

Das "Killer-Asset" der "Tagesschau"-App schürt Panik und lockt Leserreporter. Gremien attackieren die neue Vorsitzende der ARD. Und die "Buddenbrooks" sind dank "Blitzaktion" auch in Afghanistan zu sehen.

Am gestrigen Dienstag also hat sie das Licht zumindest einiger Touchscreens des Herstellers Apple wie auch (da Dr. Kai Gniffke sympathischerweise kein Apple-Fetischist ist) dasjenige der Blackberrys und Android-Handys erblickt: die aus Vorabdiskussionen seit einem Jahr bekannte "Tagesschau"-App.

Die App-affinen Kritiker scheinen hin- und hergerissen. "Besser als 'tagesschau.de'", meint kress.de. "Der Vergleich der App mit 'tagesschau.de' ist ernüchternd", würden Marco Dettweiler und Michael Hanfeld von der FAZ sagen. "Mehrwert sucht man vergeblich", findet ihn dann aber doch:

"Die ARD bietet letztlich die Inhalte der Webseite in reduzierter Form an. Diese Verschlankung erzeugt allerdings auch einen Mehrwert. Vom Ballast der linken und rechten Spalte der Webseite befreit, fällt der Blick des Nutzers sofort auf die aktuellen Meldungen, das Navigieren fällt leichter."

Ob sie nun das Innovative vermissen oder ob eher gerade im Neuen der App eine neue Bedrohung der nicht von der GEZ finanzierten Verlags-Angebote liegt, da konnte sich das FAZ-Autorenduo (Autorenkürzel in der Papierzeitung: "made/miha") offenbar nicht ganz einigen.

Daniel Bouhs erkennt bei meedia.de in der "durchgehend konsequenten Verknüpfung mit Filmen" "zweifellos das Killer-Asset der 'Tagesschau'-App". Nun ist "die Bedrohung für Zeitungen und Zeitschriften größer denn je". Nun "ist die Panik der Verlage verständlich" (ders. in FR/ BLZ).

Diese Panik der Verlage äußert sich traditionell in zwei ähnlich klingenden, aber niemals identischen Verlautbarungen der Hauptgeschäftsführer der Verlegerverbände VDZ und BDZV. Vielleicht einen Tick überzeugender im Vergleich: Wolfgang Fürstner von ersterem Verband ("Diese, für den Leser gratis erscheinende Konkurrenz kostet unsere freie und staatsunabhängige Presse Chancen, sich im Medienwandel zu behaupten.")

Weitere Stimmen im Schnelldurchlauf: "Für den schnellen Nachrichtenüberblick unterwegs ...gut geeignet" (Tagesspiegel) sei die App, "verdammt... gut" (Carta via Twitter), "kann sich ...sehen lassen" (TAZ unter der Überschrift "Steck dir den Buhrow in die Tasche").

Noch ganz interessant: Im Youtube-Filmchen der ARD heißt es, es sei nun auch "ganz einfach, der 'Tagesschau'-Redaktion Bilder und Videos (zu) schicken". Leserreporter also aufgepasst! Bzw.: Gibt's denn etwas zu gewinnen? Ein Jahr GEZ gratis?

Abgeklärte Medienbeobachter und Hauptgeschäftsführer haben natürlich erkannt, dass diese App durch sämtliche Gremien durch und nicht mehr zu verhindern ist. Ein als immer wunder erkannter Punkt der ARD hingegen: ihre Programmstruktur bzw. ihre Talkshowflut ab kommendem Herbst.

Am Montag hat sich der WDR-Rundfunkrat, also das Aufsichtsgremium der größten ARD-Anstalt, deren Intendantin Monika Piel ab 2011 den ARD-Vorsitz übernimmt, mit einem nicht unbemerkenswerten Positionspapier (PDF) gemeldet. Z.B. heißt es da, der Rat

"bedauert in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die bis Herbst nächsten Jahres vorhandene Zeit nicht dafür genutzt wurde, grundsätzlich und ergebnisoffen über die Programmstruktur im Ersten zu diskutieren und dabei auch darüber nachzudenken, wie die Qualitäten der genannten Moderatorinnen und Moderatoren anders und möglicherweise besser eingesetzt werden können, ohne den Zuschauerinnen und Zuschauern an fünf Tagen in der Woche Talk, wenn auch in unterschiedlicher Form anzubieten."

Michael Hanfeld, der sich schon im o.g. App-Artikel mit Piel befasst, findet das Papier "ein bisschen unausgegoren formuliert", greift es aber gern auf und interpretiert, Piel "und ihre Kollegen Intendanten werden nun in einer nur halbwegs freundlich verklausulierten Weise zum Rapport gebeten" (FAZ, S. 35). Knapp, aber frei online berichtet der Tagesspiegel.

[listbox:title=Artikel des Tages[App-Kritik bei meedia.de##App-Kritik der FAZ##WDR-Gremlins gegen zuviel Getalke (PDF)##Von Wikileaks und trotzdem falsch (SZ)##Rechte Radiosender im Internet (Tsp.)]]

Und während auf großen Medienseiten schon damit begonnen werden muss, das Weihnachtsprogramm der ARD zu besprechen (also in der SZ Joachim Käppner voller "Sehnsucht nach jenen fernen Tagen..., als das Fernsehen noch drei Programme hatte und den ganz eigenen Zauber des Raren" allen Ernstes Heinrich Breloers langweiligen "Buddenbrooks"-Zweiteiler empfiehlt, den morgen zunächst Arte ausstrahlt und den Edo Reents in der FAZ als einen "Film mit Kostümen und von einiger Länge" nicht empfiehlt), kommt noch eine Meldung aus dem ARD-Reich zur Entfaltung:

"Versorgung der Afghanistan-Soldaten mit ARD-Programm gesichert", und zwar per "Blitzaktion", ließ der noch amtierende Vorsitzende Peter Boudgoust gestern schnurstracks verlauten, nachdem die Bild-Zeitung (siehe Altpapier gestern) in einer ziemlich konzertierten Aktion gegen den Sender mobil gemacht hatte.

Die "Buddenbrooks" lassen sich am Montag dann also auch am Hindukusch anschauen. Wenn es so zack zack geht, lässt sich die Bild-Zeitung nicht lumpen und nun auch quasi allerhöchstem Munde der ARD ein Lob aussprechen: "Ich danke der ARD für diese unbürokratische Lösung", so KT zu Guttenberg. Darauf einen "Brennpunkt"!

Und weil Leser dieses Artikels sich auch für jenen interessieren sollten, stellte bild.de beide gestern auf der Startseite nebeneinander. In jenem berichtet ein Italienkorrespondent gern, wie das italienische Magazin "Gente" KT und Stephanie nicht bloß "das Paar, das die halbe Welt fasziniert", nennt, sondern auch "mit DEN Stil-Ikonen des 20. Jahrhunderts" (Bild-Zeitung), mit John F. und Jacqueline Kennedy vergleicht.

Dass dieser Vergleich jedenfalls nicht bis zu Ende gedacht war, das wünschen wir KT trotz allem.


Altpapierkorb

+++ Indes an der globalen Front, an der womöglich auch ein Kampf zwischen den klassischen Medien und Wikileaks stattfindet, hat die Süddeutsche etwas Neues entdeckt: eine Wikileaks-Depesche verblüffend offensichtlich falschen Inhalts, die jedoch, weil eben via Wikileaks publik geworden, gern weiterverbreitet wurde. Das sei nun u.a. für den Guardian unangenehm. +++

+++ Der derzeit wieder freie Wikileaks-Chef Julian Assange empfing derweil die Süddeutsche zur großen Seite 3-Homestory auf dem englischen Landsitz Ellingham Hall. Stefan Klein traf einen "Mann unter Strom, verletzend - und verletzt" (online sehr verkürzt). +++

+++ Es gibt wieder frische Journalistenpreise! U.v.a.: Kulturjournalist des Jahres ist Frank Schirrmacher, Newcomer Sebastian Heiser von der TAZ (mediummagazin.de).+++

+++ Den durchaus interessanten Tagesspiegel-Artikel über rechtsextreme Internetradios, in dem es heißt: "Kinder und Jugendlichen, die für Themen wie Holocaust, Islam- oder Ausländerfeindlichkeit nicht sensibilisiert sind, können subtile Leugnungen des Holocaust oder Hetze gegen Ausländer vermutlich nur schwer oder gar nicht erkennen – und geraten so in Gefahr, in die Szene hineingezogen zu werden", hat der Redakteur, der dafür die Überschrift "Platte Parolen" ersann, vielleicht nicht ganz bis zu Ende gelesen. +++

+++ Zur ungarischen Medienpolitik: Am ausführlichsten über den neu geschaffenen Medienrat informiert die FAZ ("politische wie rechtliche Gratwanderung zwischen der Herstellung einer verlässlichen Medienordnung und einer Zensur"), knapper die Süddeutsche. Die FR hat besorgte deutsche Europaparlamentarier aus SPD, CDU und FDP dazu befragt. +++ "Medien-Maulkorb" (SPON). +++

+++ Sendet eigentlich Radio Paradiso noch? Herrje, ja. Der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg will weiter dagegen vorgehen (Tsp., evangelisch.de). +++

+++ Die Frage, ob sich 3-D-TV etablieren wird, richtet Tilmann P. Gangloff im Kölner Stadtanzeiger an diverse Experten. Im Tsp. empfiehlt er die "klare ABC-Strategie" des RTL-Action-Krimis "Die Draufgänger“ mit Jörg Schüttauf, auf evangelisch.de einen RBB-"Tatort" im HR-Fernsehen. +++

+++ Die FAZ präsentiert auf der Medienseite heute außerdem ein "In medias res"-Glösschen über Günter Jauch und Guido Westerwelle weit jenseits des Randes der Verständlichkeit.+++ Fidel wie eh und je: die TAZ-Kriegsreporterin, wie immer mit G+J sowie dem Focus im Fokus. Sie hat bloß übersehen, dass die Domain sz-online.de nicht der umgangssprachlich "SZ" genannten Süddeutschen Zeitung gehört, sondern der Sächsischen, wohin die Online-Säzzer bei taz.de auch verlinken. Der richtige Link wäre (wie im Altpapier gestern) dieser hier. +++ Aus denselben Focus-Gründen meint Wolfgang Michal auf Carta: "In Deutschland gibt es keinen größeren Markt für intelligenten Konservativismus, dort gibt es höchstens einen größeren Markt für rüden Konservativismus, nämlich den, der die alte 'Ideologie der Ungleichwertigkeit' neu entdeckt'". +++

+++ Thomas Tuma, sozusagen der Medienressortchef des Spiegel, verzichtete sozusagen einvernehmlich auf sein Beratungsmandat für Thomas Gottschalk. Auch sonst nähme beim Spiegel "derzeit kein weiterer Redakteur ein Beratungsmandat wahr", ließ sich Kai-Hinrich Renner (Hamburger Abendblatt) kürzlich sagen. +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.