Schmetterling mit Spleen

Schmetterling mit Spleen

Immer diese DuMonts: Ihre Boulevardpresse scheint sich ein Borderline-Problem eingehandelt zu haben. Neuer Konstantin-Content liegt auch vor.

Vor der täglichen Dosis DuMont kurz etwas existenziell Wichtiges: Zur gestern an dieser Stelle erwähnten Frage der im Iran gefangen gehaltenen Bild am Sonntag-Reporter hat Cigdem Akyol ein  Drei-Fragen-Interview mit Mina Ahadi geführt - jener in Deutschland lebenden Menschenrechtsaktivistin, der die Reporter in ihrem gespenstischen, unfreiwilligen Fernsehauftritt offenbar Vorwürfe machten.

"Der Iran ist eine islamische Diktatur, und immer wieder werden Menschen über Wochen hinweg inhaftiert und gefoltert. Deswegen glaube ich nicht, dass diese Aussagen freiwillig gemacht wurden. Die beiden Journalisten stehen unter Druck, sie sind Geiseln eines faschistischen Regimes. Ich bin überhaupt nicht beleidigt über das, was sie gesagt haben",

sagt Ahadi. Auch sonst sagt sie nichts Überraschendes oder Undiplomatisches. Das zu lesen hilft bloß bei der Einordnung dessen, was sonst gerade im Medienjournalismus Thema ist.

Also die DuMonts. An drei Fronten des bizarren Konflikts ist heute etwas los. Erstens hat der Verlag nun auch Kummer im übertragenen Namens-Journalistenwitz-Sinne. Ein Interview mit dem krebskranken Hollywood-Schauspieler Michael Douglas, das in der DuMont'schen Boulevardpresse (Express, Hamburger Morgenpost, Berliner Kurier) erschienen ist, hat sich offenbar als Tom Kummer-hafte Fälschung entpuppt.

Das berichtete zunächst und gern die Bild-Zeitung (mit der zumindest der Kölner Express nicht nur beim Anspruch in Gossen-, sondern auch bei der Auflage auf Augenhöhe konkurriert). DPA verbreitete die Meldung und erfuhr vom angeblichen Interviewer, dass dieser das Interview von tmz.com "übernommen" habe. Die fleißigen Aggregatoren von meedia.de fanden Online-Widerschein des ansonsten depublizierten Interviews. Der Name des mutmaßlichen Borderliners, den die meedia-Meldung noch "Jörg B." abkürzt, lautet vollständig Jörg Bobsin, wie u.a. faz.net publik macht.

Die Bild-Zeitung selbst war offenbar auf die Gefälschtheit des Interviews gestoßen (worden), als sie wegen ihrer Übernahme von Aussagen daraus von einem Sprecher Douglas' angesprochen wurde. So gesehen bietet diese Story Potenzial für eine Sittengeschichte des Boulevards in Zeiten der Zeitungskrise. Mit den Neven DuMonts direkt hat sie wenig zu tun, außer dass die Konkurrenz (z.B. der Tagesspiegel) das natürlich gern als DuMont-Story vermeldet.

Direkter mit ihnen zu tun hat, zweitens, die Impressums-Frage. Wir stellten gestern hier fest, dass trotz unterschiedlichee Ansichten über Konstantin Neven DuMonts derzeitigen Status im Online-Impressum des Kölner Stadtanzeigers weiterhin drei DuMonts namhaft und anmailbar gemacht werden.

Dann schaute Marc Felix Serrao, der DuMont-Experte der Süddeutschen, ins Impressum der Frankfurter Rundschau, entdeckte, dass Konstantin aus dem seit Mittwoch getilgt ist und fragte nach:

"Der Verlegersohn habe sich 'völlig daneben' benommen und den Ruf der Zeitung gefährdet, hieß es nun aus Verlagskreisen",

berichtet die SZ. Drei Herausgeberschaften in der genannten Drei-DuMont-Konstellation verblieben ihm jedoch, darunter beim eben erwähnten Express.

Wer weiß, wie lange das noch. Damit zur dritten Frontlinie. Während Nachzügler noch Alfred Neven DuMonts Depesche vom Dienstag verarbeiten (TAZ, FAZ-Medienseite; der FTD-Artikel vom Mittwoch ist inzwischen frei online zu haben...), erscheint selbstredend auch an diesem Donnerstag neuer Konstantin-Content: in der Wochenzeitung Die Zeit.

[listbox:title=Artikel des Tages[Ahadi-Kurzinterview (TAZ)##Der DuMont-Kummer (meedia.de)##Die DuMont-Impressen (SZ)##Die DuMont-Saga (Welt)]]

Fürs Wirtschaftsressort (S. 36, derzeit nicht frei online) verfasste Götz Hamann ein luftiges Porträt, das mit der Beschreibung von Konstantin Neven DuMonts "Freischwinger", also seinem momentan nicht besetzten Metallstuhl im Kölner Verlagssitz einsteigt, daneben sowohl, was bisher geschah, als auch die Zeitungskrise an sich schildert, und überdies exklusive Originalzitate des Verlegersohns enthält.

"Dieser Konflikt schwelt seit 15 Jahren", sagt er zur Frage nach seinem Status im vom Vater beherrschten Verlag. Gestritten hätten die beiden, so die Zeit, über die Zusammenlegung von Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung: Konstantin "wollte... möglichst viel zentralisieren und Frankfurt stark verkleinern, doch der Vater milderte ab".

Seinen eigenen Sieben-Prozent-Anteil am Verlag schätzt der Sohn auf 20 Millionen Euro (und die Welt meint in ihrer getreulichen Zusammenfassung der Saga: "die Mobilisierung des Konstantinschen Anteils könnte in der gegenwärtigen Lage für das Verlagshaus zu einer ernsten Krise führen").

Vorerst abschließend noch zwei Konstantin-Einschätzungen aus dem Zeit-Artikel:

"Sicher ist, Konstantin Neven DuMont hat mindestens einen Spleen - und er steht dazu. Er schwärmt für asiatische Gelassenheit, redet allerorten über Öko-Bewusstsein, schwört auf gefiltertes Brunnenwasser und sagt über sein Zuhause: 'Da ist alles Zen'..."

und

"Einer, der ihn näher kennt, beschrieb Konstantin Neven DuMont einmal als 'Schmetterling', weil der schlanke, fast hagere Mann so leicht die Rollen und die Themen wechselt."

 


Altpapierkorb

+++ War's das für heute mit den DuMonts? Neiiiin, der Kölner Stadtanzeiger hat jetzt auch eine iPad-App und fühlt sich selbst von dieser auf fast rührende Weise an "Harry Potter" erinnert. Hier der entsprechende Beitrag incl. Knacki-Deuser-Video!, aber auch mit neuen Alfred Neven DuMont-Äußerungen à la "Die angemessene Verbindung von Texten, Fotografien, Filmen und Ton bringt eine neue spannende Herausforderung für Journalisten"! +++

+++ Jetzt aber Themenwechsel: Mit Thilo und Eva in einem Bett... pardon, pardon: Blatt, haben die TAZ bzw. René Martens Roger Willemsen erwischt, der, als er für Jürgen Elsässers am 1. Dezember erscheinendes "Compact" als Autor angefragt wurde, unbedingt eine Suchmaschine hätte benutzen sollen. Dann wäre er nämlich darauf gestoßen. +++

+++ Print-Innovationen. Das "i" des Independant (jener britischen Zeitung, die der Russe Alexander Lebedjew kaufte) soll "quality journalism for the time-poor" bieten. Kein Artikel enthält mehr als 400 Wörter, berichtet die TAZ. +++ "Frauen ab 30..., die Interesse an spirituellen und esoterischen Themen haben und offenbar hin und wieder zum Hirnaktivieren aufgefordert werden müssen", bilden indes die Zielgruppe der deutschen Zeitschrift "Bella Luna" (Pabel-Moewig/ Bauer-Verlag). Daniela Zinser zeigt sich in der Berliner Zeitung nicht begeistert. +++ Mit der Mario García relaunchten kolumbianischen Tageszeitung El Tiempo befasst sich die Süddeutsche (S. 15). +++

+++ Die FAZ-Medienseite befasst sich mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg ("macht sich zunutze, dass vielen Menschen Einfachheit wichtiger ist als Datenschutz"), dem Berliner Radio Paradiso (will seinen Wortanteil mit Hilfe des Wetzlarer Evangeliums-Rundfunks und des Kölner Domradios erhöhen), Conan O’Brien ("wird als Messias gefeiert") und dem vom CDU-Politiker Axel Fischer via Facebook geforderten "Vermummungsverbot im Internet" (bringt nichts, so Detlef Borchers). Frei online steht einstweilen nichts davon. +++

+++ Huch, in Berlin war schon wieder "Mediendisput". "Journalisten und Politiker gingen dort der Frage nach, ob zwischen den beiden Berufsgruppen eine Hassliebe besteht", berichtet der Tagesspiegel und zitiert als eine der offenbar aufregendsten Aussagen diese des stellvertretenden Regierungssprecher Christoph Steegmans: "In einem kleinen Kreis redet man offener und gibt nicht nur Vorformuliertes von sich." +++

+++ Ders. macht sich einen Spaß daraus, Kandidaten fürs nächste Dschungelcamp zu ersinnen. +++ Die Berlin-Frankfurter Zeitung porträtiert die Fernsehdarstellerin Saskia Vester wegen ihrer Rolle im heutigen ARD-Degeto-Film. Und der gestrige SZ-Artikel, in dem Christopher Keil die "Haltung im gebührenfinanzierten Rundfunk, kaum etwas zu unternehmen und mit Gebührengeld zu entwickeln, das mit den angeblichen Sehgewohnheiten bricht", aus dem Scheitern des Plans eines "Eine Leiche zum Dessert"-artigen "Tatort"-Films mit 27 Tatort-Kommissaren herleitet, steht inzwischen frei online. +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.