Matula, Google, Ruanda

Matula, Google, Ruanda

...und das in einer Meldung. Außerdem: zehn Argumente von Google, Ärger über Ergo. Es kann ja nicht jeder Zeitungstag vor Brisanz bersten.

Regelmäßige Zeitungsleser wissen: Es gibt Tage, an denen viele Zeitungen derart prall gefüllt sind mit spannenden oder interessanten Artikeln, dass man sie eigentlich den ganzen Tag lang lesen müsste, wenn nicht auch anderes zu tun wäre. Und weil solche eine Ballung manchmal auffällt, gibt es auch Tage, an denen es sich gerade nicht so verhält.

An solchen Tagen können dann Qualitätszeitungen mit weitverzweigtem Kulturkorrespondentennetz über "Das Stierkampfverbot in spanischen Tageszeitungen" berichten (FAZ natürlich) oder solche mit Faible für Künstlernaturen endlich einmal ausführlich den Schauspieler, der 2011 als neuer schweizerischer "Tatort"-Kommissar bekannt werden wird, und sein bisheriges Lebenswerk vorstellen (Süddeutsche natürlich).

Und die Menschen oder Algorithmen, die für die Umwandlung von Zeitungsartikeln in Internetartikel zuständig sind, können einmal solche zumindest unter didaktischen Aspekten herausragenden Artikel publizieren wie diesen im Onlineauftritt der Berliner Zeitung. Da packt die Überschrift "282 Folgen: Matula überholt Derrick" die Leser bei dem, was sie in Medienressorts vermutlich am meisten interessiert, Fernsehkrimis halt, während der Vorspann das in der Digitalära unerlässliche Search Engine Optimizing erledigt ("Google überarbeitet nach Urteil Werberichtlinien"), während der eigentliche Text die noch nichts ahnenden Leser dann mit dem konfrontiert, was sie andernfalls wohl kaum lesen würden: Neuem zur Lage der Medienfreiheit in Ruanda. Wie auch immer dieser Artikel zustandekam, er sollte schon mal auf die Shortlist für den bekannten Grimme Online Award. (Und wer mehr über Ruanda wissen will: reporter-ohne-grenzen.de).

An solchen ressort-spezifisch eher schwachen Tagen kann man ferner auch mal tun, was Medienseiten ganz ganz früher vor allem taten: über vergangenes Fernsehprogramm räsonieren.

Gestern lief in der ARD ein Peer-Steinbrück-Porträt des Filmemachers Stephan Lamby. Hier im Altpapier fanden wir die Vorbesprechung der TAZ lesenswert, die den Film selbst nicht empfehlenswert fand. Später im Verlauf des gestrigen Tages rückte die FAZ ihre extensive Filmbesprechung von Nils Minkmar ins freie Internet, der ganz begeistert war ("sehenswert", "revolutionär"...). Gleich daneben im FAZ-Fernsehblog empfahl Peer Schader, der fernsehkonsummäßig ganz anders tickt, den Film gleich auch noch.

Schon möchte man doch mal reinschauen. Kann man das derzeit in der ARD-Mediathek? In der "Das Erste"-Mediathek? In der des für Lambys Film verantwortlichen NDR? Jeweils nein. Die zahlreichen öffentlich-rechtlichen Mediatheken sind zwar trotz aller Depublikationen prall gefüllt, aber mit dem, was aktuell interessiert, irgendwie niemals. Vielleicht ist das das Murphy Amendment zum 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

[listbox:title=Artikel des Tages[GOA für die BLZ!##Die zehn besten Google-Argumente! (Carta)##Was Peter Voß und die Ergo eint (Freitag)]]

A propos. Bei Carta steht ja immer medienpolitisch-juristisch irgendetwas Neues. Und in der Tat: Unter der suchmaschinen-optimierten Überschrift "Leistungsschutzrecht: 10 Gründe gegen eine 'Presse-GEZ'" greift Dr. Arnd Haller, "Chefjustiziar von Google Nord- und Zentraleuropa" ("Website: http://google.de") in die mittelfristig spannende Debatte ums inhaltlich noch unbekannte Leistungsschutzrecht für Verlage ein. Und erweist sich als beinharter Lobbyrhetoriker, der aber mindestens Präsident Hubert Burdas Augenhöhe erreicht.

Am ehesten sind solche Tage vielleicht geeignet, weiterzudenken, was man schon mal an-dachte, wie Matthias Dell das hier im Altpapier zu Peter Voß und der Quadriga-Hochschule tat und jetzt im Freitag um die derzeit omnipräsente Ergo-Werbung erweitert (und letzteres nicht wegen der bislang dämlichsten deutschen Werbepose dieses Jahrtausends, der des RTL-Krimidarstellers Sebastian Ströbel mit den Kopfhörern auf den Ohren, vgl. meedia.de, sondern wegen einer "'Anzeigensonderveröffentlichung der ERGO Versicherungsgruppe', die kürzlich einer Sonntagszeitung beilag".


 


Altpapierkorb

+++ Wir taten der so oft lesenswerten Medienseite der FAZ übrigens eben wieder Unrecht. Da steht auch mal wieder ein langer, kluger oder zumindest lesenswerter Miriam Meckel-Artikel, der den ökonomischen Begriff der "Allmende" aufs Internet überträgt und warnt: "Weil alle alles ins Netz bringen, egal warum, egal für wen, egal wozu, wandelt sich das so vielversprechende, offene und demokratische Netz zu einer billigen Plattform für individuelle und institutionelle Marketingplattitüden." Leider steht dieser selbstredend völlig irreduzible Text derzeit nur unfrei online. +++ Und auf den seit Oktober 2009 von "Red Bull" betriebenen Fernsehsender "Servus TV", dessen Programmdirektor Wolfgang Pütz sagt: "Wir versuchen privat finanziertes Fernsehen mit öffentlich-rechtlichen Inhalten umzusetzen“ und daher neuerdings auch Elke Heidenreich eine Heimstatt gewährt, auf den weist die FAZ auch hin. +++

+++ Die Medienseite des Tagesspiegel bündelt Aktuelles rund um die Rundfunkgebühren: warum ein britischer Think Tank sie für die BBC gern abschaffen würde (auch der SZ-Bericht von gestern ist inzwischen online), warum in Deutschland WAZ-Cheschäftsführer Christian Nienhaus im Internet gern auch an ihnen partizipieren würde. +++ Ferner: eine Empfehlung der RBB-Doku "Die Stasi in West-Berlin". +++

+++ Die Lage der Medienfreiheit in Kolumbien beleuchtet die TAZ per Interview mit dem Investigativreporter Ignacio Gómez. +++ Indes Marokko, die dort produzierte Telenovela, die taucht jetzt in der BLZ auf. In der aber auch das deutsche Fernsehen nicht zu kurz kommt: Peer Schader über die aktuellen Erfolge von Sat.1. +++

+++ Der Markt der E-Books, das Schicksal der einstigen Bertelsmann-Beteiligung Barnes & Noble interessiert die FTD. +++

+++ ksta.de hat den Kachelmann-Artikel vom 31. Juli ergänzt. Warum? Wegen des "medialen Volksgerichtshofs", von dem Wolfgang Kubicki gestern in der TAZ sprach. +++ Aktuelle Interviews mit Medienethiker Christian Schicha gibt's übrigens bei ksta.de und taz.de. +++

+++ Sie wollen mitreden über die US-Serie "The Wire", die im deutschen Fernsehen noch niemand zu zeigen wagte? Der Freitag hilft. +++ Die Zeit (S. 38) enthüllt: "Die Doku-Soaps auf RTL – alles erfunden"! +++

+++ Stefan Gubser heißt der neue Schweizer "Tatort"-Star übrigens. +++ Ferner auf der SZ-Medienseite: Überlegungen zur Zukunft von Sky und der Bundesliga. Christopher Keils Text schließt mit den Worten: "Aus dem bislang letzten Geschäftsbericht der Bundesliga geht hervor, dass die Profivereine einen Umsatz von zwei Milliarden Euro gemacht haben, 220 Millionen Euro kamen von Sky, das sind etwas mehr als zehn Prozent. Es gibt Branchen, die wären derzeit bei einem Verlust von etwas mehr als zehn Prozent im Kerngeschäft glücklich." Überregionale Qualitätszeitungen etwa? +++
 

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.